Rosenheim – Drei Millionen Nieten hielten die Titanic, das vor gut 100 Jahren modernste Passagierschiff der Welt, zusammen – eine Niete auf der Brücke reichte aus, um es zu zerstören. Und das, obwohl – oder gerade weil – die Titanic als unsinkbar galt. Am 14. April 1912 rammte das Schiff einen Eisberg und sank knapp drei Stunden später. Mehr als 1500 Menschen starben.
„Die lange Nacht des Wracks“ lockte am Montagabend rund 60 Besucher in den Lokschuppen, wo Titanic-Expertin Brigitte Saar zum Auftakt sehr anschaulich über eine Tauchfahrt berichtete, an der sie 1998 selbst teilgenommen hatte. Mit einem russischen Expeditionsschiff war sie in Kanada aufgebrochen. Die Tauchfahrt erfolgte in der „Mir 2“, einer Stahlkugel mit zwei Metern Innendurchmesser, die Platz für den Kapitän und zwei Passagiere bot. Elf Stunden lang war sie unter Wasser. Durch ein 13 Zentimeter großes Bullauge konnte sie kleine Ausschnitte des Wracks sehen – für eine Gesamtansicht reichten die Lampen nicht aus. Zudem musste Strom gespart werden, da zwangsläufig nur eine Batterieladung zur Verfügung stand.
Für Saar war es „ein beeindruckendes Erlebnis“. Unpassend findet sie allerdings, wie sie sagte, dass andere am Wrack „Plastikblumen und Flaggen“ abgelegt hätten.
Saar zeigte sich auch beeindruckt von der einfachen, aber sicher funktionierenden russischen Technik – einschließlich der Toilette. Den Grund dafür, dass es 25 Jahre später zum „Titan“-Unglück mit fünf Toten kam, sieht sie in dem finanziellen Druck, unter dem das Unternehmen stand, und in daraus resultierender Schlamperei. Auch das Material – Kunststoff mit Carbonfasern – hält sie für zu wenig belastbar. Da würden ihr zufolge auch High-Tech-Sensoren nicht helfen, die melden, wenn die Hülle bald bersten wird. Trotz der Risiken würde Saar wieder abtauchen, betonte sie im Lokschuppen – „aber nur in einem Tauchboot aus Stahl“.
Dass am Untergang der Titanic so großes Interesse besteht, liegt nach Einschätzung der Direktorin der Veranstaltungs- und Kongressgesellschaft Rosenheim, Dr. Jennifer Morscheiser, daran, dass es die erste große Katastophe war, die in Echtzeit in den Medien präsent war.
Bereits am 15. April waren die ersten Berichte über den Untergang der Titanic in Zeitungen zu lesen. Das die Kommunikation so schnell funktionierte lag daran, dass die Titanic eine Funkanlage hatte, also eine damals noch neue Technik. Diese ermöglichte auch Notrufe an andere Schiffe, die dann zur Hilfe kamen und Passagiere retteten.
Auch aus diesem Grund will das amerikanische Unternehmen „RMS Titanic“ laut seiner Direktorin Tomasina Ray die Funkanlage suchen und bergen, um sie zu erhalten. Das Wrack der Titanic sei zwar ein geschütztes Denkmal, darauf würden aber Wasser, darin gelöste Substanzen und Meeresströmungen keine Rücksicht nehmen. Was nicht geborgen werde, würde damit verloren gehen. Bei der Bergung müssten daher wichtige Elemente bevorzugt werden. Ob man einen Teller mehr oder weniger habe, spiele für die Dokumentation des Untergangs keine große Rolle. Die Funkanlage hingegen ist laut Tomasina Ray einmalig. Auch die Vorgänger in Sachen Notruf – Signalraketen, die ebenfalls eingesetzt wurden – sollen geborgen werden. Ray kann sich vorstellen, einige der geborgenen Gegenstände für Wanderausstellungen zur Verfügung zu stellen.
Das Wrack der Titanic wurde 1985 entdeckt, was das Interesse für das Schiff wieder belebte. Seither wurden zahlreiche Tauchfahrten unternommen, um den Verfall des Schiffes zu dokumentieren und Teile zu bergen. Seit der Jahrhundertwende nimmt der Tourismus zu, der allerdings 2023 durch die Implosion der „Titan“ gebremst wurde. Auch in der Kunst spielt die Titanic eine Rolle. Ken Marschall, ein Maler und visueller Historiker, der sich seit seiner Kindheit für das Schiff interessiert, zeigte eine Auswahl seiner Werke, die von Darstellungen des Schiffes im Sonnenuntergang bis zu Darstellungen des Wracks reichen.
Die Titanic-Ausstellung im Lokschuppen ist noch bis 6. Januar 2026 täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Alfred Schubert