Rosenheim – Wenn Patrik Autsch von Inklusion spricht, versteht man mit einem Mal, was damit eigentlich gemeint ist. Denn Patrik Autsch ist mehrfach beeinträchtigt und deshalb braucht es ein paar Augenblicke, bis man ihm folgen kann, man muss sich auf ihn einhören.
Tut man das nicht, könnte das ebenso oberflächliche wie hässliche Bild bleiben, dass hier ein mehrfach „Behinderter“ bemüht ist, sich verständlich zu machen. Hört man ihm aber zu, ist da ein junger und sehr reflektierter Mann, der versucht, sich trotz seiner Beeinträchtigungen einen zufriedenstellenden Platz im Leben zu schaffen.
Vorstellungen
vom Leben
„Zufriedenstellend“ heißt dabei, dass er – und man muss das so böse formulieren – eben nicht von oben herab behandelt wird, sondern dass man anerkennt, dass er ein Mensch wie du und ich ist, der sehr wohl seine eigenen Vorstellungen von seinem Leben hat und dass man ihn dabei unterstützt, diese umzusetzen.
Die Möglichkeit zu dieser Erkenntnis geschaffen zu haben, ist das Verdienst der Aktion Schichtwechsel, bei der bundesweit Menschen mit und ohne Behinderungen kürzlich ihre Arbeitsplätze tauschten.
Auch die Wendelsteinwerkstätten der Caritas waren mit dabei, mit ihrer Förderstätte am Oberfeld und der „Tauschpartner“ war hier Landrat Otto Lederer. Für ihn waren die gut zwei Stunden, die er mit Patrik an dessen Arbeitsplatz verbrachte, ein großer Gewinn, wie er sagte.
Denn auch für ihn wurde dabei, das darf man vermuten, das Wort Inklusion, sonst eher ein theoretischer, wenn auch in Stadt und Landkreis sehr ernstgenommener Begriff, tatsächlich mit prallem Leben erfüllt.
Etwa wenn Patrik davon erzählt, dass er nicht die Sammelbeförderung in Anspruch nimmt, die der Bezirk für alle Menschen anbietet, die in Förderstätten betreut werden, sondern sich lieber selbst und mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Prien aus auf den Weg nach Rosenheim macht, auch wenn er dafür zwei Stunden unterwegs ist. Es ist dies ein Akt der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung – Selbstgewissheiten, die jeder Mensch für sein Wohlbefinden braucht. Oder wenn er sagt, dass die Aussicht, jetzt dann am eben fertiggestellten Empfang in der Einrichtung am Oberfeld probeweise arbeiten zu können, mit großer Freude erfüllt: Auch deshalb, weil diese Tätigkeit bezahlt wird und damit belegt ist, dass sie auch von anderen als „echte“ Arbeit angesehen wird.
Dabei arbeitet Patrik schon jetzt, im Rahmen der Förderstätte. Er ist Teil des Redaktionsteams, das unter anderem den wöchentlichen Speiseplan in das hauseigene Informationssystem Cabito einpflegt. Der Speiseplan kann dann an Infoterminals abgerufen werden, die nicht nur am Oberfeld stehen, sondern auch in den Wendelsteinwerkstätten in Raubling. Dieses Übertragen des Speiseplans vom Papier in das Computersystem verlangt von einem Menschen mit mehrfachen Beeinträchtigungen äußerste Konzentration, fordert echte Mühe und Anstrengung.
Patrik war es wichtig, genau das dem Landrat zeigen zu können, denn auch er selbst hatte, wie er sagt, anfangs das Vorurteil: „Im Bereich der Förderstätte arbeitet man doch nichts.“
Mittlerweile hat aber auch Patrik erkannt, dass das beileibe nicht stimmt: Georg Czerny und seine insgesamt 50 Mitarbeiter in den Caritas Förderstätten in Raubling und Am Oberfeld versuchen vielmehr, den betreuten Frauen und Männern das nächste Niveau der Selbstverwirklichung zu erschließen: eine möglichst selbstständige Arbeit in den hauseigenen Werkstätten oder – wie im Fall von Patrik – in der eigenen Verwaltung. Dies – und das ist wichtig – eben nicht durch Betreuung von oben herab, sondern gewissermaßen als Teamarbeit, in die Betreute wie Betreuer gleichermaßen eingebunden sind.
All dies wieder einmal deutlich zu machen, war das Ziel der Aktion Schichtwechsel und Martin Zoßeder, der Leiter der Werkstätten und Fördereinrichtungen der Caritas, zeigte sich dankbar, dass man als Tauschpartner Landrat Otto Lederer gewinnen konnte. Denn der ist nicht nur Multiplikator, sondern Multiplikator an entscheidender Stelle.
Ende Oktober
geht es weiter
Und sagte auch selbst, dass er, wenn es etwa bei den nächsten Bürgermeisterbesprechungen wieder einmal um das Thema Inklusion gehe, in der Tat und zweifellos von den gewonnenen Eindrücken profitieren werde. Dabei ist die Tauschaktion noch gar nicht beendet, Ende Oktober steht der Gegenbesuch Patriks im Landratsamt an: Etwas, worauf sich – das war zu spüren – nicht nur Patrik, sondern auch Otto Lederer wirklich freuen.