Bernau/Traunstein – Das Leben meinte es nicht gut mit einem 42-Jährigen aus Sachsen. Er durchlebte eine schwere Kindheit, nahm viele Jahre die verschiedensten Drogen, landete vielfach in geschlossenen Therapien und auch im Gefängnis.
Wegen jüngster Vorfälle in Traunstein, Bernau und München stand vergangene Woche im Sicherungsverfahren der Sechsten Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Jaqueline Aßbichler eine weitere Unterbringung im Raum. Dazu wird es aber wohl nicht mehr kommen.
Strafkammer entlässt
sämtliche Zeugen
Das Landgericht Chemnitz hatte in der letzten Woche bereits wegen anderer Vorwürfe auf eine forensische Unterbringung des schuldunfähigen Mannes in einer psychiatrischen Fachklinik erkannt. Die Vorsitzende Richterin erklärte: „Die Unterbringung kann nur einmal angeordnet werden, nicht mehrmals.“ Das Chemnitzer Urteil sei jedoch derzeit noch nicht rechtskräftig. Die Berufungsfrist laufe erst ab. Das komplizierte juristische Verfahren soll am 18. November endgültig abgeschlossen werden.
Zunächst war offen, ob die Entscheidung des Amtsgerichts Chemnitz rechtskräftig wird oder nicht. Verteidiger Michael Vogel aus Traunstein gelang es, Kontakt zu seinem Kollegen in Sachsen aufzunehmen. Dieser erklärte, er habe keinen Auftrag vom Beschuldigten erhalten, das Urteil anzufechten. Der 42-Jährige bestätigte das.
Das bedeutet gleichzeitig: Die Straftaten aus sogar zwei dem 42-Jährigen zur Last gelegten Antragsschriften von Staatsanwältin Marion Aicher mit einem Gesamtschaden von um die 10000 Euro werden nicht mehr in Traunstein verhandelt. Angesichts dieser Entwicklung entließ die Sechste Strafkammer sämtliche Zeugen. Niemand musste mehr aussagen zu Vorfällen im Jahr 2024 – zu einem Tabakdiebstahl in einem Supermarkt, dem Diebstahl einer Geldbörse in einem Gasthof sowie eines weiteren in einer Spielothek, alles in Traunstein.
JVA-Mitarbeitern
„Blutbad“ angedroht
Auch Bedienstete der Justizvollzugsanstalt Bernau mussten nicht mehr berichten über angebliche schadensträchtige Sachbeschädigungen in mehreren Hafträumen oder grobe Beleidigungen einschließlich Androhung eines „Blutbads“.
Die zweite Antragsschrift enthielt vor allem Sachbeschädigungen in München. Drei mutmaßliche Fausthiebe auf eine Motorhaube verursachten einen Schaden von mehr als 2000 Euro. Das Einschlagen einer Front- und einer Seitenscheibe an einem Pkw auf der Leopoldstraße zog laut Staatsanwältin Reparaturkosten von 5000 Euro nach sich. Als der Fahrer den Beschuldigten verfolgte, soll dieser nahe eines Lokals einen Stuhl nach dem Geschädigten geworfen haben. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Damals rückte die Polizei an. Die Beamten sollten grob beschimpft und beleidigt worden sein. Auf der Fahrt zur Dienststelle soll der 42-Jährige gedroht haben, seinen Begleitern „die Knochen zu zertrümmern“. Er werde sich alle Gesichter merken – um die Polizisten „zu töten“. In der Haftzelle verfehlte eine Spuckattacke ihr Ziel.
Nach Aßbichlers Worten steht der Beschuldigte mit elf Vorstrafen im Osten und im Westen Deutschlands bis ins Jahr 2029 unter Führungsaufsicht.
Zum Leben des Mannes aus Sachsen schilderte der psychiatrische Sachverständige, Oberarzt Dr. Josef Eberl vom Bezirksklinikum in Gabersee. Der 42-Jährige habe seinen Vater nie kennengelernt. Die Mutter sei durch Alkohol und Drogen überfordert gewesen.
Im Heim mit Konsum
von Drogen begonnen
Mit vier Jahren sei der Junge in ein Kinderheim gekommen und zur Adoption frei gegeben worden. Niemand habe den Buben haben wollen. Nach kurzer Zeit bei Pflegeeltern habe er zwischen dem 14. und dem 17. Lebensjahr in einem Heim für schwererziehbare Kinder gelebt und dort mit dem Konsum von Drogen begonnen. Einen Schulabschluss habe er nie erreicht. Die Folgezeit sei geprägt gewesen von Zeiten in Haftanstalten, ersten Therapien und sozialtherapeutischen Einrichtungen. Ab dem 14. Lebensjahr habe der Beschuldigte „gekifft“, mit 16 Heroin, Crystal und andere Drogen konsumiert – „so ziemlich alles, was es auf dem Markt gibt“.
Der gesetzliche Betreuer, der sich seit 2020 um den 42-Jährigen kümmert, konstatierte: „In betreute Einrichtungen ist er nicht vermittelbar.“
Nach der letzten Entlassung 2024 aus dem Gefängnis in Bernau habe der Mann in einer Obdachlosenunterkunft in Traunstein gewohnt. Die Sechste Strafkammer entließ auch Dr. Eberl. In den Antragsschriften ist von „Schuldunfähigkeit“ des 42-Jährigen bei allen Taten die Rede. Grund sei eine massive psychiatrische Erkrankung zusammen mit einer schweren Abhängigkeit von verschiedenen Betäubungsmitteln.Monika Kretzmer-Diepold