Vogtareuth – Es ist ein Schock für Mitarbeiter und Patienten: Gestern wurde bekannt, dass die Schön Klinik Vogtareuth zum Jahresende mehrere Fachzentren schließen wird: die Herz- und Gefäßchirurgie, die Neurochirurgie für Erwachsene, die Neurologie inklusive der multimodalen Schmerztherapie und des Bereiches für junge Erwachsene (Jerwa), die Hand-, die Plastische und die Brustchirurgie. Auch die ambulante Rehabilitation wird es ab Januar nicht mehr geben.
Krankenhausreform lässt keine Wahl
„Im Spannungsfeld zwischen Krankenhausreform und ökonomischer Stabilisierung ist eine Neuausrichtung der Klinik unausweichlich, um langfristig ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern“, informierte Klinikgeschäftsführer Georg Thiessen gestern den Betriebsrat, die Mitarbeiter und schließlich auch die Öffentlichkeit.
Künftig wolle sich die Klinik stärker auf ihre „Exzellenzbereiche“ konzentrieren: „Die Schön Klinik Vogtareuth setzt einen klaren Fokus auf ihre Kernkompetenzen. Die neurologische Behandlung von Kindern (Neuropädiatrie), die Kinderorthopädie und die stationäre Rehabilitation bleiben auch künftig das Herzstück der Klinik.“ Ergänzt werde dieses durch die Stärkung der operativen Kompetenz in der neurochirurgischen Behandlung von Kindern und der Orthopädie für Erwachsene mit Schwerpunkt Gelenkersatz (Endoprothetik). Auch das International Medical Center bleibt erhalten.
„Damit positioniert sich Vogtareuth als führendes Fachkrankenhaus in diesen Bereichen – national wie international“, betonte Thiessen. Der Bedarf sei da, ein Wachstum möglich. Ziel sei es, mit der Schaffung zweier starker Zentren – dem Zentrum Pädiatrie und dem Zentrum Orthopädie – das Profil der Klinik zu schärfen und ihre Spitzenkompetenzen weiter auszubauen. „So schaffen wir eine stabile Grundlage, um auch künftig Spitzenmedizin für Kinder und orthopädische Patienten anbieten zu können.“ Marcus Sommer, Regionalgeschäftsführer Süd, ergänzt: „Angesichts der Vielzahl von Kliniken und Leistungsangeboten in Deutschland ist eine Bündelung von Kompetenzen und die Konzentration auf bestimmte Leistungsgruppen unabdingbar. Vogtareuth ist weit über die Grenzen Bayerns und Deutschlands hinaus bekannt für seine hochkomplexe medizinische Versorgung von Kindern. Dieses Alleinstellungsmerkmal möchten wir ausbauen.“
Die Konsequenzen für die Region sind enorm. Schon vor Monaten hatten Mitarbeiter der Schön Klinik Vogtareuth vor einem Versorgungsinfarkt für herzkranke Patienten im Südosten Oberbayerns gewarnt. Vor allem bei herzchirurgischen Notfällen, so ihr Argument, sei eine schnelle und gut erreichbare Versorgung in einer Fachklinik besonders wichtig. In Vogtareuth finden circa 270 Herzoperationen pro Jahr statt. Doch die Krankenhausreform lässt der Schön Klinik Vogtareuth keine Chance, ihre Herzchirurgie zu erhalten. „Dafür müssten wir eine kardiologische Abteilung vorhalten. Und für diese haben wir vom Freistaat Bayern schon in den vergangenen Jahren keinen Versorgungsauftrag erhalten“, erläuterte Thiessen. Doch ohne eine eigene kardiologische Abteilung am Klinikstandort wird es nach dem neuen Gesetz auch keine Herzchirurgie mehr geben. „Die Vergabe der Leistungsgruppen Herzchirurgie wird vor allem an medizinische Zentren erfolgen“, sagt der Geschäftsführer. Das hatte auch schon das bayerische Gesundheitsministerium auf OVB-Anfrage angedeutet, denn: „Die vom Bayerischen Krankenhausplanungsausschuss verabschiedeten Planungsgrundsätze sehen für den Bereich der Herzchirurgie große und besonders leistungsfähige spezialisierte Einrichtungen vor.“
In der Herzchirurgie in Vogtareuth gehen Ende des Jahres die Lichter aus. „Ich bin überzeugt davon, dass für die Bereiche, die wir künftig nicht mehr anbieten, die Versorgungsqualität im Landkreis Rosenheim und in Südostoberbayern gewährleistet ist“, so Thiessen.
In Vogtareuth gehen mehrere medizinische Fachdisziplinen verloren. Und auch die Kapazitäten von Bereichen wie Anästhesie oder Radiologie werden an das neue Angebot angepasst.
Davon betroffen sind etwa 150 Vollzeitstellen, was umgerechnet etwa 200 Arbeitsplätzen entspricht. „Die Klinikleitung ist sich der Tragweite dieser Entscheidung bewusst und arbeitet mit dem Betriebsrat an einem Interessensausgleich und einem Sozialplan“, informiert Geschäftsführer Thiessen. Ziel sei es, die Veränderungen so sozial verträglich wie möglich zu gestalten. Zudem sollen für möglichst viele Mitarbeiter Perspektiven innerhalb der Schön Klinik Gruppe geschaffen werden. Kliniken der Gruppe befinden sich beispielsweise in Bad Aibling, im Berchtesgadener Land sowie in München Harlaching und Schwabing.
200 Menschen verlieren ihre Arbeit
Kündigungen wurden noch keine ausgesprochen. Über den Zeitpunkt der Beendigung einzelner Arbeitsverhältnisse werde im Rahmen der Gespräche mit dem Betriebsrat sowie unter Berücksichtigung der geltenden Kündigungsfristen entschieden, hieß es gestern.
Bereits geplante Behandlungen und Operationen in den Bereichen, die ab Januar 2026 nicht mehr fortgeführt werden – sollen in enger Abstimmung mit den Patienten auf geeignete Alternativen in der Region umorganisiert werden, kündigte die Klinikleitung an.