Opfer Pistolenlauf in Mund gesteckt

von Redaktion

Brutale Gewalt in der Drogenszene – Drei Angeklagte vor der Jugendkammer Traunstein

Traunstein/Rosenheim/Bad Aibling – Zu brutalen Szenen mit Geiselnahme, Raub, Misshandlungen, massiven Drohungen, einmal per Pistolenlauf im Mund eines Geschädigten, und weiteren Straftaten soll es 2023 und 2024 in der Rosenheimer Drogenszene gekommen sein. Drei junge Männer aus Rosenheim und Kolbermoor zwischen 20 und 22 Jahren müssen sich seit vergangener Woche wegen zahlreicher Delikte vor der Zweiten Jugendkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Jacqueline Aßbichler verantworten. Der Prozess wird heute um 9 Uhr fortgeführt.

Die Mittäter bleiben
noch im Dunkeln

13 Seiten umfasst die Anklageschrift von Staatsanwältin Stefanie Windhorst. Zwei der Angeklagten, 22 und 20 Jahre alt, räumten ihre Tatbeiträge nach einem Rechtsgespräch, das aber letztlich keine konkreten Ergebnisse erbrachte, ein. Sie konnten sich nach Worten ihrer Verteidiger zwar nicht an exakte Daten erinnern. Es könne aber terminlich und mengenmäßig wie in der Anklage gewesen sein, Mittäter nannten sie nicht. Der 21-jährige Tatverdächtige zog sich auf sein Schweigerecht zurück. Gemäß Anklage trieben die drei mit weiteren, bislang unbekannten Mittätern umfangreichen Handel mit verschiedenen Betäubungsmitteln, Cannabis und Medikamenten. Dabei zwangen sie Leute mit körperlicher Gewalt und heftigen Bedrohungen, unter anderem mit einer Schusswaffe, zum Mitmachen. Ob Opfer oder Tatverdächtige – alle Tatbeteiligten gehörten nach den Worten eines Sachbearbeiters von der Kripo Rosenheim der Drogenszene an.

Die Ermittlungen starteten nach einem fingierten Drogenankauf durch zwei Polizisten, wie der Kripobeamte vor Gericht berichtete. Bei einem 20-Jährigen erwarben die Fahnder zum Schein 50 Gramm Kokain und 1000 Tabletten Ecstasy. Nach der Festnahme schilderte der Dealer, er habe Ostern 2023 an einem Abend den letzten Zug von Rosenheim nach Kolbermoor verpasst. Der Hauptzeuge wiederholte frühere Angaben bei den Ermittlern vor der Jugendkammer. Auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit sei er in ein Auto mit drei Insassen gestiegen. Diese hätten ihn nach Drogen gefragt. Er habe erklärt, er beziehe sie aus dem Darknet. Da habe der Wagen umgedreht. Man habe ihn in einen Keller in Rosenheim gebracht und gefordert, auch für sie im Darknet Drogen zu ordern.

Unter Einsatz einer Schusswaffe sei er gezwungen worden, sich auf einen Stuhl zu setzen – an dem er dann mit Panzertape fixiert wurde. Weil er eine falsche PIN für sein Handy nannte, sei er geschlagen worden. Dann habe man ihm gewaltsam den Mund geöffnet. Ein unbekannter Mittäter habe ihm den Lauf der Waffe in den Mund gesteckt. Der 20-Jährige musste daran lutschen und sagen, er werde 100 Tabletten Ecstasy bestellen. Dann wurde ihm auch noch der Mund verklebt.

Die Täter verließen den Keller. Am nächsten Morgen rückte einer der Angeklagten mit sieben bis zehn weiteren, teils maskierten Personen an. Dem noch immer Gefesselten wurde gedroht, zu seiner Mutter zu gehen – falls er die Polizei anrufe. Mit verbundenen Augen wurde er dann ins Freie geführt. Den Keller fand er später in Begleitung der Polizei nicht mehr.

Rauschgiftdeals nach harten Repressalien

Der 20-Jährige erfüllte in den Folgemonaten die Forderungen der Bande nach Drogenbestellungen im Internet. Später musste er einen Snapchat-Account einrichten und Kundenbestellungen ausliefern. Ende Dezember 2023 verlor er rund 150 Ecstasy-Tabletten in einem Waldstück bei Kolbermoor. Zwei der Angeklagten zitierten ihn zu einem Friseursalon. In einem Keller misshandelten sie den Geschädigten erneut. Ab dann musste er im Auftrag der Angeklagten Großkunden suchen und beliefern. Knapp ein Fünftel des Erlöses durfte er behalten.

Den größten Teil kassierte die Bande, wie der 20-Jährige im Zeugenstand bestätigte. Im Juli und August 2024 gingen gemäß Anklage weitere Geschäfte mit Betäubungsmitteln über die Bühne. In Kolbermoor bekam ein zweiter Geschädigter am 24. Juli 2024 einen Faustschlag ins Gesicht, dazu Tritte auf die Beine und in den Hodenbereich. Ein drittes Opfer, von dem die Täter ein Kilogramm Marihuana bezahlt haben wollten, soll mithilfe einer gesondert verfolgten Frau am 23. August 2024 nachts in den Pausenhof der Berufsschule Rosenheim gelockt worden sein. Dort musste der Geschädigte vorgeblich in ein Fahrzeug einsteigen. Nach Ankunft in einem Waldstück soll ihm einer der Insassen eine Schusswaffe an den Bauch gehalten und gedroht haben: „Eine falsche Bewegung und du hast ein Loch im Bauch.“ Dort schlugen zwei der Angeklagten mit Fäusten, Ellbogen und der Waffe zu. Jemand nahm alles mit dem Handy auf. Der blutende Mann wurde in den Kofferraum gezwängt. Beim Aussteigen wurde er angewiesen, zum gleichen Ort am nächsten Tag 5000 Euro zu bringen.

Schläge und
Drohungen

Ein weiterer Vorfall ereignete sich Ende August 2024 gegen 21 Uhr. Die drei Angeklagten sollen bei einem Schuldner in Bad Aibling aufgekreuzt sein und wollten nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft 7000 Euro eintreiben. Er bekam Schläge und Ohrfeigen, als er die Summe nicht hatte. Mit 150 Euro und 150 Gramm Marihuana verschwanden die Täter, drohten jedoch, mit einer Waffe wiederzukommen.

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