Hat sich Sebastian T. „Mörder von Aschau“ genannt?

von Redaktion

Zeugen werden mit der Zeit nicht besser – das stellte sich auch an Tag sieben im Hanna-Prozess heraus. Vor allem die Mutter einer wichtigen Zeugin blieb viele Antworten schuldig. Und der Vorsitzenden Richterin stockte der Atem.

Laufen/Aschau – Sondermeldung aus dem Amtsgericht in Laufen: Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Fall Hanna beharken einander nicht nur mit Energie und Einfallsreichtum. An Tag sieben des Hanna-Prozesses kam es zu einer seltenen und der Niederschrift würdigen Übereinkunft: Eine gewisse Zeugin soll eingeladen werden. Sie kann und soll womöglich zu einer ominösen Sprachnachricht Auskunft geben.

„Wir stehen dem nicht entgegen“, sagte Verteidigerin Regina Rick auf das Ansinnen von Staatsanwalt Christian Merkel. Er hatte darum gebeten, Anna D. zu laden, die sich mit Hauptzeugin Verena R. per Instagram ausgetauscht hat. „Dass wir uns mal einig sind“, sagte Staatsanwalt Christian Merkel und setzte ein Lächeln mit nur leisen Spuren von Ironie auf. Ein Moment der Harmonie ausgerechnet über einer Frage, in der man sich eigentlich uneins ist.

Also Anna D.: Kann Sie etwas zu Verena R. sagen, die Sebastian T. im Herbst 2022 so schwer belastete? Verenas Aussage lautete: Sebastian T. habe ihr von einem Mord berichtet, von dem sonst noch niemand in Aschau wusste. „Täterwissen!“ meinten die Ermittler und lenkten ihren dringenden Tatverdacht auf Sebastian T. Die Staatsanwaltschaft hofft, dass die neue Zeugin Verena R.s Aussage indirekt untermauert. Von derselben Zeugin erwartet die Verteidigung, dass sie bei einer früheren Aussage bleibt. Die ominöse Sprachnachricht stamme demnach aus dem November, sei also sicher kein Beleg für irgendein Täterwissen.

All das wäre womöglich überflüssig, hätte sich Verena R. als zuverlässige Zeugin erwiesen. Im ersten Prozess widersprach sie sich vielfach. Geladen war daher am gestrigen Dienstag Dorothea Bartschmid, Besitzerin der Zweiten Jugendkammer im ersten Prozess gegen Sebastian T. und Berichterstatterin. Die Juristin mithin, die sich am tiefsten in die Akten im Fall Hanna gewühlt haben dürfte. Verena R. sei damals nervös gewesen, „sie hat am ganzen Körper gezittert“. Die Aussagen seien in ungewöhnlichem Maße „konfus“ gewesen, sagte Bartschmid. Es gibt von Verenas Aussage verschiedene Versionen, und die immer noch zu klärende Frage wird sein, welche Version was wert ist. In der ersten Auflage des Prozesses mündeten die Aussagen der Schulfreundin in ein Debakel. So sahen sich die Ermittler womöglich erst gezwungen, dem neuen Kronzeugen Adrian M. Glauben zu schenken. Doch nun, nach drei verheerenden Verhandlungstagen im neuen Verfahren, ist auch der Zeugniswert von Adrian M. ins Bodenlose gesunken. Damit rückt also erneut die Schulfreundin in den Mittelpunkt. Die Zeugin, die sich schon so oft widersprach.

Geladen war gestern daher auch die Mutter dieser Freundin. Sie berichtete über Sebastian T.s Wesen, sie habe ihn als „sehr netten, lustigen jungen Mann kennengelernt“. Vom Wesen des T. konnte sie sich bald häufiger überzeugen. T. wurde im Oktober 2022 zum Stammgast bei den trinkfreudigen „Haus-Partys“ im Wohnhaus der Familie. Einmal, am 17. November, sei über Hanna gesprochen worden, sagte die Mutter R. heute aus. Sebastian T. sei etwas abseits auf dem Sofa gesessen. Wie aus heiterem Himmel habe er auf einmal gesprochen. Gut, er sei‘s gewesen, das mit der Hanna. Der Satz ist hier in indirekter Rede angeführt, weil es die eine Fassung nicht gibt. Von „Ja mei, dann war ich‘s halt“ bis zu „Ich war‘s, ich bin der Mörder von Aschau“ sind mehrere Versionen von verschiedenen Zeugen im Umlauf. Ob sich jemand als Mörder bezeichnet oder sich resigniert dreinschickt, das mag für manche Prozessbeobachter schon einen Unterschied spielen.

Aussagen bringen
Richterin Will zur
„Schnappatmung“

Auch über ihre Reaktionen auf diese so oder so schockierende Aussage wurde die Mutter befragt, und auch da äußerte sie sich widersprüchlich. Oft wiederholte sie: „Daran kann ich mich nicht erinnern.“ Die Vorsitzende Richterin Heike Will sprach sie streng auf ihre Erinnerungslücken an. An einen Satz könne sie sich erinnern, an alles andere nicht? „Ich bin nervös“, sagte die Zeugin. Nervosität bedeute nicht, dass der Kopf leer sei, rügte Will. „Ich habe meine eigenen Probleme“, sagte die 50-Jährige auf den Einwurf der Beisitzerin. „Der Herr T. hat auch Probleme“, entgegnete die Beisitzerin, „und die hat er unter anderem wegen Ihnen.“ Das seltsame Geständnis, dann aber auch Verenas Aussage, dass ihr T. mal ein Messer an die Kehle gehalten und gesagt habe: „Haha, jetzt bringe ich dich auch um.“ Sind diese Aussagen glaubhaft? Warum sagte Verena R. einen Tag nach dem „Hausparty“-Geständnis bei der polizeilichen Vernehmung nichts davon? Das wird noch weiter zu klären sein. Nach dem Aussage-Debakel des JVA-Zeugen sind die Aussagen von der Mutter und den Schwestern – wie lückenhaft sie auch sein mögen – wieder in den Vordergrund gerückt.

Die Mutter konnte gestern das Gericht offenbar nicht überzeugen. Dass Tochter Verena mal das eine, mal das andere gesagt habe, ohne von der Mutter darauf angesprochen zu werden – das brachte Heike Will auf die Palme. „Ihre Tochter teilt Ihnen mit, dass sie nicht die Wahrheit sagt“, stellte Will fest. „Und es war Ihnen wurscht?“ Da bekomme sie „Schnappatmung“, sagte Will. Verteidiger Dr. Yves Georg nahm die Zeugin mit einer Anspielung auf den Verdacht der Falschaussage aufs Korn: „Sie können froh sein, dass Sie nicht vereidigt wurden.“ Der Prozess wird heute fortgesetzt.

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