Rosenheim – Zwei, drei Sätze sprach er noch tapfer ins Mikrofon, dann musste Bernd Fessler einsehen, dass es sinnlos war, gegen diesen infernalischen Lärm ankämpfen zu wollen. Der Großkarolinenfelder Bürgermeister unterbrach seine Ansprache und wartete, bis des Dröhnen abschwoll. „Hat die jemand extra bestellt?“, rief er dann den beiden Jets hinterher, die gerade in ein paar 100 Metern Höhe über die Westtangente gedüst waren.
Tatsächlich hätten sich wahrscheinlich nicht viele Gäste gewundert, hätten die beiden Eurofighter Rauchspuren in Weiß und Blau hinter sich hergezogen. Eine Show in den Farben der Nation, wie‘s bei den Nachbarn in Frankreich bei feierlichen Anlässen wie dem Schlusstag der Tour der France üblich ist.
Hohe Erwartungen
an die Verbindung
Denn feierlich war er, der Anlass. Sogar in besonderem Maße, wie eigentlich alle der vielen Redner am gestrigen Mittwoch betonten. Nach 13 Jahren Bauzeit und Jahrzehnten der Überlegungen ist Rosenheims Westtangente nunmehr ganz und gar fertig. Abgeschlossen wurde sie pünktlich, mit dem finalen 1,3 Kilometer langen Teilstück zwischen der Staatsstraße 2080 und der Schlößlstraße im Nordwesten von Rosenheim.
Da darf man schon mal in Superlativen schwelgen. Von einem „historisch großen Projekt“ sprach etwa Dr. Hermann Streicher, Bereichsleiter Straßenbau beim Staatlichen Bauamt Rosenheim, von einem „Freudentag“ der bayerische Verkehrs- und Bauminister Christian Bernreiter, von „ganz neuer Lebensqualität“ für eine vom Verkehr gequälte Region Rosenheim Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, „von einer großen Lösung mit großen Vorteilen“ der zuvor unterbrochene Bernd Fessler. Eine kleine Zitate-Auswahl, die dokumentiert, was für Erwartungen auf diesem Stück Bundesstraße lasten: Für Stadt und Landkreis Rosenheim sollen neue Zeiten anbrechen.
Spürbare
Entlastung
Rund 400 Gäste waren zu dem Festakt nahe der Brücke bei Wernhardsberg geladen worden, etwa von Institutionen wie der Feuerwehr, von den beteiligten Baufirmen, von Behörden, aus der Politik. Es spielte auf die Kapelle der Autobahngesellschaft, mit Mitarbeitern des Staatlichen Bauamts Rosenheim in ihren Reihen. Der katholische Pfarrer Thomas Schlichting und sein evangelischer Kollege Dr. Bernd Rother sprachen den Segen und bemühten sich, eine Brücke vom Festakt zur Bibel zu schlagen. Er habe zumindest nichts gefunden, was gegen Mobilität spreche, sagte Schlichting.
Nicht dabei waren die Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig und Ulrich Lange: Sie waren wegen der namentlichen Abstimmung über den Bundeshaushalt in Berlin vonnöten. Während Lange als Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium von Referatsleiter Erhard Zangl vertreten wurde, meldete sich Daniela Ludwig schriftlich. Sie bedankte sich bei Mitstreitern und den am Bau Beteiligten. „Ich bin stolz auf dieses Projekt, traurig, dass ich bei der Einweihung nicht dabei sein kann“, schrieb sie.
Beispiel für den
Brenner-Nordzulauf
Landrat Otto Lederer zog eine Parallele von der Westtangente – „nun rücken Norden und Süden des Landkreises enger zusammen“ – zu den umstrittenen Planungen der Bahn für den Brenner-Nordzulauf. Seeton habe die Bauarbeiten an der Aicherparkbrücke wie auch am Wernhardsberg verzögert und verteuert. Und doch werde auch für den Nordzulauf bei Leonhardspfunzen eine „gewaltige Brücke auf Seeton“ geplant. Nach den Erfahrungen mit der Westtangente solle man „Tunnellösungen ins Visier nehmen“, forderte er. Für die Tunnelvariante zur Vermeidung der Probleme mit dem schwammigen Untergrund hatte Lederer bereits bei der Nordzulauf-Anhörung vor dem Verkehrsausschuss im Bundestag geworben.
Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März sieht die Westtangente als wichtigen Beitrag für die Lebensqualität, aber auch für die Wirtschaft: „Mobilität – darauf beruht unser Wohlstand.“ Er lobte Projektleiter Bernhard Gehrmann und sein Team vom Bauamt ausdrücklich dafür, wie sie ihm und der Öffentlichkeit das Projekt vermittelt hätten. Anfangs ziemlich umstritten, biete es nunmehr Chancen und Spielräume. Etwa für „Bridge 15“, eine Freizeitanlage, die unter dem Dach der Aicherparkbrücke Platz finden soll. „Ein Vorzeigeprojekt“, wie März sagte.
Anregungen
von Klaus Stöttner
Ministerpräsident Markus Söder hatte in seiner Ansprache für Investitionen in die Infrastruktur geworben. Investitionen in Straßen seien besonders wichtig, auch in Rosenheim. „Es wird noch dauern, bis die U-Bahn bis Rosenheim fährt“, witzelte Söder mit Blick zu Landrat Lederer und Oberbürgermeister März; die beiden sollten lieber noch nicht damit im Kommunalwahlkampf werben. Vielleicht stößt eine Idee vom Klaus Stöttner beim investitionswilligen Ministerpräsidenten auf Sympathie.
In seiner Zeit als CSU-Landtagsabgeordneter hatte sich auch Stöttner für die Westtangente eingesetzt. Nun meldet er weiteren Bedarf an. Nicht nur der Nord-Süd-Verkehr belaste Rosenheim, sondern auch der von Ost nach West und umgekehrt. „Wenn man das Thema Mobilität ernst nimmt, muss man über eine dritte Brücke über den Inn nachdenken“, sagte Stöttner am Rande der Veranstaltung.