Zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus

von Redaktion

Der bayerische Antisemitismus-Beauftragte Dr. Ludwig Spaenle wirft einer Firma aus Pfaffing Antisemitismus vor. Sie habe von einem israelischen Kunden eine Stellungnahme zur Lage im Gazastreifen gefordert. Wie Spaenle mit solchen Vorfällen umgeht – und wie Israel-Kritik geäußert werden sollte.

München/Pfaffing – Ein israelisches Orchester soll aufgefordert worden sein, seine politische Meinung zur Lage im Gazastreifen darzulegen, um einen Verstärker bei einer Firma aus Pfaffing zu mieten. Dieser vermutliche Vorfall rief vergangenen am Mittwoch Dr. Ludwig Spaenle, den bayerischen Antisemitismus-Beauftragten, auf den Plan – er kritisierte das Unternehmen scharf. Dieses wies den Vorwurf jedoch ebenso scharf zurück. Es habe sich um einen Schriftverkehr von Musiker zu Musiker gehandelt, der falsch übermittelt worden sei. Die Kritik sei auch deshalb absurd, da die Firma bereits viele Veranstaltungen für jüdische Einrichtungen in Bayern betreut habe, sich klar von jeglicher Rechtsradikalität distanziere und sich als erklärte Pazifistin stets für Frieden einsetze.

Wie auch immer der Streit zwischen Spaenle und dem Unternehmen ausgeht: „Seit dem 7. Oktober 2023, also dem Terroranschlag der Hamas auf Israel mit über 1200 Toten und über 200 Geiseln sowie der Reaktion des Staates Israel, hat die Zahl antisemitischer Vorfälle und Straftaten deutlich zugenommen“, sagt Spaenle auf OVB-Anfrage. Das gehe aus Statistiken des Bundes- und Landeskriminalamtes, aber auch aus den Daten der Recherche- und Informationsstelle gegen Antisemitismus (RIAS) hervor.

„Im Gespräch mit Jüdinnen und Juden in Bayern und Deutschland erlebe ich eine wachsende Sorge und Angst über die eigene Situation“, betont Spaenle. So auch bei einem Vorfall in Fürth. Dort kündigte eine Pizzeria an, keine Gäste aus Israel mehr zu bewirten.

Über Vorkommnisse wie diese wird Spaenle häufig von betroffenen Personen oder Einrichtungen wie israelitischen Kultusgemeinden und Organisationen sowie Vereinen informiert, wie er erklärt. „Zugleich nehme ich die mediale Berichterstattung und die Rückmeldungen von RIAS Bayern sowie der Polizeibehörden sehr intensiv wahr“, sagt Spaenle. Er betont weiter: „Ich gehe proaktiv auf Einrichtungen und Organisationen zu, informiere sie über Ursachen und Formen des Antisemitismus und rege dazu an, dass sich diese bewusst gegen jegliche Form des Antisemitismus positionieren.“

Ebenso sei es seine Aufgabe, sich mit konkreten Fällen auseinanderzusetzen. Und in diesem Zuge gehöre es auch dazu, diese öffentlich zu machen. „So gelingt es, die ‚Kultur des Hinschauens‘ in der Gesellschaft zu stärken“, betont Spaenle. So werden ihm zufolge viele dafür sensibilisiert, dass Menschen jüdischen Glaubens „verunglimpft oder gar beleidigt, ausgegrenzt oder diffamiert werden“. Er selbst erlebe sogar, dass Betroffene dieses Vorgehen mit Veröffentlichung als persönliche Unterstützung empfinden würden. „Wir können nicht zuschauen, dass sie ausgegrenzt, beschimpft oder sogar angegangen werden“, betont Spaenle. Den Vorfall in Pfaffing kommunizierte Spaenle auch in den sozialen Netzwerken. Der Geschäftsführer der Firma behauptete daraufhin, auch die Daten seines Unternehmens seien veröffentlicht worden, er habe deshalb Hassmails und Morddrohungen erhalten. Bezogen auf diesen Vorwurf sagte Spaenle auf Anfrage nur: „Es lag hier ein konkreter Vorfall vor, auf den ich eingegangen bin.“

„Besondere
Verantwortung“

Dass das militärische Vorgehen der israelischen Regierung weltweit kritisch gesehen wird, ist kein Geheimnis. Viele fordern diesbezüglich einen intensiveren Diskurs. Doch wie kann das funktionieren, ohne Israelis auszugrenzen, zu diskriminieren oder sogar antisemitisch anzugreifen?

„Eine Kritik an dem Vorgehen der amtierenden israelischen Regierung ist berechtigt, und ich kritisiere ihr Vorgehen selbst“, stellt Spaenle klar. Aber man müsse daran denken, dass der Krieg durch einen terroristischen Anschlag der Hamas ausgelöst worden sei und Israel ein „Verteidigungsrecht“ zustehe. „Und die Kritik darf nicht Israels Existenzrecht infrage stellen. Hier haben wir als Deutsche eine besondere Verantwortung“, betont er.

Initiative Erinnerungskultur nimmt Stellung

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