Entscheidung im Rechtsstreit um Rodelunfall am vergangenen Silvester

von Redaktion

Kollision in Reit im Winkl mit schlimmen Folgen – Münchner schwer verletzt – Vergleich über 10000 Euro noch nicht rechtskräftig

Traunstein/Reit im Winkl – Nach einem Rodelunfall am Silvestertag 2024 in Reit im Winkl muss eine Frau aus Bochum einem älteren Herrn aus München ein Schmerzensgeld in Höhe von 10000 Euro plus dessen vorgerichtliche Anwaltskosten von nicht ganz 1000 Euro zahlen. Die Dritte Zivilkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Gerhard Bezzel konnte die Beteiligten zu diesem Vergleich führen. Ursprünglich hatte der Kläger 70000 Euro Schmerzensgeld und weiteres gefordert. Widersprechen die Rechtsschutzversicherungen der Parteien nicht binnen vier Wochen, wird der Vergleich rechtskräftig.

Der Unfall ereignete sich am 31. Dezember 2024 gegen 10.30 Uhr auf dem Rodelhang an der Tiroler Straße. Die Dame aus Bochum fuhr mit dem vier Jahre alten Kind einer Bekannten auf dem Schoß auf einem Tellerschlitten, eine Art „Rutscherl“ nach Worten Bezzels, den etwa 30 Meter hohen Hügel hinunter. Wie zwei Videos zu entnehmen war, war der Hang nicht steil und nicht lang, zudem oben als Rodelhang ausgeschildert. Etwa in der Mitte der Abfahrt drehte sich das Gefährt der Beklagten und fuhr rückwärts weiter. Unten am Rand des Hangs stand der Kläger, neben ihm ein Kinderanhänger. Die Ehefrau und zwei Enkel mussten mit ansehen, wie der Tellerschlitten gegen den Anhänger prallte, wobei Letzterer den Kläger umstieß. Der Mann blieb schwer verletzt liegen. Er hatte bei der Kollision eine Fraktur des achten Brustwirbels davon getragen und musste in einer Klinik in München operiert werden. Dabei wurde die Wirbelsäule mit einem Schaumsystem versteift. Zehn Tage blieb er im Krankenhaus. Weitere sechs Wochen litt der Kläger unter erheblichen Beschwerden.

All diese Fakten waren nach Vorsitzendem Richter Gerhard Bezzel unstreitig. Die Beklagte und ihr Anwalt Oskar Riedmeyer aus München bestritten hingegen weitere vorgebliche Folgen als nicht nachgewiesen: Bewegungseinschränkungen, dazu Depressionen, Panikattacken und Schlafstörungen. Auch den ursächlichen Zusammenhang des Unfalls mit einem Aufenthalt in einer Reha-Klinik im September 2025 erkenne die Beklagte nicht an, informierte Bezzel als Einzelrichter. Ganz unberechtigt seien diese Einwände der Beklagtenseite nicht, habe der Kläger doch schon vor dem Crash in Reit im Winkl gewisse gesundheitliche Einschränkungen gehabt, auch auf orthopädischem Gebiet. Der Vorsitzende Richter nannte Probleme an Wirbelsäule und Schulter sowie eine Rippenserienfraktur. Für psychische Beeinträchtigungen lägen dem Gericht aktuell keine Nachweise vor. Sollte das Gericht zu einer Haftung der Beklagten kommen, müsse der Kläger entsprechende Belege beibringen.

Gerhard Bezzel beleuchtete eine Reihe von Rechtsfragen. So stellte er in den Raum: „Haftet die Beklagte überhaupt für diesen Rodelunfall?“ Hier müssten zwei Pole diskutiert werden. Eine „Gefährdungshaftung“ wie bei Unfällen mit Tieren oder einem gefährlichen Fahrzeug komme nicht in Betracht, jedoch eine „Verschuldenshaftung“. Hierbei müsse der Kläger eine Schuld der Beklagten nachweisen. Das sei rechtlich „nicht so einfach, wie man zunächst meint“. Für Skipisten gebe es Verhaltensregeln, die aber in diesem Fall nicht herangezogen werden könnten. Schließlich seien Skier „ein lenkbares Sportgerät“. Ein Rodelteller sei laut Polizei nur „sehr eingeschränkt lenkbar“, wenn auch etwas besser als ein aufgeblasener Lkw-Reifen. Bei einer eventuellen Schuld sei zu hinterfragen: Darf man einen Teller benutzen? Darf die Beklagte starten? Hätte sie während der Fahrt etwas anders machen können oder müssen? Hätte das etwas geändert?

Komme das Gericht zu einer Schuld, sei die Frage eines „Mitverschuldens des Klägers“ zu prüfen – was wiederum die Beklagte beweisen müsste, fuhr der Vorsitzende Richter fort. Der Kläger sei unten am Hang gestanden, also in einem Bereich, in dem man damit rechnen müsse, dass von oben jemand kommt. Ob es Warnrufe gegeben habe, sei streitig. Die nächste rechtliche Frage sei: „Ist das Mitverschulden so hoch, dass die Beklagte nicht haftet? Das ist ein Abwägungsprozess.“ Außerdem sei der Kollisionspunkt nicht ganz klar. „Auch bei hundertprozentiger Haftung der Beklagten ist schwerlich in den Bereich eines Schmerzensgeldes von 70000 Euro zu kommen“, hob Bezzel weiter hervor. Das Gericht bewerte körperliche und psychische Beeinträchtigungen gleichermaßen hoch – „wenn sie nachweisbar sind“. Für eine Depression gebe es dann etwa 10000 Euro Schmerzensgeld. Für die unstreitigen körperlichen Folgen beim Kläger seien 5000 bis 10000 Euro üblich. In der Güteverhandlung brachten die Anwälte ihre Einwände vor. 5000 Euro hielt Klägeranwalt Christoph Bertram aus München für zu wenig angesichts acht Schrauben, einem Dauerschaden und eingeschränkter Beweglichkeit durch den Wirbelbruch.

Der Vorsitzende Richter gab zu bedenken: „Wenn wir den Prozess fortführen, bräuchten wir mehrere medizinische Gutachten und entsprechende Untersuchungen, medizinisch wie psychiatrisch. Das kann dauern.“ Bezzel riet dringlich zu einem Vergleich über 10000 Euro Schmerzensgeld. Damit sollten sämtliche Ansprüche des Klägers aus der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, ob materiell oder immateriell, abgegolten sein. Das akzeptierten die Beteiligten letztlich.

Monika Kretzmer-Diepold

Artikel 7 von 11