Verteidigung macht Ermittlern schwere Vorwürfe

von Redaktion

Fall Hanna „Viel Durcheinander“ im Prozess am Freitag – und eine der wichtigsten Zeugen verweigert die Aussage

Laufen/Aschau – Die zweite Verhandlung um den Tod von Hanna Wörndl soll Licht in die Tragödie von Aschau bringen. An Tag zehn, zum Abschluss der dritten Verhandlungswoche am Amtsgericht in Laufen, kann man lediglich feststellen: Das Gewicht der ehemals belastenden Aussagen schwindet und schwindet. Was sich am frühen Morgen des 3. Oktober 2022 in Aschau abspielte: Das wird sich so womöglich nie aufklären lassen.

Nun schweigt auch
noch Verena R. –
die erste Hauptzeugin

Da macht es eigentlich auch keinen Unterschied mehr, dass Zeugin Verena R., für den gestrigen Freitag geladen, die Aussage verweigert. Verena R., die Sebastian T. im Herbst 2022 überhaupt erst ins Visier der Ermittler gerückt hatte, beschließt also, zu schweigen. Ihr Beistand, der Rosenheimer Anwalt Andreas Leicher, sagte, dass seine Mandantin von ihrem Recht laut Strafprozessordnung Gebrauch macht. Paragraf 55 sieht vor, dass ein Zeuge die Aussage verweigern darf, wenn die Gefahr besteht, dass er sich selbst in Schwierigkeiten bringt.

Es ist fast beängstigend, wie rapide sich die Zeugen verschleißen. Wie schon für das Urteil der ersten Verhandlung zwischen Oktober 2023 und März 2024 spielte auch in Laufen ab 29. September 2025 zunächst der JVA-Zeuge M. eine prominente Rolle, obgleich vorab bereits durch ein Gutachten infrage gestellt. In seinen Aussagen verwickelte er sich jedoch in Widersprüche. Der Gutachter stellte dann auch in Laufen fest: Adrian M.s Aussage sei aus diversen Gründen nicht glaubhaft.

Wer belastete nunmehr Sebastian T. am stärksten? Die Aussage von Verena R. Ihr Bericht hatte Sebastian T. überhaupt erst dringend tatverdächtig gemacht. Allerdings gibt es auch an ihrer Aussage Zweifel. Sollte ihr Sebastian T. wirklich am frühen Abend des 3. Oktober 2022 berichtet haben, dass in Aschau ein Mord geschehen sei? Zu dieser Stunde hatten sich noch nicht einmal die Gerichtsmediziner auf ein Gewaltverbrechen festgelegt, es wusste außerhalb des Kreises der Ermittler niemand, dass in Aschau etwas passiert war. Ein solcher Bericht wäre also eindeutiges Täterwissen.

Allerdings soll dieses Gespräch auf dem Parkplatz nahe dem Club „Eiskeller“ in Aschau stattgefunden haben. Die Geodaten ihres Mobiltelefons zeigen, dass sich Verena am 3. Oktober zunächst bei einem Tischtennisspiel in Felden befand. Um 18.50 Uhr loggte sich ihr Handy in eine Funkzelle in Aschau ein. Was das bedeutet, ist nicht ganz klar. Könnten sich Sebastian T. und Verena R. um diese Zeit herum unterhalten haben?

Über Whatsapp teilte jedoch Verena R. zwei Tage später Vater, Mutter, Schwester und einem Freund mit, dass sie sich im Tag vertan habe. Das Gespräch mit Sebastian T. habe erst am 4. stattgefunden, sagt sie. Ein Tag danach war das Wissen um Hannas Tod nachweislich nicht mehr einem Täter vorbehalten. Allerdings – in einer zweiten Vernehmung sprach Verena R. offenbar erneut vom 3. Oktober. Was denn nun?

Da kommt Verenas Schwester Lea ins Spiel. Sie liefert, Stand Tag zehn, die auffälligste Aussage: Sebastian T. habe tatsächlich zu verdächtig früher Zeit von einem Mord in Aschau berichtet. Also am 3. Oktober. Nur nicht in Aschau, sondern nicht weit weg vom Chiemsee. Dort hatten sie, Verena, zwei Freunde und auch Sebastian T. Tischtennis gespielt. Und zwar auf dem Gelände des Freibads bei Felden. Als sie auf dem Weg zurück zum Fahrzeug waren, habe Sebastian T. erzählt, dass es einen Mord in Aschau gegeben habe, und dass dabei eine Frau getötet worden sei. Alle hätten das mitbekommen.

Wem ist nun zu glauben? Ist überhaupt jemandem zu glauben, der etwas über ein belastendes Gespräch mit Sebastian T. ausgesagt hat? Verlieren nach der Aussage des JVA-Zeugen Adrian M. auch die Worte von Verena und Lea ihren Wert? Die Verteidigung nimmt genau das an. Und ging sofort in den Angriff gegen die Rosenheimer Polizei über. „Da schmort einer hinter schwedischen Gardinen“, schimpfte Rechtsanwalt Dr. Yves Georg. Und das nur auf der Grundlage einer einzigen Zeugin. Die Polizei wisse, dass die belastenden Aussagen widersprüchlich seien, „und es ist ihr wurscht“.

„Es war schon so, dass hier viel Durcheinander war. Es war aber schon auch so, dass sie immer wieder den 3. Oktober thematisiert hat“, sagte der leitende Ermittlungsbeamte an Tag zehn über die Schilderungen, die Verena R. zum Besten gab. Aber wäre es nicht Zeit gewesen, die Zeugin auch mal auf eine Version festzunageln? Wusste manchmal die rechte Hand nicht, was die linke tut?

„Es war uns allen
nicht immer klar, was wann genau passiert ist“

Nicht auszuschließen, bei der Soko „Club“ mit bis zu 60 Ermittlern, mit Hunderten von Zeugen und weit über 1000 Vernehmungen. „Es war uns allen nicht immer klar, was wann genau passiert ist“, sagte der Polizeibeamte noch.

Ja, Widersprüche seien da gewesen, sagte eine andere Zeugin von der Polizei. Aber da sei so viel anderes gewesen, was den Verdächtigen belastet habe. Es wird sich noch zeigen müssen, was von diesem „anderen“ übrig ist. Die Zeugin jedenfalls wird man nicht mehr hören. Der Prozess wird am 12. November fortgesetzt.

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