Wetter-Apps beeinflussen Verkehr

von Redaktion

Interview ADAC-Stauberater Bernd Emmrich zum Ferienende

Rosenheim – Abfahrt vom Mittelmeer, heim nach Oberbayern – und Ankunft im Stau? Der Rückreise-Verkehr gehört zu den unangenehmen Begleiterscheinungen der Ferienzeit. Vor allem jetzt, da von der A8 bis zur Luegbrücke am Brenner überall Baustellen drohen. Warum sich der klassische Stau immer mehr verlagert, was Wetter-Apps damit zu tun haben, und was man tun kann, wenn nichts mehr geht: Das sagt ADAC-Stauberater Bernd Emmrich im OVB-Exklusivgespräch.

Wann hat ein Stau-Berater seinen Job gut gemacht: Wenn es keinen Stau gibt? Oder wenn die Leute, die drinstecken, einigermaßen gut über die Runden kommen?

Er hat seinen Job gut gemacht, wenn er die kleinen Sorgen und Nöte der Reisenden, die auch unabhängig von Stau entstehen, zu deren Zufriedenheit gelöst hat. Das Aufgabengebiet hat sich in den letzten gut 40 Jahren, seit das Projekt besteht, gewandelt. Am Anfang gab es wirklich noch ein Informationsdefizit in den Autos. Auch das Verkehrsgeschehen hatte einen ganz anderen Charakter.

Inwiefern?

Es gab in den 80er-Jahren Staus, in denen man wirklich stundenlang an Ort und Stelle stand und nicht wusste, warum man eigentlich steht. Heute hat man diese stehenden Staus nicht mehr. Es ist eher ein Dahinwälzen, ein raupenartiges Gebilde, wenn man von oben draufschaut. Und in den Autos besteht bei Weitem kein Informationsdefizit mehr. Auf alten Fotos, wir haben kürzlich mal wieder welche angeschaut, da sieht man noch, wie Stauberater auf der Autobahn standen und Trauben von Menschen informiert haben, warum Stau ist und wie lange es noch dauert.

Wie stehen denn am kommenden Wochenende die Chancen, bei der Rückreise aus den Ferien gut durchzukommen? Also, bei all den Baustellen?

Baustellen haben sich in den vergangenen Wochen nicht als die Staufalle dargestellt, wie man das vor den Sommerferien befürchtet hatte. Zumindest in dem Bereich, wo wir unterwegs sind, ist nur die Geschwindigkeit reduziert, und an Baustellen sind die Spuren verengt. Zu Fahrstreifen-Reduzierungen ist es nicht gekommen.

Also könnte es am kommenden Wochenende glatt gehen?

Der Rückreiseverkehr war an den vergangenen Wochenenden schon dominant. Übrigens ist auch der Verkehr in Richtung Süden nicht unerheblich. Alle, die nicht an die Ferien gebunden sind, warten auf den Moment, an dem die Schulferien in den Bundesländern enden. Dementsprechend war der Verkehr in Richtung Süden durchaus lebhaft. Wichtig ist auch das Wetter und damit die Frage, wie zahlreich die Tagesausflügler sein werden. An den vergangenen beiden Wochenenden hat der abendliche Rückreiseverkehr zu erheblichen Stauungen geführt.

Also ist Regen doch nicht immer schlecht.

Für das kommende Wochenende ist nicht das allerbeste Wetter prognostiziert. Das könnte entlastend wirken. Sodass man relativ gute Chancen hat, einigermaßen flott durchzukommen.

An welchen Tagen oder zu welchen Uhrzeiten würden Sie als Fachmann denn lieber gar nicht fahren? Gibt‘s besonders staugefährliche Zeiten?

Erfahrungsgemäß bauen sich die Wellen im Rückreiseverkehr meist nachmittags oder abends auf. Vor allem, wenn der Tagesausflugsverkehr dazu kommt, verlagert sich das weiter in den Abend rein. Ansonsten ist eher am frühen Nachmittag der Scheitelpunkt.

Dann startet man die Rückfahrt am besten einfach sehr früh, oder?

Ja, wenn man sich den klassischen Urlauber vorstellt, der irgendwo an der Adria sitzt: Wenn der kurz nach dem Frühstück losfährt, dann landet er am Nachmittag auf der A8 zwischen Salzburg und München. Und mit der Taktik ist man nicht allein. Dann wird es auf der Autobahn eben voll.

Wenn ich dann doch mal im Stau stecke: Was kann ich machen, damit die Kinder nicht durchdrehen?

Wie für viele andere Lebenslagen auch, gilt, dass der Erfolg in der Vorbereitung liegt. Man sollte sich mal Gedanken gemacht haben, wie man Kinder beschäftigt. Das muss nicht immer nur das Tablet oder das Handy sein. Da gibt es auch beliebte und erprobte Spiele wie das Kennzeichen-Quiz. Stadt-Land-Fluss oder weitere Spiele wie Ich-sehe-was-was-Du-nicht-siehst: Das sorgt für Abwechslung.

Haben Sie da einen speziellen Tipp? Was machen Sie, wenn Sie jemanden bespaßen müssen?

Wenn wir an havarierte Fahrzeuge gelangen und Kinder dabei sind, haben wir Malbücher dabei und etwas zum Basteln, aber auch andere kleine Spiel- und Malsachen.

Was war der schlimmste Stau, den Sie in letzter Zeit erlebt haben?

Ich glaube, das war zuletzt an Pfingsten. Sicher sagen kann ich es leider nicht. Ich sehe einfach zu viele Staus.

Ich habe den Eindruck, dass es allenthalben hapert, ob bei der Bahn oder bei den Autobahnen. Beispiel A8, wo sich an der Brückenbaustelle bei Rohrdorf viele Unfälle ereignet haben. Zur- zeit ist es besonders schlimm. Oder ist das nur Einbildung?

Ja, es gibt Baustellen, und, ja, vor allem auf der A8, die für den Transit im oberbayerischen Raum maßgebend ist. Aber eigentlich ist es nicht so schlimm. Es gibt aktuell zwei Baustellen, die wir auf dem Schirm haben: Bei Grabenstätt eine Brückenbaustelle. Und dann noch mal ein Brückenneubau bei Frasdorf, beide Baustellen gehen sogar ohne Verluste an Fahrstreifen über die Bühne. Aufgrund des Alters der A8 ist es doch erstaunlich, dass wir nicht viel mehr Baustellen haben. Viele kleinere Brücken, ich glaube um die 80, 90 Stück, stammen ja noch aus den 1930er-Jahren.

Beachtliches Durchhaltevermögen.

Ich bin ehrlich gesagt froh, dass was gemacht wird und schimpfe gar nicht mehr über den dadurch verursachten Stau. Ist doch klar, dass solche Bauten irgendwann mal erneuert werden müssen. Nichts wäre schlimmer, als wenn sowas mal zusammenbrechen würde.

Dann hoffen wir auf ein reibungsloses letztes Ferienwochenende?

Ich muss gestehen, dass ich mich mit Prognosen schwer tue. Es wird immer schwieriger, Staus vorherzusagen. Erstens weichen offensichtlich viele Reisende mittlerweile dem Wochenende aus – die fahren an Werktagen. Das Zweite ist der Einfluss von Wetter-Apps.

Die produzieren Staus?

Sie beeinflussen mittlerweile maßgeblich das Verkehrsaufkommen. An einem Donnerstag im Juli, das habe ich noch in guter Erinnerung, waren die Autobahnen in Richtung Norden pickepacke voll. Die komplette A8, ebenso die A99. Und das nur, weil sich ab Freitag eine breite Schlechtwetterfront genähert hat. Weil die auf den Mittelmeerraum übergegriffen hat, haben alle ihre Sachen gepackt und sind heimgefahren. Das zeigt, wie flexibel man inzwischen ist. Sonnige Witterung, die Tage vorher angekündigt wird, sorgt auch für erheblichen Tagesausflugsverkehr, was gerade bei der Rückreise am Abend mit heimkehrenden Urlaubern die Autobahnen überlastet – also das berühmte Fass zum Überlaufen bringt.

Interview: Michael Weiser

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