Nachlassgericht verhindert „Erbe“

von Redaktion

Aus dem 19-Millionen-Euro-Nachlass wurde nichts – 66-Jähriger in Traunstein verurteilt

Traunstein/Prien – Ein dreister Versuch, ein „Erbe“ über mehr als 19,5 Millionen Euro mittels eines gefälschten Testaments einzustreichen, scheiterte an aufmerksamen Mitarbeitern des Nachlassgerichts am Amtsgericht Rosenheim. Die zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler verurteilte einen letztlich doch teilgeständigen 66-jährigen Rentner wegen Urkundenfälschung, versuchten Betrugs und „versuchter mittelbarer Falschbeurkundung“ am Montag zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung.

Angeklagter mit desolaten
finanziellen Verhältnissen

Angesichts der desolaten finanziellen Verhältnisse mit 410 Euro Rente verzichtete das Gericht auf eine Geldauflage, ob seiner angeschlagenen Gesundheit auf eine Arbeitsauflage. Der Angeklagte war langjähriger Mieter des am 29. März 2023 mit 80 Jahren verstorbenen Erblassers. Dieser hinterließ kein Testament, hatte zwar eine Tochter, aber über viele Jahre keine Verbindung zu ihr. Erst spät lernten sich der Vater und die inzwischen 44-Jährige, die ein Kind hat, kennen.

Verstorbener mit enormen
Vermögenswerten

Der 80-Jährige lebte in äußerst bescheidenen Verhältnissen, wie Zeugen schilderten, besaß jedoch enorme Vermögenswerte, insbesondere in Form von Immobilien sowie von Bank- und Wertpapierguthaben im Gesamtwert von 19,56 Millionen Euro.

Mutmaßlich am 4. Dezember 2022 verfasste der Angeklagte gemäß Staatsanwältin Kathrin Kreidl ein Testament, in dem er sich als Alleinerben des 80-Jährigen einsetzte. Dabei ging es ihm um den Eindruck, der alte Herr, zuletzt in Prien wohnend, habe den „letzten Willen“ samt Unterschrift persönlich geschrieben. Nach dessen Tod legte der Rentner das Testament am 19. Juli 2023 dem Nachlassgericht vor und beantragte einen Erbschein. Bei der Prüfung des Schriftstücks ergaben sich Zweifel, zum Beispiel wegen vieler Rechtschreibfehler. Ein Schriftsachverständiger hielt das Dokument „höchstwahrscheinlich nicht für echt“. Alles wirke „wie nachgemacht“, so der Gutachter im Zeugenstand. Das Nachlassgericht stellte dem Angeklagten damals keinen Erbschein aus und gelangte im März 2025 zu der Entscheidung, die Tochter des Erblassers beerbe den Verstorbenen. Der alte Herr stammte aus einer begüterten bäuerlichen Familie, hatte viele Vermögenswerte geerbt, in München gearbeitet und Mieteinnahmen aus seinen Immobilien kassiert. Mehrere Zeugen beschrieben das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter als ziemlich schlecht – im Gegensatz zum Angeklagten. Er bezeichnete den 80-Jährigen zwar als „geizig“, als „schwierigen Menschen“ und „Menschenhasser“. Sie hätten sich im Lauf von 37 Jahren jedoch „angefreundet“. Er habe viel umsonst für ihn gearbeitet. Der Vermieter habe gesundheitliche Probleme bekommen und sollte am 12. Dezember 2022 eine neue Hüfte erhalten. Kurz vorher sei er „in Panik geraten“ wegen seines Nachlasses. Erst habe der 80-Jährige alles seinem Enkel vererben, nach einem Zerwürfnis seine Tochter und deren Sohn als Erben ausschließen wollen. Dann habe der Vermieter ihm, dem Angeklagten, sein Vermögen anvertrauen wollen.

„Scheibunterricht“ für
ein besseres Schriftbild

Als der Senior Probleme beim Aufsetzen des Testaments hatte, habe er ihm Schreib- und Rechtschreibunterricht erteilt – um das Schriftbild zu verbessern, behauptete der 66-Jährige. Nach zwölf Entwürfen sei er gebeten worden, den Text zu schreiben. Der 80-Jährige habe danach persönlich unterzeichnet. Dabei blieb der Angeklagte in dem Prozess mit vielen Zeugen, die seinen Darstellungen zumeist widersprachen.

Die Familie des 66-Jährigen lebte in ärmlichsten Verhältnissen – in einer Wohnung mit Plumpsklo und ohne fließendes Wasser. Eine Zimmererlehre schloss er nicht ab, in einer selbstständigen Tätigkeit scheiterte er und „wurstelte“ sich nach einem Unfall dann als Lkw-Fahrer „irgendwie durch“. Er lebte vor der Rente von Arbeitslosen- und von Bürgergeld. Vorsitzender Richter Volker Ziegler zeigte sich überrascht von einer monatlichen Tilgung von 50 Euro für 70000 Euro Schulden: „Da sind Sie ja in 1000 Monaten schon schuldenfrei.“

Staatsanwältin Kathrin Kreidl sah den Sachverhalt der Anklage bestätigt. Sie habe „nur selten so abwegige Behauptungen“ gehört wie vom Angeklagten. Ein „besonders schwerer Fall“ der Urkundenfälschung liege vor. Die hohe Schadenssumme suche ihresgleichen. Eine Haftstrafe von sechs Jahren zehn Monaten sei angemessen. Auf maximal zwei Jahre mit Bewährung plädierte Verteidiger Michael Vogel aus Traunstein. Sein nicht vorbestrafter Mandant sei „dilettantisch und dumm vorgegangen“, sei fünf Monate in Untersuchungshaft gesessen. Über die Zeit im Gefängnis lamentierte der 66-Jährige im „letzten Wort“: „Ich habe meine Lektion gelernt.“

Richter Ziegler
erteilt ein Redeverbot

„Sie sind gerade nochmal davongekommen“, stellte der Vorsitzende Richter im Urteil fest. Der 66-Jährige fiel Ziegler ins Wort und erntete: „Sie sind jetzt ruhig.“ Die Kammer habe „kein Wort der Geschichte geglaubt“: „Alles war gelogen.“ Vor dem Gefängnis bewahrte den Rentner die fünfmonatige Untersuchungshaft und dass kein Schaden eingetreten sei. Der 80-Jährige sei „ein gewiefter Geschäftsmann“ gewesen. Die Kammer halte es „für ausgeschlossen, dass er den Angeklagten als geborenen Nachfolger betrachtet hat“. Die Schuld eines Täters werde maßgeblich bestimmt von dem, was sich dieser als Ergebnis vorgestellt habe. Die Staatsanwältin habe 15 Millionen Euro zugrunde gelegt. Jedoch hätte die Tochter einen Pflichtteil bekommen müssen. Weiter hätte das Finanzamt bei einem außenstehenden Erben „mit der höchsten Steuerklasse zugeschlagen“. Der 66-Jährige habe „keine genaue Vorstellung über die Vermögenswerte“ gehabt, hob der Vorsitzende Richter hervor.

Bewährung aufgrund
positiver Prognose

Bewährung sei angesichts einer positiven Prognose möglich. Der Angeklagte werde sich wohl alles zur Lehre gedeihen lassen. Volker Ziegler warnte vor Straftaten jeglicher Art: „Sonst kann die Bewährung widerrufen werden. Das Gericht wird ein strenges Auge auf Sie haben.“

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