Frasdorf/Aschau – Die Archäologen haben ihre Bodenuntersuchungen beendet. Im Juni begann der Bau der neuen Autobahnbrücke zwischen Umrathshausen und Höhenberg. Auf einer Länge von etwa 400 Metern wurde eine provisorische zusätzliche Fahrspur errichtet, damit der Verkehr – täglich etwa 70000 Fahrzeuge – weiter vierspurig durch die Baustelle rollen kann. Je nach Bauphase müssen zwei Streifen pro Fahrtrichtung nach außen oder innen geschwenkt werden, denn gebaut wird nicht nur südlich und nördlich der Autobahn, sondern auch mittendrin.
Bauarbeiten direkt
auf dem Mittelstreifen
Auf dem Mittelstreifen wurden bereits Bohrpfähle gesetzt. Im Moment arbeiten die Tiefbauer der Firma Porr an der Bewehrung der Pfahlkopfbalken für das Traggerüst. Sie stehen mitten im Verkehr. Nur Betonleitwände und eine auf 80 Kilometer pro Stunde gedrosselte Geschwindigkeit geben ihnen Schutz. „Für ihre Arbeitssicherheit ist auch die Rücksichtnahme der Verkehrsteilnehmer gefragt“, betont Michael Kordon, Direktor der Niederlassung Südbayern der Autobahn GmbH des Bundes. Vor Ort erläuterte er jetzt die Herausforderungen dieses Brückenbaus.
Die größte ist der reibungslose Verkehrsfluss auf der 90-jährigen Autobahntrasse. „Der Zustand der altehrwürdigen Autobahn macht uns zu schaffen“, sagte Kordon. Der Königsweg – der sechsstreifige Ausbau der A8 zwischen Achenmühle und dem Bernauer Berg – ist versperrt. Die Baugenehmigung – der Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern – wird vom Bund Naturschutz beklagt. „Die Klage liegt beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Wir warten auf den Verhandlungstermin. Noch ist dieser nicht bekannt“, informierte Kordon. Er hofft auf eine baldige Bestätigung des Baurechts, „damit wir so schnell wie möglich loslegen können“. Die Trasse bröckelt, ist nur mit kostspieligen Notoperationen noch am Leben zu halten. So verschlang allein die Zwischensanierung der Prientalbrücke östlich von Frasdorf etwa fünf Millionen Euro.
Die Autobahnbrücke bei Seehaus ist Bestandteil des Gesamtvorhabens zwischen Achenmühle und Bernauer Berg. Schon im September 2022 musste sie aus Sicherheitsgründen abgerissen werden. Jetzt soll die Ortsverbindung zwischen Umrathshausen und Höhenberg trotz der anhängigen Klage wiederhergestellt werden. „Grundsätzlich besteht mit dem Planfeststellungsbeschluss Baurecht. Wir haben der gegnerischen Seite die Baumaßnahme angezeigt. Es gab keine Widersprüche, denn die Brücke ist auch mit der bestehenden Autobahn für die Gemeinden Frasdorf und Aschau im Chiemgau von Bedeutung“, erläutert Kordon.
Bau ist technisch
anspruchsvoll
Die Brücke bei Seehaus ist ein technisch anspruchsvolles Bauwerk. Nicht nur wegen des Baus bei rollendem Verkehr. Vor allem wegen des Baugrunds, der zwischen Umrathshausen und Höhenberg alles andere als gut ist. Wie überall im Bereich des einstigen „Rosenheimer Sees“ besteht der Boden aus Seetonen, also feinsten Sedimenten. Seeton ist ein kaum tragfähiger Boden, der bei Belastung zu großen und vor allem lange andauernden Setzungen neigt. Hinzu kommt im Bereich der Seefilze bei Seehaus ein hoher Grundwasserspiegel.
Deshalb wird die neue Autobahnbrücke auf 18 Bohrpfählen gegründet. Sie sollen über die Widerlager im Norden und Süden sowie den Mittelpfeiler der Brücke ein Gesamtgewicht von etwa 7500 Tonnen tragen. Dafür treibt ein Pfahlbohrgerät Stahlrohre in die Erde. Diese haben einen Durchmesser von etwa 1,20 Metern und werden bis zu einer Tiefe von 20 Meter in den Boden gebracht.
„Im Inneren dieser Verrohrung wird das Bodenmaterial mit einer Bohrschnecke zutage gefördert“, erklärt Jens Seiffart, Geschäftsbereichsleiter Brücken in der Autobahn-Niederlassung Südbayern. Der Aushub wird am Rande der Baustelle gelagert, jedes „Haufwerk“ nummeriert, von Laboren beprobt und erst danach fachgerecht entsorgt. Die Erdbewegungen für die Autobahnbrücke bei Seehaus sind gewaltig. Insgesamt werden etwa 95000 Kubikmeter bewegt.
Da die Pfahlbohrungen weit unter den Grundwasserspiegel reichen, wird das Rohr während der Bohrung mit Wasser gefüllt. Damit wird der Druck des Baugrunds ausgeglichen und die Bohrlochwand stabilisiert. Nach Abschluss der Bohrarbeiten wird ein Bewehrungskorb in die Rohrleitung eingehoben und mit Frischbeton gefüllt. Damit der Beton nicht unkontrolliert durch das Wasser in die Tiefe fällt, wird er im Kontraktor-Verfahren – also mit riesigen Trichtern – eingebaut.
Zeitweise nächtliche
Sperrungen
Der Beton verfüllt das Bohrloch von unten nach oben und verdrängt dabei das Wasser. Ist der Beton auf der Länge des gesamten Bohrpfahls ausgehärtet, werden die Stahlrohre wieder aus der Erde gezogen. Umgangssprachlich ausgedrückt: Die Schalung wird entfernt.
Die Brücke bei Seehaus wird so breit gebaut, dass künftig eine sechsspurige Autobahn unter ihr Platz haben könnte. Und auch wenn man sich das heute noch nicht vorstellen kann: Die Bohrpfahlgründung für den Mittelpfeiler befindet sich direkt an der nördlichen Grenze der bestehenden Trasse, also an der Fahrbahnkante in Richtung München. Im September sollen die Bohrungen in diesem Bereich erfolgen. Deshalb werden die Fahrspuren weiter nach innen in Richtung Mittelstreifen verlegt. Muss die Verkehrsführung geändert werden, macht dies nächtliche Sperrungen der Autobahn erforderlich.
In diesem Jahr soll der Unterbau der Autobahnbrücke fertiggestellt werden. 2026 folgt der Überbau, also der tragende Teil der Brücke. Dann werden direkt über dem fließenden Verkehr die Schalungen an den Pfeilern angebracht und für das Betonieren des Überbaus vorbereitet. Und auch für das Betonieren selbst wird keine Sperrung der A8 erforderlich. Der Frischbeton wird über Leitungen in die Schalung gepumpt.
Bund investiert
sieben Millionen Euro
Ende 2026 soll die Autobahnbrücke – oder die Überführung der Gemeindeverbindungsstraße von Umrathshausen nach Seehaus – für den Verkehr freigegeben werden. Dann ist die Kompostieranlage Weiher des Landkreises Rosenheim wieder besser zu erreichen. Seit 2022 ist sie aus dem Norden nur über eine schmale Straße von Haindorf über Schafelbach anzufahren. „Das wird eine große Erleichterung für die Einwohner von Schafelbach, die nach dem Abriss der Brücke ein weitaus größeres Verkehrsaufkommen verzeichnen“, erklärt Michael Andrelang, Zweiter Bürgermeister der Gemeinde Aschau.
Auch die Situation der Bauern verbessert sich. Sie erreichen ihre landwirtschaftlichen Flächen südlich und nördlich der Autobahn dann wieder ohne große Umwege.
Der Bund investiert circa sieben Millionen Euro in das Großprojekt. Die Autobahnbrücke (Bauwerk/BW 119) und die Viehunterführung (BW 119a) auf Seehauser Seite kosten etwa 3,72 Millionen Euro. Straßenbau und Kanalarbeiten an der Gemeindeverbindungsstraße werden auf 2,34 Millionen Euro beziffert. Weitere 900000 Euro sind für Verkehrssicherungsmaßnahmen erforderlich. Die Lebensdauer des neuen Bauwerks wird auf etwa 80 Jahre geschätzt.