Nußdorf am Inn – Das „Heuser-Anwesen“ wurde am Wochenende fast vollständig zerstört. Das alte Bauernhaus an der Straße Entbach ging am Samstagabend in Flammen auf. Am Sonntagmittag ist die Feuerwehr Nußdorf noch immer im Einsatz. Mit Wärmebildkameras suchen die Kameraden nach Glutnestern. Immer wieder müssen auflodernde Flammen gelöscht werden. Zu diesem Zeitpunkt sind sie schon seit 14 Stunden im Dauereinsatz. Kommandant Stefan Drexler (40) hat noch vor wenigen Stunden den Einsatz von 200 Rettungskräften aus zehn Feuerwehren (150 Kameraden), THW (30) und BRK (20) koordiniert. Seit 1978 hat es in Nußdorf nicht mehr so gebrannt. Und Drexlers erster Großeinsatz als Einsatzleiter hat es in sich.
Bauernhaus
steht in Vollbrand
Am Samstag, gegen 21.30 Uhr, wird der Brand an der Straße Entbach gemeldet. Polizei, THW, BRK und Feuerwehren aus Nußdorf, Kiefersfelden, Raubling, Degerndorf, Roßholzen, Neubeuern, Flintsbach, Rosenheim, Brannenburg und Großbrannenberg rücken aus. Die Nußdorfer sind als Erste vor Ort: „Da stand das Bauernhaus schon in Vollbrand“, berichtet Drexler.
Das „Heuser-Anwesen“ ist ein Riesenobjekt, circa 60 Meter lang, ein traditioneller Bauernhof – mit Wohnhaus, Stallungen und Tenne. Zwar gibt es hier schon seit Langem keine aktive Landwirtschaft mehr. Doch im Haus lebt eine 89-jährige Seniorin mit ihrer Haushaltshilfe. Als Nachbarn den Rauch bemerken, heult auch schon die Sirene. Im Bauernhof sehen sie den orangen Schein der Flammen. „Plötzlich war ein Zischen zu hören, so, als sei eine Silvesterrakete gezündet worden“, beschreiben sie den Moment, als das Feuer sich wie ein Feuerball ausbreitet. Einer der Nachbarn steht an der Tür des Hauses, klingelt, ruft. Es scheint niemand mehr im Haus zu sein. Viele Nachbarn sehen die Bewohnerinnen in dieser Nacht nicht. Als die Polizei am Sonntag darüber informiert, dass die beiden Bewohnerinnen – eine hochbetagte Seniorin (89) und deren Haushaltshilfe – sich nach Ausbruch des Brandes rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, sind alle beruhigt. „Die beiden Frauen wurden von einem Kriseninterventionsteam des BRK betreut“, informiert die Polizei. 30 Kräfte des THW leuchten den Einsatzort aus. Die Löscharbeiten sind äußerst anspruchsvoll. „Aufgrund des Ausmaßes des Feuers, der beengten Situation und der Wasserförderung“, erklärt Kreisbrandinspektor Martin Gruber. Die Feuerwehrtechnik ist mächtig., der Zugang zum Objekt schmal, nur von der Straße Entbach gut erreichbar. Die Anwohnerzufahrt am Katzenbichl ist einspurig und eng. „In solchen Situationen kommt es darauf an, dass die Maschinisten ihre Löschfahrzeuge so geschickt platzieren, dass mehrere Fahrzeuge Platz haben“, beschreibt Gruber.
Enormer
Löschwasserbedarf
Um den Vollbrand des großen Objektes unter Kontrolle zu bringen, wird von vier Seiten gelöscht und extrem viel Wasser gebraucht. Die Raublinger Kameraden sind mit der Drehleiter vor Ort. Über das Wenderohr jagen sie etwa 2000 Liter Wasser pro Minute auf die Flammen. „Da sind die Hydranten schnell überfordert, die Tanks der Löschfahrzeuge in Windeseile leer“, erklärt Gruber. „Wir mussten Saugleitungen über mehrere hundert Meter zum Mühlbach, Steinbach und Dorfweiher legen, um die Tanklöschfahrzeuge zu speisen und die Löschwasserversorgung zu sichern“, erklärt Einsatzleiter Drexler. Auch die Kiefersfeldener Kameraden sind mit der Drehleiter da. „Aber die kam aus Platzmangel nicht zum Einsatz“, erklärt der Kreisbrandinspektor.
Trinkwasser
immer im Blick
Auch Bürgermeisterin Susanne Grandauer ist vor Ort. Viele Verwaltungsmitarbeiter sind auch bei der Feuerwehr. Und so greift ein Rädchen ins andere. „Wir mussten auch die Trinkwasserversorgung der Nußdorfer Bürger im Auge behalten“, erklärt sie. Zudem ist im eng bebauten Wohngebiet am Entbach die Gefahr groß, dass das Feuer auf die Nachbargebäude übergreift. Es dauert drei Stunden, ehe der Großbrand unter Kontrolle ist. „Ich bin dankbar dafür, dass so viele Einsatzkräfte vor Ort waren. Und ich bin fasziniert, wie kompetent, gut organisiert und schnell die Rettungskräfte zusammenarbeiten.“ Nach etwa drei Stunden ist der Brand gelöscht, doch der Einsatz noch lange nicht zu Ende. Teile des Dachs des Wohnhauses sind eingestürzt. Mit einem Bagger müssen die verkohlten, glimmenden Reste entfernt werden, damit das Löschwasser versteckte Glutnester erreicht. Unter großer Vorsicht werden die Glutnester abgetragen.
Das Team des „Schneiderwirt“ und das BRK kümmern sich die ganze Nacht über um die Versorgung der Einsatzkräfte. Die Löscharbeiten dauern bis in die frühen Morgenstunden. Allmählich können die Feuerwehren abrücken. Die Nußdorfer übernehmen die Brandwache. Gegen 7 Uhr am Sonntagmorgen ist Schichtwechsel. Jetzt können sich einige der Kameraden ausruhen, ehe es weitergeht. Am Sonntagmittag ist die Nußdorfer Wehr noch immer vor Ort.
„Man sieht immer mal wieder Flammen auflodern“, beobachten Anwohner am Mittag. Sie haben den Großeinsatz erlebt, fühlten sich aber immer sicher. „Da war so viel los, ein wahnsinniger Trubel“, beschreiben sie die Katastrophennacht. Sie sind dankbar für die Geduld von Feuerwehren und Polizei. „Trotz des Großeinsatzes haben sie unsere Fragen beantwortet“, berichten sie, denn die Warn-App habe nicht gewarnt. „Es waren die Feuerwehrler und die Polizei, die uns darüber informierten, was passiert ist und dass keine Evakuierung erforderlich ist.“
Die Polizei hat die Ermittlungen noch in der Nacht aufgenommen. Ermittler des Kriminaldauerdienstes der Kriminalpolizeiinspektion Rosenheim übernahmen vor Ort die Untersuchungen zur Brandursache.
Brandursache muss
ermittelt werden
Allerdings herrschte durch das Feuer eine so enorme Hitze, dass es unmöglich war, sich dem Objekt überhaupt zu nähern, geschweige denn es zu betreten. Aussagen zur Brandursache können derzeit noch keine getroffen werden. Erst wenn alle Glutnester gelöscht sind, können die Beamten des Kommissariats für Branddelikte die Brandursachenermittlung aufnehmen
Zum Glück kamen bei dem Brand keine Menschen zu Schaden, weder die Bewohnerinnen, noch die Nachbarn, noch die Einsatzkräfte. Der Sachschaden wird auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Nicht nur das große Anwesen, sondern auch viele Antiquitäten und Raritäten, die die Innenarchitektin über Jahrzehnte sammelte, wurden Opfer der Flammen, das Haupthaus vom Löschwasser in Mitleidenschaft gezogen.
„Den Bewohnerinnen geht es den Umständen entsprechend gut“, versichert Bürgermeisterin Grandauer. „Sie haben den Brandausbruch selbst bemerkt und sich zu den Nachbarn gerettet.“ Die Familien seien sofort zu Hilfe geeilt. „Wir haben eine Ferienwohnung und Gästezimmer für alle gefunden.“
Weitere Fotos vom Großeinsatz in Nußdorf am Inn finden Sie unter www.ovb-online.de.