Laufen/Aschau – Man konnte in dieser neuen Verhandlung um den gewaltsamen Tod von Hanna Wörndl schon Polizeibeamte erleben, die nicht mehr wussten, wer und wann dem Angeklagten Sebastian T. welche Fragen gestellt hatte. Polizeibeamte, das sind sozusagen professionelle Zeugen, aufs Beobachten getrimmt, zum Festhalten von Fakten verpflichtet.
Und doch taten sich im großen Saal des Amtsgerichts von Laufen auch da öfter Lücken in den Aussagen auf. Man wisse dies und jenes nicht mehr, beziehungsweise: Man erinnere sich nicht mehr.
Das Gedächtnis ist keine
Aufzeichnungsmaschine
Das sei erwähnt, um darauf hinzuweisen, welchen Schwierigkeiten Zeugen im Allgemeinen und Laien im Besonderen begegnen. Da wäre das Gedächtnis, das auch bei jungen Menschen alles andere als eine objektive Aufzeichnungsmaschine ist. Da wäre der Stress, sich in einem Gerichtssaal wiederzufinden; sozusagen der Staatsmacht gegenüber, von Dutzenden Augenpaaren angestarrt.
Ist es also verwunderlich, wenn Mutter und Tochter R. bei ihren Aussagen am siebten und achten Verhandlungstag – am Dienstag und Mittwoch – immer wieder mal passten? In diesem Ausmaß ja, findet nun nicht mehr nur die Verteidigung von Sebastian T., sondern wohl auch das Gericht. Vorsitzende Heike Will und ihre Beisitzerinnen runzelten häufiger die Stirn.
Kann man so viel zu so ausgewählten Punkten vergessen? „In einem unplausibel auffälligen Maße oft“ hätten die Zeuginnen sich nichtsahnend gegeben, sagte Verteidiger Dr. Yves Georg hinterher.
Offenbar hatte das Ganze System. Das legen zumindest Textnachrichten nahe, die sich am achten Verhandlungstag auf dem Mobiltelefon von Zeugin Lea R. fanden. Die hatte ihr Mobiltelefon zwar im Auto liegen, wurde aber vom Gericht losgeschickt, das Gerät zu holen. Für einige Minuten zog sich das Gericht zurück. Was Richterin Will dann zu sagen hatte, erschüttert das Vertrauen in die Aussagen von Verena R., ihrer Schwester und ihrer Mutter.
In einer Nachricht gab die Mutter Angela R. ihren Töchtern offenbar Tipps, wie sie sich vor Gericht zu verhalten hätten. Sie sollten Erinnerungslücken vortäuschen, um sich nicht in Widersprüche zu verstricken. „Dass sie sich miteinander austauschen und sich Tipps geben, wie man am besten vor Gericht hier lügt, das zeigt natürlich ganz besonders, dass eine Aussage weniger wert ist als die andere“, sagte Georg.
Wird da noch mehr rauskommen? Möglich. Das Gericht wird die Nachrichten sichten. Und will auch die Mobiltelefone der Mutter und von Verena R. prüfen. Der Vorgang wiegt schwer. Verena R. hatte bei der Polizei ausgesagt, Sebastian T. habe ihr am Abend des 3. Oktober 2022 von einem Mord an einer jungen Frau in Aschau berichtet. Tatsächlich war Hanna Wörndl am selben Tag, gegen 2.30 Uhr morgens, zu Tode gekommen. Stimmt das? Dann hat Sebastian T. in diesem Gespräch eindeutig Täterwissen verraten. Auch andere Aussagen aus dem Kreis der drei Frauen belasteten T. schwer. So hatte unter anderem Angela R. ausgesagt, dass Sebastian T. bei einer „Haus-Party“ mit viel Alkohol unvermittelt etwas Seltsames gesagt habe. Ja, gut, dann sei er‘s halt gewesen, habe er gesagt.
Die Zweifel
sind eher gewachsen
Wenn man den Aussagen Vertrauen schenkt, wäre Sebastian T. nicht nur sträflich gut informiert gewesen, er hätte auch ein höchst auffälliges Verhalten gezeigt. Doch darf man den Aussagen Glauben schenken? Die Zweifel sind jedenfalls gewachsen. In wenigen Tagen, vielleicht schon bis morgen, Freitag, könnte die Auswertung von Leas Mobiltelefon abgeschlossen sein. Dann soll Verena R. als Zeugin aussagen – die junge Frau, die den dringenden Tatverdacht gegen Sebastian T. erst aufbrachte. „Für gewöhnlich kann so was lange dauern“, sagte Georg zu dem Vorhaben, das Handy von Lea R. zu prüfen. In einem solch dringenden Fall aber könne das auch in ein, zwei Wochen oder noch schneller geschehen.