Gelber Engel mit Stahlkappen

von Redaktion

Benni Ott-Ketterl ist seit 20 Jahren ein gelber Engel beim ADAC. Fast täglich hilft er Menschen aus der Patsche. Das OVB hat ihm einen Vormittag lang bei Autoentriegelungen, platten Reifen und defekten Bremsen über die Schulter geschaut. Ein exklusiver Blick hinter die Kulissen.

Rosenheim – Benni Ott-Ketterls Schicht beginnt um 8 Uhr. Sein Dienst dauert in der Regel acht Stunden. Er trägt Warnschutzkleidung. Er ist locker und erzählt offen von seinem Job. Hier und da scherzt er auch ein bisschen.

Vorne auf der Ablage seines Autos liegt ein grauer Trachtenhut. Am Armaturenbrett befindet sich ein großer Bildschirm. Darauf ploppen Meldungen auf, die neue Aufträge ankündigen. Das sieht ein bisschen so aus wie bei einem Handy.

Vergeben werden die Aufträge von den Disponenten, abhängig vom Standort des jeweiligen Fahrers. Der wird per GPS übermittelt. Das gelbe Auto, das Benni Ott-Ketterl fährt, gehört ihm. Dadurch weiß er, wo er was findet. Wenn es darauf ankommt, ist das wichtig.

Statt einer Rückbank eine Werkbank

Statt einer Rückbank befindet sich im Auto eine Werkbank mit zahlreichen Schubläden und Fächern. Darin befinden sich Ersatzteile, Werkzeug, Hütchen, Batterien, volle Spritkanister und Wasser zum Händewaschen.

Der erste Einsatz des Tages ist in der Rosenheimer Innenstadt. Während der Fahrt erscheinen bereits die ersten Informationen auf dem Bildschirm. Noch bevor er am Einsatzort ankommt, weiß Benni Ott-Ketterl, dass es sich um einen elf Jahre alten VW handelt, der nicht mehr anspringt. Vermutlich ist die Batterie leer. Die Kundin ist erleichtert, als Ott-Ketterl ankommt. Er zieht sich zunächst seine Handschuhe an, dann geht er zum Fahrzeug. Er überprüft die Batterie mit einem kleinen Gerät. Dann gibt er Starthilfe. So schafft es die Frau zumindest bis zur Werkstatt, denn sie braucht eine neue Autobatterie. Um unnötige Kosten zu vermeiden, reicht Benni ihr einen Zettel, auf dem die Auswertung der Messung steht. „Dann muss die Werkstatt nicht noch mal messen“, erklärt er. Für solche Fälle hat er in seinem Auto sogar einen kleinen Drucker. Wenn der Einsatz vorbei ist, reicht der gelbe Engel einen digitalen Bericht bei den Disponenten ein. Dazu hat er im hinteren Teil seines Autos Bildschirm und Tastatur. Außerdem meldet er, sobald er am Einsatzort fertig ist. So wissen die Disponenten, dass sie ihm wieder neue Aufträge zuteilen können. Zwischen den einzelnen Einsätzen gibt es immer wieder Wartezeiten. Mal gebe es mehr Pannen, mal weniger, sagt Ott-Ketterl. So viel wie diesen Sommer sei aber auf den Straßen noch nie los gewesen. Der Grund: der Reiseverkehr.

Wenn Benni Ott-Ketterl mal warten muss, liest er oder lernt neue Mitarbeiter ein. Nach etwa einer halben Stunde kündigt ein Piepsen einen neuen Einsatz an. Das Navi führt den ADAC-Helfer zu einer Pannenstelle nach Aschau. Diesmal handelt es sich um einen gestörten Sender, der bei einem Mercedes die Bremse auslöst. Der Fahrer kann nicht weiterfahren, weil das Auto ungewollt bremst.

„Für die Leute
ist man der Held“

Benni Ott-Ketterl macht sich direkt auf den Weg, raus aus der Stadt nach Aschau. „Man kommt rum und sieht viel“, erzählt er während der Fahrt. Früher sei er sogar noch mit Karte gefahren. Da musste er sich die Route vor der Fahrt selber suchen – das schärfte den Orientierungssinn. Vor seiner Zeit beim ADAC kamen die Aufträge noch über Funk rein. „Wie bei der Polizei damals“, sagt er.

In Aschau angekommen, ruft er beim Kunden an, um ihn wissen zu lassen, dass er gleich da ist. Dieser fragt noch am Telefon, ob er einen Kaffee will. „Für die Leute ist man der Held“, erzählt er daraufhin. Es habe schon Kunden gegeben, die ihn nach seinem Einsatz vor Freude umarmt haben. „Einmal hat mir ein Kind sogar ein Bild gemalt“, erinnert er sich. Der Kunde in Aschau ist nicht weniger dankbar, als sein Mercedes schließlich wieder fährt– zumindest bis zur Werkstatt. Da muss er hin, um das Auto reparieren zu lassen. „Ihr seid ein Traum“, meint er.

Benni Ott-Ketterl ist gelernter Kfz-Meister. Er ist schon seit 20 Jahren beim ADAC. Direkt nach der Meisterschule stieg er dort ein. Ursprünglich nur übergangsweise, denn eigentlich hätte er eine Stelle bei Mercedes gehabt. Darauf hätte er aber ein halbes Jahr warten müssen. Schließlich hat es ihm beim ADAC so gut gefallen, dass er geblieben ist. „Ich mache es immer noch gerne. Wenn ich zurückdenke, würde ich es immer wieder so machen“, sagt der Kfz-Meister. Durch den ADAC hat er vor zehn Jahren eine Schulung zum Hochvolttechniker gemacht. Ohne die dürfte er nicht an E-Autos arbeiten.

Benni Ott-Ketterl hat viel Erfahrung. Aber in manchen Pannen-Fällen ist selbst er ratlos. „Ich komme oft zu Autos hin, die ich noch nie zuvor gesehen habe“, erzählt er. Heute gebe es so viele verschiedene Hersteller. Außerdem würden die Autos immer moderner. Kaputte Keilriemen oder durchgerostete Auspuffe gebe es heute zum Beispiel kaum mehr.

Auch Fahrradschläuche und Kettenglieder hat Benni Ott-Kettler immer dabei, denn Fahrräder repariert der ADAC auch. Die Werkbank und Anhängerkupplung dienen dann als Fahrradständer. Doch nicht nur Fahrräder und Autos repariert der Pannen-Helfer. In der Vergangenheit hat er auch schon einen Rasenmäher und einen platten Reifen an einem elektrischen Rollstuhl repariert.

„So lange, wie ich brauche, brauche ich“

Nach seinem Einsatz in Aschau warten gleich zwei Aufträge auf ihn. Davon lässt sich Benni Ott-Ketterl jedoch nicht stressen. Er hat keine Vorgabe, wie lange er pro Einsatz brauchen darf. „So lange, wie ich brauche, brauche ich“, erzählt er.

Zuerst geht es zu einem Kleintransporter, bei dem die Batterie leer ist und der sich aufgrund eines kaputten Schlosses nicht mehr manuell öffnen lässt. Verschlossene Autos seien sein Lieblingseinsatz, sagt der Pannen-Experte. „Es macht Spaß, die wieder aufzumachen.“

Am Einsatzort steigt er auf einen pinken Klapphocker, den ihm seine Frau und seine Tochter besorgt haben. Nur so erreicht er die obere Kante des Fensters auf der Fahrerseite. Da muss er nämlich hin, um die Tür aufzubekommen. Mithilfe eines Luftkissens, das er aufpumpen kann, bekommt er die Tür gerade weit genug auf, um einen langen Draht durch den Spalt zu schieben. Damit betätigt er dann von innen den Hebel und öffnet die Tür.

Anschließend geht es für Benni Ott-Ketterl nach Riedering. Dort steht ein VW mit einem Reifen, der schon einiges an Luft verloren hat, aber noch nicht ganz platt ist. Der Helfer in der Not pumpt ihn wieder auf. So kann die Kundin zur Werkstatt fahren. Da Ott-Ketterl in die gleiche Richtung fährt, bietet er als Vorsichtsmaßnahme an, der Frau hinterherzufahren. Dann könne er den Reifen wieder aufpumpen, sollte er doch schneller Luft verlieren. An einer roten Ampel verabschiedet sich die Kundin: „Ganz, ganz lieben Dank.“

Nicht jeder Einsatz verläuft glimpflich

Der 45-Jährige arbeitet im Schichtdienst. Die früheste Schicht beginnt um 6 Uhr morgens. Der Spätdienst geht bis Mitternacht. In den Stunden von Mitternacht bis 6 Uhr ist von den gelben Engeln niemand unterwegs. „Das würde sich nicht lohnen“, sagt Ott-Ketterl. Nachts sei es den Leuten lieber, wenn der Abschleppdienst komme und sie nur noch nach Hause können.

So glimpflich wie am heutigen Einsatztag läuft nicht jeder Einsatz ab. Die Arbeit beim ADAC sei nicht ganz ohne, erzählt Ott-Ketterl. Teilweise riskiere er bei Einsätzen sogar sein Leben. Es sei schon vorgekommen, dass die Leute beim Starten den Gang wieder reinmachen und das Auto dann nach vorne schießt. In solchen Momenten achtet er deshalb darauf, neben dem Fahrzeug zu stehen. Eine Kundin, so erzählt er, ist ihm sogar schon mal aus Versehen über den Fuß gefahren. Deswegen trägt Benni Ott-Ketterl immer Schuhe mit Stahlkappen.

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