von Redaktion

Freunde des Angeklagten, Häftlinge, Gutachter und Polizeibeamte – eine Woche voller Zeugenaussagen startet heute

Laufen/Aschau – Der Kronzeuge Adrian M. wird nach den jüngsten Verhandlungstagen möglicherweise keine große Rolle mehr spielen. Der Aussage-Gutachter Prof. Dr. Max Steller hatte Adrian M.s belastende Aussage als nicht glaubhaft qualifiziert. Weil Adrian M. schon öfter gelogen hat. Und weil er die Fähigkeit dazu besitze.

Möglich sei auch, dass er nicht wissentlich die Unwahrheit sage, sondern das Gespräch, in dem sich Sebastian T. ihm gegenüber als Mörder von Hanna Wörndl geoutet haben soll, in seiner Erinnerung nachgebildet habe. So lange, bis er selbst daran glaubte. Nichts Ungewöhnliches für Menschen mit Borderline-Störungen, erklärte Steller.

Mithäftlinge aus
der JVA sagen aus

Mit der JVA Traunstein und der Untersuchungshaft des Angeklagten Sebastian T. ist die Zweite Jugendkammer des Landgerichts Traunstein aber immer noch nicht durch. Am heutigen Montag sollen ab 9.30 Uhr weitere Mithäftlinge von Sebastian T. aus der U-Haft im Amtsgericht Laufen befragt werden – ohne Gewähr, das Programm der diversen Verhandlungstage ändert sich immer wieder mal. Dabei geht es vermutlich nicht nur darum, ob Sebastian T. sich tatsächlich irgendeinem Insassen gegenüber über die Geschehnisse am 3. Oktober 2022 geäußert hat. Sondern auch darum, was für einen Eindruck er auf Mitinsassen der JVA machte. Geladen sind für Montag außerdem ein Arbeitskollege des Angeklagten und die Hausärztin des Angeklagten.

Am morgigen Dienstag wird sich Dorothea Bartschmid, Richterin am Landesgericht Traunstein, zur ersten Verhandlung zwischen Oktober 2023 und März 2024 äußern. In diesem Prozess hatte die Zweite Jugendkammer des Landgerichts Traunstein den Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung und des Mordes an Hanna Wörndl für schuldig befunden und zu neun Jahren Haft verurteilt. Über seine Verteidiger legte Sebastian T. jedoch Revision ein – und drang beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe durch. Der BGH kassierte das Urteil und verwies den Fall zurück nach Traunstein. Dieser neue Hanna-Prozess läuft seit Ende September am Amtsgericht Laufen. Dorthin ist das Landgericht Traunstein aus Platzgründen ausgewichen.

Außerdem werden zwei Vernehmungsbeamtinnen aussagen. Und es geht um eine rätselhafte Äußerung Sebastian T.s. Im Laufe des Oktobers 2022 war er häufiger bei der Familie einer Schulfreundin anzutreffen. „Ja mei, dann war ich‘s halt“: Das soll, wie die Mutter der Schulfreundin angab, Sebastian T. während einer „Hausparty“ gesagt haben. Ein Geständnis? Oder doch nur die resignierte Reaktion eines verunsicherten jungen Mannes, der sich von der Polizei ins Visier genommen fühlt? Am morgigen Dienstag soll sich die Mutter jener Schulfreundin dazu äußern.

Am Mittwoch, 22. Oktober, kommt dann die Schwester der Schulfreundin zu Wort, deren Aussage Sebastian T. überhaupt erst die Einschätzung als „dringend tatverdächtig“ eingebracht hatte. Weitere Freunde des Angeklagten sind geladen.

Verschwundene Hose und nächtlicher Schrei

Befragt werden sie auch zu einem gemeinsamen Tischtennisspiel. Wann fand es statt? Kann Sebastian T. tatsächlich an Verena R. Täterwissen verraten haben? Dazu werden Zeugen erwartet, die Sebastian T. in der tragischen Nacht beim Joggen beobachteten. Trug er tatsächlich eine kurze Hose, wie Zeugen während der ersten Verhandlung festgestellt hatten? Wenn ja, wo blieb die Hose ab? Die Polizei fand sie nicht, Sebastian T. selbst behauptete, in langen Hosen zu laufen.

Am Donnerstag, 23. Oktober, werden Zeugen zu GPS-Daten, Funkzellen und Telefonen aussagen. Welchen Weg schlug Hanna ein, nachdem sie kurz vor halb 3 das Gelände des „Eiskellers“ verließ? Zeugen aus dem Umfeld des Clubs „Eiskeller“ werden am Freitag, 24. Oktober, gehört. Berichten wird auch die Zeugin, die am 3. Oktober 2022 gegen 2:30 Uhr einen „Schrei wie in Todesangst“ gehört haben will. Vernehmungsbeamte werden befragt, außerdem die Zeugin Verena R., deren erste Aussage im November 2022 bei den Ermittlern die Alarmglocken schrillen ließ. Im Prozess verwickelte sie sich aber in Widersprüche. Wie steht es nunmehr – zwei Jahre später – um ihr Erinnerungsvermögen?

Die ganze Zeit anwesend sein werden die beiden Gutachter, die Sebastian T. eine Reifeverzögerung attestiert hatten: Jugendpsychiater Rainer Huppert und Psychiaterin Nicole Liwon. Sie hatten im Prozess übereinstimmend eine Reifeverzögerung bei Sebastian T. ausgemacht und sich für die Anwendung des Jugendstrafrechts bei dem damals 21-jährigen jungen Mann eingesetzt. Huppert beschrieb T. als „freundlichen jungen Mann.“

Aus dem Prozess zurückgezogen hat sich Hannas Familie, die sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen hatte. Für Rosalie und Andreas Wörndl sei der Prozess „nicht mehr ertragbar“, schrieb ihr Anwalt Walter Holderle in einer Presseerklärung. Holderle hatte zuvor in den Prozess einen Beweisantrag eingebracht. Ein Gutachter sollte hinzugezogen werden. Prof. Dr. Dirk Labudde, bekannt aus dem Prozess um den Diebstahl einer hundert Kilo schweren Riesen-Goldmünze aus dem Bode-Museum in Berlin, sollte beweisen, dass „Hannas Verletzungen nicht durch ein Treiben und durch Anstoßvorgänge des Körpers im Wasser herrühren können.“

Rückzug der Eltern könnte Folgen haben

Wird das Gericht diesem Antrag auch nach dem Rückzug der Eltern von Hanna noch folgen? Das gilt es zu klären. „Die Frage, ob über den Antrag der Nebenklage noch zu entscheiden ist, ist rechtlich nicht so einfach und wird von der Kammer noch geprüft werden“, erklärte Cornelia Sattelberger, Sprecherin des Landgerichts Traunstein, auf Anfrage des OVB. Zu den Befangenheitsanträgen der Verteidigung unter anderem gegen die Sachverständigen Jiri Adamec und Andreas Malcherek, die sich gegen die Unfallthese ausgesprochen hatten, würden noch immer die erforderlichen Stellungnahmen eingeholt.

Marathon-Programm im Hanna-Prozess beginnt

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