Chieming – Seit Sommer 2023 nimmt die Sternstunden-Mattisburg traumatisierte Kinder im Grundschulalter in ihre heilpädagogische Wohngruppen auf – Kinder, die mit einem schweren, „unsichtbaren Koffer“ aus Gewalterfahrungen, Misshandlung, Missbrauch oder massiver Vernachlässigung ankommen.
Die Aufgabe des Teams der Sternstunden-Mattisburg besteht darin, diesen übervollen Koffer Schritt für Schritt zu entlasten: durch professionelle pädagogische Begleitung, traumatherapeutische Ansätze und verlässliche Beziehung. Parallel wird – sinnbildlich – ein neuer Zukunftskoffer gepackt: mit Schutz, Vertrauen, Struktur, Stabilität und Fähigkeiten, die den Kindern ermöglichen, ihr weiteres Leben sicherer und zuversichtlicher zu gestalten.
Die Zeit ist ein
entscheidender Faktor
Ein weiterer zentraler Baustein befindet sich im Aufbau: die „Schule mit Zeit“. Diese Schule wird sowohl internen als auch extern beschulten Kindern den entscheidenden Faktor schenken, der ihnen zuvor verwehrt blieb – Zeit. Zeit, um Lernrückstände aufzuholen, Zeit, um Bildung überhaupt zugänglich zu machen, Zeit, um Lernerfolg wieder möglich zu machen.
Doch ohne Spenden können viele der für diese Kinder so wirksamen Zusatztherapien – etwa Reit- oder Musiktherapie – nicht finanziert werden. „In allen Mattisburgen in Deutschland haben wir in der Vergangenheit Gruppen unter massivem Finanzdruck eröffnet“, so Gründerin der Stiftung „Ein Platz für Kinder“ (epfk) Johanna Ruoff. „Mit dem Ergebnis, dass Teams ohne Einarbeitung starten mussten und bereits am nächsten Tag Kinder einzogen. Das war fachlich riskant und ist mehrfach gescheitert. Diesen Fehler wollen wir am Chiemsee nicht wiederholen.“
Um die nächste Wohngruppe stabil und qualitätsgesichert aufbauen zu können, werden aktuell 50000 Euro an Spenden benötigt. Am Samstag, 22. November, findet im Hotel Gut Ising am Chiemsee eine festliche Charity-Gala statt, um dieses Ziel zu unterstützen. Die gesamten Erlöse des Abends fließen unmittelbar in die Arbeit der Sternstunden-Mattisburg am Chiemsee. Ein Gespräch mit der Stifterin Johanna Ruoff und dem Generaldirektor des Hotels, Christoph Leinberger.
Herr Leinberger, seit 15 Jahren leiten Sie das familiengeführte Hotel. Bei den Schlummer-Atlas-Awards sind Sie heuer unter die Top 50 der Privathoteliers in Deutschland gewählt worden. Sie werben mit Wellness, Genuss und Kulinarik. Sie bieten Reitturniere und -kurse an. Ihr Haus hat Erfahrung im Ausrichten von Spendengalas, Sie haben sich ja bereits für Unicef und Krebskranke engagiert. Was reizt Sie, eine Spendengala für traumatisierte Kinder, die Gewalt, extreme Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch erdulden mussten, auszurichten?
Leinberger: Ich habe selbst drei Kinder. Von daher weiß ich, dass Erziehen manchmal sehr aufreibend, aber auch bereichernd sein kann. Schon während meiner Zeit in Südafrika (Christoph Leinberger war vor seiner Tätigkeit im Hotel Gut Ising in Südafrika tätig (Anm. der Red.), durfte ich für die Nelson Mandela Foundation Charity-Erfahrung sammeln. Und dieses Engagement wollte und will ich auch hier fortsetzen. Und da ich Johanna Ruoff schon lange kenne und wir schon 2023 eine Lesung mit Andrea Sawatzki, eine Botschafterin der epfk-Stiftung, bei uns ausrichten durften, will ich mich zusammen mit meinem Team einsetzen, die Mattisburg zu unterstützen. Kinder sind die Schwächsten unserer Gesellschaft, Kinder brauchen ein Zuhause, das ihnen die Mattisburg zumindest auf Zeit bieten kann.
Im Jahr 2022 bedurften rund 67000 Kinder der staatlichen Inobhutnahme. Das therapeutische Internat Mattisburg ist auf vier Wohngemeinschaften ausgerichtet, bietet Platz für insgesamt bis zu 24 Buben und Mädchen aus der Kinder- und Jugendhilfe im Alter zwischen fünf und elf Jahren. Die Zuweisung erfolgt über die Jugendämter. Die Mattisburg ist ein Zuhause auf Zeit, ein Ort der Geborgenheit und des Neuanfangs. Was muss sich in der Gesellschaft ändern, damit es – so schön die Mattisburg auch ist und so liebevoll die Kinder dort betreut werden – solche Einrichtungen nicht mehr braucht?
Ruoff: Im Gegenteil, wir brauchen viel mehr solcher Einrichtungen. Seit dem Sommer 2023 habe ich über 200 E-Mails mit Platzanfragen bekommen, das muss man sich mal vorstellen. Man muss an die Politiker appellieren, dass sich etwas ändern muss.
Es geht um Kinder, bei denen der dringende Tatverdacht auf Missbrauch, Vernachlässigung oder Misshandlung besteht. Man kann doch ein solches Kind nicht einfach von Einrichtung zu Einrichtung weiterreichen. Den Jugendämtern fehlt es an Geldern, aber wer will, wer kann diese Kinder auffangen?
Derzeit haben wir eine Gruppe von sechs Kindern, im Februar kommt eine weitere Gruppe hinzu und im Herbst noch eine dritte. Einen höheren Personalschlüssel können wir nur mit Spendengeldern finanzieren.
Kindern durch Bildung ein selbstbestimmtes Leben zu sichern, kann und wird sicher jeder unterschreiben. Auch, dass Spenden Kindern Zugang zu Bildung ermöglichen und damit eine Perspektive geben können. Die Kinder der Mattisburg aber haben schon so viel mehr hinter sich. Provokativ gefragt: Sind Spenden da nicht nur ein Tropfen auf dem heißen Stein?
Leinberger: Man kann mit Spenden so viel ausrichten. Und wenn es viele Tropfen sind, dann wird es ein See.
Ruoff: Ein schöner Satz, dem ich aus vollem Herzen zustimmen kann. Mit den Spenden können wir es den uns anvertrauten Kindern gutgehen lassen. Aber wir wertschätzen damit auch die Arbeit unseres Personals, dessen aufopferungsvolle Tätigkeit ich gar nicht hoch genug loben kann.
Es geht nicht um die Höhe der Spenden. Der Abend soll ein Türöffner sein. Ich würde gern erreichen, dass ich jährlich mit einer festen Größe an Spenden rechnen kann. Es geht nicht um die Höhe der Spenden. Aber eine Verlässlichkeit an festen Beiträgen würde unsere Arbeit in der Matttisburg sehr viel leichter machen.
Vor zwei Jahren haben Sie einen Benefiz-Abend für die Mattisburg mit Andrea Sawatzki ausgerichtet. Für die diesjährige Spendengala werben Sie auf der Homepage mit Aperitif, Vier-Gang-Menü, Weinbegleitung, interessanten Beiträgen und besonderen Verlosungen. Wollen Sie uns ein bisschen mehr Details vorab verraten?
Leinberger: Nur soviel, wir haben für die Verlosung verschiedenste Preise aus der Region erhalten. Noch einmal, es geht um Kinder, denen wir mit den Spenden ein würdevolles Leben in einem liebevollen und geschützten Umfeld voller Geborgenheit ermöglichen können. Und das sollte ein solcher Abend wert sein.
Ruoff: Das Hotel Gut Ising überlässt uns quasi das Hotel, das ist schon Geschenk an sich. Unsere Stiftung epfk gibt es seit 20 Jahren, aber dieses Jubiläum darf und wird nicht im Mittelpunkt stehen. Es geht um die Kinder der Mattisburg in Mitterndorf.
Ilse Aigner, Landtagspräsidentin und Schirmherrin des Therapeutischen Internats Sternstunden-Mattisburg, hat unser Projekt von Anfang an begleitet. Bei der Eröffnung hat sie gesagt: „Leider hat nicht jedes Kind einen guten Start ins Leben.“ Deshalb sei es um so wichtiger, dass am Chiemsee ein Internat geschaffen wurde, das Schulbildung und Therapie miteinander verbindet und diesen Kindern ein Heim gibt. Und dafür braucht es Ihre Unterstützung.
Elisabeth Kirchner