Vogtareuth – Die Schön-Klinik Vogtareuth schließt sechs Fachzentren. Aus wirtschaftlichen Gründen. 200 Mitarbeiter verlieren ihre Arbeit. Hunderte Patienten werden nicht mehr versorgt. Um diese sollen sich künftig „Zuweiser“, also die niedergelassenen Fachärzte, kümmern. Das geht aus den Antworten von Klinik-Geschäftsführer Georg Thiessen hervor, die er zu OVB-Fragen abgegeben hat.
Die Krankenhausreform ist noch nicht abgeschlossen, das Krankenhausanpassungsgesetz wird gerade noch überarbeitet. Ist die Reform nur ein Vorwand für die Schließung von sechs Fachzentren in Vogtareuth?
Die Schön-Klinik Vogtareuth möchte sich ab dem Jahr 2026 neu ausrichten und künftig auf ihre langjährigen Kernkompetenzen in der Kindermedizin sowie der Orthopädie konzentrieren. Im Zuge dieser Fokussierung sollen daher bis Ende 2025 die Fachbereiche Neurochirurgie und Neurologie für Erwachsene (inklusive JERWA), Herz- und Gefäßchirurgie, Hand-, Plastische- und Brustchirurgie sowie die ambulante Rehabilitation geordnet beendet werden. Damit stellt die Klinik ihre Leistungsstruktur langfristig stabil und zukunftsfähig auf. Auch wenn die Krankenhausreform und ihre Qualitäts- und Strukturvorgaben bei der Beurteilung eine Rolle spielen, ist die Neuausrichtung strategisch notwendig, unabhängig von der endgültigen Ausgestaltung des Gesetzes. Ziel ist es, Ressourcen zu bündeln, die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und das medizinische Angebot in Vogtareuth dauerhaft tragfähig auszurichten.
In Fachbereichen, die
geschlossen werden, wurden noch im Sommer neue Mitarbeiter eingestellt. Auch wurde
moderne Medizintechnik installiert. Waren die Schließungen kurzfristige Entscheidungen?
Die Planung zur Neuausrichtung ist das Ergebnis sorgfältiger Abwägungen vor dem Hintergrund einer wirtschaftlich herausfordernden Situation der Klinik. Entscheidungen bezüglich Personaleinstellungen und Investitionen in Medizintechnik werden in der Regel mit größerem zeitlichen Vorlauf getroffen.
Mitarbeiter sind
enttäuscht, weil die
Geschäftsführung nicht mit ihnen redet und sie eigentlich nicht viel mehr wissen, als dass ihre
Abteilungen schließen.
In welcher Form
kommunizieren sie mit den Mitarbeitern?
Wir sind uns bewusst, dass diese Veränderungen viele Fragen bei Mitarbeitenden sowie Patientinnen und Patienten aufwerfen. Am 23. September wurden die Mitarbeitenden in einer Versammlung umfassend informiert und konnten ihre Fragen stellen. Ergänzend wurden ein Handout und ein FAQ bereitgestellt. (Hinweis der Redaktion: FAQ steht für „Frequently Asked Questions“ und bezeichnet eine Zusammenstellung von Informationen zu besonders häufig gestellten Fragen.) Informationen sind im Intranet für alle schnell und direkt zugänglich. Zudem wurde eine zentrale E-Mail-Adresse für Rückfragen eingerichtet, von der bislang lediglich vier Mitarbeitende Gebrauch gemacht haben.
Sie kommunizieren
nicht persönlich, nur
mit Informationsblättern und per E-Mail?
Die Klinikleitung hat auch betont, jederzeit für persönliche Gespräche zur Verfügung zu stehen. Bislang hat keiner der Mitarbeitenden von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Zusätzlich wird die Klinikgeschäftsführung Treffen mit den betroffenen Stationen durchführen. Die Termine hierfür stehen bereits fest. Damit stellen wir sicher, dass auch Mitarbeitende, die nicht an der Versammlung teilnehmen konnten, informiert sind und ihre Fragen stellen können.
150 Vollzeitstellen
gehen verloren. Etwa
200 Mitarbeiter verlieren ihre Arbeit. Betrifft das nur die medizinischen Angestellten der
Abteilungen, die
geschlossen werden?
Personelle Konsequenzen lassen sich leider nicht vermeiden. Voraussichtlich rund 150 Stellen sind betroffen, vor allem in den Bereichen, die künftig nicht mehr Teil des Klinikprofils sind, sowie in angrenzenden Diensten.
Wurden dem Betriebsrat bereits alle erforderlichen Unterlagen zugeleitet, die die wirtschaftlichen Gründe für die
Schließungen belegen,
damit die Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan beginnen können?
Wir haben dem Betriebsrat unmittelbar Termine für den Beginn von sehr zeitnahen Gesprächen vorgeschlagen. Zu unserem Bedauern kann der Betriebsrat diese frühzeitigen Termine jedoch nicht realisieren. Mit einem Beginn der Gespräche ist nun zum 8. Oktober zu rechnen. Die erforderlichen Informationen wurden dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt. Ziel der Gespräche wird es sein, zunächst einen Interessenausgleich und darauf aufbauend einen Sozialplan zu erarbeiten. Im Übrigen enden die Beschäftigungsverhältnisse der betroffenen Mitarbeitenden nicht zum 31. Dezember 2025, sondern es gelten die individuellen Kündigungsfristen und die Vereinbarungen, die in den Gesprächen mit dem Betriebsrat geschlossen werden. Dabei prüfen wir auch Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung innerhalb der Schön-Klinik-Gruppe beziehungsweise steht es den Mitarbeitenden selbstverständlich frei, sich jederzeit auf eigene Initiative auf offene Stellen innerhalb der Gruppe zu bewerben.
Was wird aus Hunderten von Patienten, die
von den Schließungen betroffen sind?
Für unsere Patientinnen und Patienten der betroffenen Bereiche bleibt die Versorgung bis zum Jahresende gesichert. Wenn Behandlungen in den betroffenen Fachbereichen künftig nicht mehr möglich sind, informieren die Kolleginnen und Kollegen aus dem zentralen Belegungsmanagement die Patientinnen und Patienten darüber. Kliniken aus der Region, wie etwa die Romed-Kliniken, haben bereits signalisiert, dass sie für die Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen. Sofern unsere Kolleginnen und Kollegen alternative Behandlungsmöglichkeiten kennen, werden sie diese empfehlen. Im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie und Skoliosebehandlung haben wir beispielsweise mit der Schön-Klinik München Harlaching eine ausgezeichnete und international führende orthopädische Fachklinik in der Gruppe, die die Behandlung übernehmen kann.
Was empfehlen Sie?
Wir raten den Patientinnen und Patienten, sich an ihre niedergelassenen Fachärztinnen und -ärzte zu wenden, die die Überweisung in unsere Klinik ausgestellt haben. Nur diese sind ermächtigt, die Patientinnen und Patienten in alternative Kliniken einzuweisen.
Die Station „Jerwa“ für junge Erwachsene mit Mehrfachbehinderung ist einmalig in Deutschland, wurde erst vor vier Jahren aufgebaut. Wird das Angebot an einen anderen Standort verlagert?
Die Planung, bestimmte Fachbereiche einzustellen, bedeutet auch, dass Projekte wie die Jerwa-Station nicht fortgeführt oder an andere Standorte verlagert werden. Vogtareuth soll auf die Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie die Orthopädie spezialisiert bleiben. In der Abrechnungslogik der Kostenträger gibt es die Kategorie „Junge Erwachsene“ nicht, weswegen der Vertrag mit den Kostenträgern ausgelaufen ist. Ein separates neurologisches Angebot für Erwachsene wird es aus Gründen der strategischen Neuausrichtung künftig am Standort Vogtareuth nicht geben.
Was wird aus
der ambulanten Versorgung im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ), wenn es keine Neurologen und Neurochirurgen für Erwachsene mehr gibt?
Das MVZ Vogtareuth bleibt bestehen, ist von der dargestellten Planung nicht betroffen und bietet weiterhin ein breites Spektrum an ambulanter Versorgung – vorrangig im Bereich der Kinderorthopädie und der Neurochirurgie.
Interview: Kathrin Gerlach