Einblicke in die Arbeit des K6

von Redaktion

Ob Millionenbetrüger oder Gewalttäter. Beide haben etwas gemeinsam: Ihnen blühen hohe Haftstrafen, weshalb sie oft versuchen, unterzutauchen. Doch da haben sie die Rechnung nicht mit dem K6 in Rosenheim gemacht. Ein Einblick in ein Kommissariat, das Menschen findet, die nicht gefunden werden wollen.

Rosenheim – Sei es nun das versuchte Tötungsdelikt Ende September 2025 in Altötting, der Mord in Raubling 2024 – inklusive einer Festnahme bei Neapel – oder doch ein Reichsbürger, der Behörden und Gerichte nicht für voll nimmt und sich aus dem Staub macht. So unterschiedlich all diese Fälle auch sind, sie alle haben etwas gemeinsam. Die Verdächtigen konnten gefunden, festgenommen und vor Gericht gebracht werden. Dass das in all den genannten Fällen aus der Region so schnell ging, ist einer Gruppe aus speziellen Einsatzkräften der Kriminalpolizei Rosenheim zu verdanken.

Andreas Maier und Raphael Schmidt sind zwei dieser Einsatzkräfte. Sie arbeiten für das Kommissariat 6 (K6), das 2020 in Rosenheim eingeführt wurde. Eigentlich heißen die beiden anders. Wie ihre echten Namen lauten, darf nicht öffentlich bekannt werden. Genauso wenig wie sie aussehen – und eigentlich auch, wie ihre Arbeit aussieht. Denn all diese Informationen könnten den Menschen, die sie aufspüren wollen, eine Hilfe sein. Trotzdem geben sie dem OVB einen exklusiven Einblick in ihre Arbeit – soweit möglich.

„Lokalisieren,
identifizieren, festnehmen“

Maier und Schmidt suchen die Menschen, die in der Regel nicht gefunden werden wollen. Ob nun Serienbankräuber, die immer wieder an neuen Orten zuschlagen, oder Gewalttäter, die sich direkt nach der Tat auf die Flucht begeben. Lange unbeobachtet bleiben die wenigsten. „Wir haben eine ziemlich hohe Erfolgsquote“, sagt der Leiter des K6, der ebenfalls beim Interview vor Ort ist. Dabei arbeiten die Beamten des K6 anders als die klassischen Streifenbeamten, die auch tagtäglich fahnden. „Lokalisieren, identifizieren, festnehmen.“ Das sind die drei Bausteine der Arbeit der K6-Beamten. Sobald Maier, Schmidt und ihre Kollegen einen „Auftrag“ inklusive deutschem oder europäischem Haftbefehl erhalten, wird die Fahndung gestartet. Wie diese Maßnahmen genau aussehen, dazu können die beiden selbstverständlich nichts sagen. Denn das würde den Tätern in die Hände spielen.

K6 kennt Verdächtige so
gut wie sonst niemand

Was sie aber deutlich machen: Früher oder später wissen sie sehr viel über ihre Zielperson. Sie recherchieren dabei nicht nur den Lebenslauf, sondern auch Gewohnheiten und Verhaltensweisen. „Oft kennt nicht einmal der Ehepartner oder der beste Freund die Person am Ende so gut wie wir“, ergänzt Schmidt.

Während manche Tatverdächtige sich die moderne Technik zunutze machen, machen andere damit Fehler. Aus all den gesammelten Informationen spinnen die Beamten ein Netz, in das der Tatverdächtige „irgendwann hineinfällt“. Sie sammeln Informationen, werten aus, machen sich ein Bild und – besonders wichtig – besprechen alles im Team. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle auf demselben Stand sind. Denn es suchen immer alle zur gleichen Zeit nach derselben Person. Aber nicht nur der Austausch untereinander ist beim K6 besonders wichtig. Die Polizisten arbeiten auch eng mit der Staatsanwaltschaft, den Gerichten und anderen Behörden zusammen.

Dabei ist aber auch zu betonen, dass sie sich nur um die „hochwertigen“ Delikte kümmern. Also um diejenigen Personen, gegen die ein Haftbefehl vorliegt und die vor Gericht gebracht werden sollen. Darunter fallen neben brutalen Gewaltdelikten beispielsweise auch Betrugsdelikte mit hohen Schadenssummen. So hat das Team des K6 unter anderem zwei Betrüger aus dem Raum Rosenheim aufgespürt, die mit einer Wohnmobil-Betrugsmasche etliche Menschen um ihr lange erspartes Geld gebracht haben.

Eines haben die Gesuchten – ob nun manipulativ oder brutal – alle gemeinsam: Sie erwartet im Falle einer Verurteilung eine hohe Haftstrafe. Genau deshalb versuchen die Verdächtigen in der Regel, es den Beamten schwer zu machen. „Manche Täter sind hochkonspirativ“, erzählt Schmidt. „Man darf aber auch nicht vergessen, dass sie unter massivem Stress stehen. Und da passieren Fehler.“ Manche legen sich neue Identitäten zu. Maier und Schmidt berichten von einem Fall, in dem der Täter über seine Fluchtzeit hinweg um die 20 verschiedenen Identitäten angesammelt hatte. Der eine oder andere fühle sich sogar ganz wohl auf der Flucht, haben die Beamten beobachtet. Dennoch sei den „Zielpersonen“ anzumerken, dass sie unter Stress stehen. „Die führen kein normales Leben mehr“, so Schmidt.

Doch auch wenn es manchmal lange dauert: Die Fälle werden nicht ad acta gelegt, wenn die Personen sich beispielsweise ins Ausland abgesetzt haben. „Unsere Netzwerke sind sehr viel wert“, sagt der Leiter des K6. So konnte sogar schon ein Betrüger aus dem Landkreis aufgespürt werden, der sich nach China abgesetzt hatte. Mit einer Betrugsmasche hatte er für Millionenschäden gesorgt. In China entzog man ihm in Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft letztlich die Aufenthaltsgenehmigung. Somit musste er in die EU zurückkehren, wo die Beamten „zufällig“ schon auf ihn warteten. „Der lange Arm des K6 reicht auch bis nach China“, sagt der Kommissariatsleiter.

Zugriff mit größtem
Überraschungsmoment

Mit dem Aufspüren der Person ist es allerdings nicht getan. Schließlich muss der Tatverdächtige auch festgenommen werden. Bei hochkriminellen Menschen nicht gerade ungefährlich. Doch die Beamten haben ein paar entscheidende Vorteile: Sie können zugreifen, wenn der Täter am wenigsten damit rechnet – und am wenigsten Möglichkeiten hat, sich zu wehren. Und sie können sich bestmöglich vorbereiten.

Bei den „Zielpersonen“ sieht das anders aus. Bei ihnen ist die Überraschung oftmals groß, wenn die Beamten zugreifen.

Auf Diskussionen, etwa von Reichsbürgern, die weder Polizei noch Gericht anerkennen, lassen sich die Beamten in dieser Situation gar nicht ein. „Wir geben ihnen gar keinen Spielraum zu reagieren“, sagt Schmidt. Und auch körperlich dürften die groß gewachsenen, gut trainierten Männer einigen Tatverdächtigen überlegen sein. Dennoch: „Man muss grundsätzlich mit allem rechnen“, macht Maier klar. „Das bringt unsere Klientel mit sich.“ Und je höher die zu erwartende Strafe ist, desto größer wird auch der Fluchtanreiz. Manche springen auf Dächer, andere aus dem Fenster. „Einer ist sogar mal aus Panik im Winter nackt aus dem Fenster gesprungen“, erzählt Maier. Doch es gibt sogar noch absurdere Reaktionen: „Manche sagen uns auch, wie erleichtert sie sind, wenn wir sie haben“, berichtet Schmidt. Dann falle plötzlich der psychische Druck ab, der mitunter seit Jahren auf den Tatverdächtigen lastete.

Erleichterung, wenn die
Zielperson gefasst ist

Druck fällt nicht nur bei dem einen oder anderen Täter ab, wenn er erwischt wird. Auch bei den Beamten macht sich dann Erleichterung breit. „Man lädt sich immer mehr Infos zur Person in den Rucksack“, beschreibt Maier metaphorisch. „Wenn man den dann abnehmen kann, ist das wirklich erleichternd.“ Das ist wenig verwunderlich. Denn die Arbeit fordert die Beamten enorm – und strapaziert mitunter auch das Privatleben. „Man nimmt schon viel zum Grübeln mit heim“, sagt Maier. „Und manchmal muss man auch spontan los. Zum Beispiel dann, wenn die Schwiegereltern zu Besuch sind – da ist man vielleicht sogar froh drum“, ergänzt Schmidt scherzend und lacht.

Die Arbeit beim K6 verlangt den Beamten viel ab. „Wir stehen mit der Person auf und gehen mit ihr ins Bett“, beschreibt Schmidt die Situation – natürlich sinnbildlich. Doch genau das ist es, was den Fahndern an ihrem Job auch so gefällt. Man „begleitet“ eine Person bis zur Festnahme und ist letztlich stolz, wenn der Rechtsfrieden in gewissem Maße wiederhergestellt wurde.

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