Attacken – und ein Versprechen

von Redaktion

Alles wieder auf Start im Prozess um den gewaltsamen Tod von Hanna W.: In der Neuauflage des „Eiskeller-Prozesses“ wird seit dem gestrigen Montag die Tragödie von Aschau neu aufgerollt. Das Verfahren am Amtsgericht Laufen beginnt mit einem Versprechen. Und es folgt ein Streit, der einiges ahnen lässt.

Laufen – Die Tragödie von Aschau, sie lässt die Betroffenen nicht zur Ruhe kommen. In der Nacht auf den 3. Oktober feierte Hanna W. zusammen mit Freunden im Club „Eiskeller“. Kurz vor halb drei morgens machte sie sich auf den Heimweg. Um 2.28 Uhr bog die Medizinstudentin Richtung Kampenwandstraße ab und verschwand aus dem Sichtbereich der Überwachungskamera. Bei ihrem Elternhaus, rund 800 Meter entfernt, kam sie nicht an. Einige Stunden später, am Nachmittag desselben Tages wurde ihr lebloser Körper in der Prien treibend gesichtet, zwölf Kilometer entfernt.

Viele Fragezeichen
hinter dem Tod

Von da ab ist nichts mehr gewiss, wie es scheint. War es ein Unfall, war es ein Mord? Und wenn es ein Mord war, war Sebastian T. der Täter?

Der heute 23-jährige Aschauer war in jener Nacht beim Joggen gesehen worden, auch in der Nähe des „Eiskellers“. Die Polizei vernahm ihn erst als Zeugen. Am 18. November 2022 nahm sie ihn fest. Unter dem dringenden Tatverdacht, Hanna angegriffen und getötet zu haben.

War es Mord aus Heimtücke nach einem Angriff aus sexuellem Interesse? So trug es Staatsanwalt Christian Merkel gemäß Anklageschrift vor. Oder stürzte Hanna ohne Verschulden eines anderen in den reißenden Bärbach? Das wollen Strafverteidigerin Regina Rick und ihr Kollege Dr. Yves Georg beweisen.

Seit gestern läuft das neue Verfahren und das unter großem Interesse: Über eineinhalb Stunden vor Beginn standen Menschen vor dem Amtsgericht Laufen an, zahlreiche Medienvertreter waren in das Städtchen an der bayerisch-österreichischen Grenze gefahren.

„Der Tod eines jungen Menschen ist immer eine Tragödie“, sagte Richterin Heike Will zum Auftakt des Prozesses. Die Umstände seien nun zu klären. Sebastian T. sei drei Jahre lang in Untersuchungshaft gesessen, habe sich einer Hauptverhandlung aussetzen müssen, sein Leben sei verändert worden. Sollte er zu Unrecht verurteilt worden sein, sei das nicht mehr gutzumachen. Ihre Kammer werde das Verfahren nach „bestem Wissen und Gewissen, mit allen Kräften“ führen, versprach Will, es würden „alle Erkenntnisquellen“ genutzt werden.

Als mögliche Erkenntnisquellen kann man auch die Aussagen von Zeugen ansehen. Einen von ihnen, den wichtigsten, nahm anschließend die Verteidigung ins Visier. Es ging um Adrian M., den Mithäftling in der Untersuchungshaft, dessen Aussage zur Verurteilung von Sebastian T. im ersten Prozess geführt hatte. Ein psychisch kranker, mehrfach vorbestrafter Krimineller, ein Sexualstraftäter, der noch dazu auf ein gnädiges Verfahren in seinem eigenen Fall gehofft habe: So bezeichnete ihn Yves Georg in seinem Statement zur Eröffnung des Verfahrens.

Verteidigung gibt
sich angriffslustig

Hart attackierte Georg auch Gericht und Staatsanwaltschaft. Vor allem Richterin Jacqueline Aßbichler, die Vorsitzende des Erstgerichts, kritisierte er hart. Sie sei befangen gewesen und habe mangelhafte Kenntnis der Strafprozessordnung bewiesen. Ihr vor laufender Kamera geäußertes Bedauern, als sie in einem anderen Verfahren einen Angeklagten wegen problematischer Beweislage freisprechen musste, verrate, dass sie „keinen Schimmer von Wahrheitsfindung“ habe und „nicht geeicht auf den Rechtsstaat“ sei.

Die Staatsanwaltschaft griff er auch deswegen an, weil sie von „Täterwissen“ bei Adrian M. spreche, von Details also, die er nur von einem Täter erfahren haben konnte. Dergleichen hatte etwa Wolfgang Beckstein im OVB-Interview geäußert.

Staatsanwalt Christian Merkel fuhr ihm in die Parade, sprach von einem unzulässigen Vorgriff auf die Bewertung von Beweisen, die in der Hauptverhandlung zu leisten sei. Nebenkläger Walter Holderle beantragte daraufhin, Georgs Vortrag abzukürzen – die erste von zwei Unterbrechungen am ersten Prozess-Vormittag folgte.

Befangenheitsanträge
eingereicht

Auch Regina Rick zeigte sich angriffslustig. Sie reichte Befangenheitsanträge ein, gegen Wasser-Experte Andreas Malcherek, gegen Biomechaniker Professor Dr. Jiri Adamec und gegen Rechtsmediziner Professor Dr. Oliver Peschel. Ihre Stellungnahmen aus der ersten Verhandlung stehen einer Unfallthese entgegen.

Die Neuauflage war nötig geworden, nachdem der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Erstverfahren kassiert hatte. Er sah in der Ablehnung des Befangenheitsantrages der Verteidigung gegen Richterin Aßbicher einen unbedingten Revisionsgrund. Dr. Yves Georg sprach von rechtswidriger Mauschelei zwischen Richterin und Staatsanwaltschaft. 25 Verhandlungstage liegen vor den Prozessparteien, bis Dezember soll das Verfahren dauern. Der Ton dürfte rau bleiben.

Sebastian T.
bleibt unbewegt

Weitgehend unbewegt war die Hauptperson dem Verfahren gefolgt: Sebastian T. Der Angeklagte, gekleidet in einen blauen Anzug mit weißem Hemd, wirkte schlanker als während der ersten Verhandlung, in der er zu neun Jahren Jugendstrafe verurteilt wurde. Die Wochen in Freiheit seit der U-Haft-Aufhebung im Juni 2025 haben ihm offensichtlich gutgetan.

Wie es ihm gegenüber Andreas W. geht, dem Vater von Hanna, ist kaum zu ermessen. Er unterhielt sich ab und an mit seinem Anwalt Walter Holderle und folgte ansonsten dem ersten Prozesstag hoch konzentriert. Schon im ersten Prozess hatte Hannas Familie betont, dass es ihr in erster Linie nicht um Strafe gehe, sondern um Klarheit, was Hanna in ihren letzten Minuten widerfuhr.

Am Nachmittag sagte einer der Ermittler aus der „Soko Club“ über die umfangreichen Nachforschungen aus. Mit weiteren Ermittlungsbeamten wird die Beweisaufnahme am heutigen Dienstag am Amtsgericht Laufen fortgesetzt.

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