Rosenheim – Am ersten Tag des neuen Prozesses um Hanna in dieser Woche saß ihr Vater aufrecht am Tisch der Nebenklage, um konzentriert der Verhandlung zu folgen. Einmal jedoch senkte er den Blick einige Minuten lang, stützte seinen Kopf in die Hände und starrte auf die Tischplatte. Da waren gerade auf drei Bildschirmen im großen Saal des Amtsgerichts in Laufen die Fotos von der Bergung seiner Tochter zu sehen.
Schwer zu verkraftende
Erinnerungen
Am Nachmittag des 3. Oktober 2022 waren diese Fotos aufgenommen worden, etwas mehr als zwölf Stunden nach ihrem Tod. Ein Spaziergänger hatte den leblosen Körper von Hanna in der Prien treibend entdeckt. Die Erinnerung daran: schwer zu verkraften für den Vater. Die Bilder zu sehen – unerträglich.
Gut ein Jahr nach dem Tod Hannas begann am 12. Oktober 2023 der Prozess vor dem Landgericht Traunstein. Angeklagt wegen Mordes war Sebastian T., ein 20-Jähriger, der wie Hanna auch aus Aschau stammt. Zeugen hatten ihn in jener Nacht im Oktober 2022 joggen gesehen, auch in der Nähe des Clubs „Eiskeller“, in dem Hanna zuvor mit Freunden gefeiert hatte. Fünf Monate später verurteilte die zweite Jugendkammer des Landgerichts Sebastian T. zu neun Jahren Jugendstrafe.
Nun hat der Prozess von Neuem begonnen. Wegen der Revision, die der Angeklagte über seine Anwälte beantragte. Der Bundesgerichtshof gab der Verteidigung recht. Daher die Neuauflage – aus Platzgründen in Laufen. Angeklagt ist wieder und immer noch Sebastian T. Und die Anklageschrift, die Staatsanwalt Christian Merkel vorträgt, ist dieselbe wie im Oktober 2023. Sebastian T., beharrt die Staatsanwaltschaft, habe Hanna angegriffen, niedergerissen, bewusstlos geschlagen, sie in den Bärbach geworfen, ihr Ertrinken zumindest billigend in Kauf genommen.
Hanna verschwindet
aus dem Prozess
Und doch hat sich einiges gegenüber der ersten Auflage verändert. Zu Beginn des damaligen Prozesses bekam die Familie Gelegenheit, Hanna den Menschen im Großen Saal des Landgerichts nochmals vor Augen zu führen. Mutter, Vater und Bruder: Sie erinnerten an eine lebenslustige 23-Jährige, die in Cluj in Rumänien Medizin studierte und in ihren Heimatort Aschau zurückgekehrt war, um die Familie zu sehen und mit Freunden zu feiern.
Sie zeichneten das Bild einer weltoffenen, liebenswürdigen, hilfsbereiten und selbstständigen jungen Frau, die im Mittelpunkt eines großen Kreises von Freunden und Bekannten stand. So sei ihre Hanna gewesen: Ein Mensch, der einfach positiv auf andere gewirkt habe, sagte Mutter Rosalie W.
„Vater, Mutter und Bruder sind gehört worden, um Hanna im Verfahren präsent sein zu lassen“, sagt Walter Holderle. Er ist als Anwalt der Nebenklage der juristische Beistand für Andreas W. „Für die Eltern ist es diesmal schockierend, dass sie im neuen Verfahren genau genommen gar nicht mehr da ist.“
Hannas Tod – unfassbar für die Familie. „Ich vermisse sie so unendlich“, sagte die Mutter im Oktober 2023. An der Seite ihres Mannes verfolgte sie damals nahezu jeden Tag der ersten Verhandlung. Diesmal, bei der Neuauflage in Laufen, ist sie abwesend. „Für den Vater ist es extrem schwer zu ertragen“, erklärt Holderle. „Die Mutter schafft es grundsätzlich gar nicht mehr.“
Gedenken am
Gipfel eines Berges
Am Mittwoch, 8. Oktober, wird der neue Prozess um Hanna fortgeführt. Ebenso wie am Donnerstag, 9. Oktober, geht es um die Aussage des JVA-Zeugen, der Sebastian T. so schwer belastet hatte. Sagte er die Wahrheit, log er?
Für Hannas Eltern, ihren Bruder, ihre Freunde, zählt die eine Wahrheit: Ihr Leben hat sich unwiderruflich verändert. Seit dem 3. Oktober 2022 ist nichts mehr, wie es war. Die Eltern werden, drei Jahre später, am Freitag auf dem Gipfel eines Berges innehalten. Zusammen mit Freunden, sagt Anwalt Walter Holderle – um Hanna zu gedenken.