Demokratie – ein Auslaufmodell oder zukunftsversprechend?

von Redaktion

Politikwissenschaftler Dr. Michael Weigl bei der Dekanatsratsvollversammlung in Ramerberg

Ramerberg – „Ist unsere Demokratie in Gefahr? Auslaufmodell oder zukunftsversprechend?“ war das Thema der Dekanatsratsvollversammlung der Dekanate Bad Aibling und Wasserburg im Pfarrheim in Ramerberg. Die Dekanatsratsvorsitzende des Dekanates Wasserburg, Rosmarie Stübl, begrüßte die Delegierten und den Referenten Dr. Michael Weigl.

Dr. Michael Weigl lehrt am Lehrstuhl für Politikwissenschaften an der Universität Passau. Seine Eingangsfrage lautete: „Wie kann es sein, dass die Demokratie immer mehr an Strahlkraft verliert?“.In den 70er- und 80er-Jahren sind vor allem in Lateinamerika viele Staaten demokratisch geworden.

Anfang der 1990er-Jahre schien der Kommunismus von der Demokratie besiegt worden zu sein. Eigentlich demokratische Staaten werden jetzt wieder autoritärer, wie die Türkei, Ungarn und die USA. Daraus folgt die Erkenntnis, dass sich auch starke Demokratien wieder zurückentwickeln können. Heute leben 72 Prozent der Menschheit in Demokratien. Doch es gebe den Trend, dass Staaten immer autokratischer werden. Der Populismus per se ist autokratisch, populistische Parteien sind häufig in Regierungsbeteiligung. In erster Linie seien es Machthaber, die demokratisch gewählt sind. Der Prozess gehe, so Dr. Weigl, von innen, von der Demokratie heraus. Demokratische Systeme seien heute scheinbar weniger widerstandsfähig. Warum sind Demokratien heute weniger stabil als in früheren Jahren? Was bedeutet Demokratie für die Menschen? Die Bürgernähe werde, so Dr. Weigl weiter, vermisst. Sonderinteressen würden verfolgt. Es gebe einen dramatischen Vertrauensverlust in die Organisationen. Aktuell vertrauten neun Prozent der Bevölkerung den Parteien. Was sind die Variablen, die es braucht, damit die Menschen zufrieden sind mit der Demokratie? Die Idee der Demokratie hat 70 bis 80 Prozent Zustimmung. Entscheidend ist das Gefühl, ernst genommen zu werden und das Gefühl, dass gute Politik gemacht wird. Es müssen Ergebnisse da sein, die zu etwas führen. Diese Punkte führen wesentlich zur Demokratiezufriedenheit. Bei Umfragen ist nicht mehr der Wertekonsens da. Die größten Probleme haben große Demokratien – ab zehn Millionen Einwohnern.

Dr. Weigl: „Deutschland steht noch relativ gut da. Wenn ich will, dass sich was ändert, muss ich an die Ränder und nicht in die Mitte gehen. Wirtschaft und Konfession sind die wichtigsten Variablen für Demokratiezufriedenheit. Die Idee der Demokratie wird sehr gut bewertet, aber die demokratischen Prinzipien verlieren massiv an Unterstützung.“

Was kann man dagegen machen? Man bräuchte mehr Sinnstifter, mehr Werteorientierung, mehr Interesse für Politik und eine stärkere Unterstützung der Parteien. „Demokratie ist kein Auslaufmodell, aber sie müsse sich ändern. Der Referent: „Demokratie ist eine anspruchsvolle Herrschaftsform, die die Menschen in die Pflicht nimmt.“ Es fehle der Durchschlagserfolg, ist das Fazit von Michael Weigl. Kirche sei die stärkste Variable für die Demokratiezufriedenheit. Die zweite Variable sei die Wirtschaft. „Wir kommen in Deutschland weg von immer mehr Bürgerbeteiligung. Unser System ist auf Dialog aufgebaut. Konsensdemokratien funktionieren besser als Mehrheitsdemokratien.“ Presse und Kommunikation würden in Mehrheitsdemokratien eingeschränkt werden, mahnte Weigl.

Im zweiten Teil der Versammlung stellte Landkreisdekan Thomas Schlichting das neue Dekanatsmodell mit Schwerpunkt Ehrenamt vor.

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