Richter stellt Frage nach dem Warum

von Redaktion

37-Jähriger wegen Zwangsprostitution, Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch angeklagt

Traunstein//Südostbayern – Etwa vier Jahre lang gab sich ein 37-jähriger Mann aus dem südostbayerischen Raum auf Instagram und Whatsapp gegenüber Mädchen und weiblichen Jugendlichen als „Sexvermittlerin“ aus.

Selbst als Freier
aufgetreten

Bei Dates trat er dann selbst als Freier auf. Vor der Ersten Hilfsjugendkammer am Landgericht Traunstein mit dem Vorsitzenden Richter Andreas Bartschmid musste sich der Angeklagte nun wegen Zwangsprostitution, Vergewaltigung, schweren sexuellen Missbrauchs sowie wegen mehrerer Delikte aus dem Bereich der Kinder- und Jugendpornografie verantworten. Die Anklageschrift von Staatsanwältin Sabine Krotky umfasst 13 Seiten. Die Vorgehensweise des Täters sucht ihresgleichen in der Geschichte des Landgerichts Traunstein. Zwischen Frühjahr 2020 und Februar 2024 machte sich der 37-Jährige über Instagram und Whatsapp an die zumeist minderjährigen Mädchen heran. Unter den Alias-Namen „Jessica“, „Lisa“ und „Leonie“ wies die „Chefin“ die Mädels in das Verhalten von Prostituierten einschließlich entsprechender Kleidung ein und verlangte für die Kartei Nacktbilder, die vorgeblich potenzielle Freier erhalten sollten. Zu den von der „Vermittlerin“ vereinbarten Treffen gegen Bezahlung tauchte der verheiratete Mann dann als „Kunde“ auf. Die sexuellen Handlungen bis hin zum Geschlechtsverkehr fanden in seinem Pkw, an entlegenen Orten oder in Hotelzimmern in verschiedenen südostbayerischen Gemeinden statt. Die neun Geschädigten aus der Anklage im Alter von 13 bis 16 Jahren aus Südostbayern erhielten jeweils zwischen 200 und 350 Euro in bar.

Bei einer Wohnungsdurchsuchung im März 2024 stießen Polizeibeamte auf eine Festplatte mit über 500 Video- und mehr als 13000 Bilddateien mit kinder- und jugendpornografischen Inhalten – sowohl von Mädchen ab etwa sechs Jahren aufwärts als auch von Jungen. Ab August 2024 saß der 37-Jährige in Untersuchungshaft.

Verteidiger Konrad Frank aus Passau beantragte am gestrigen Mittwoch ein Rechtsgespräch zum Strafrahmen im Fall eines Geständnisses seines Mandanten. Der Vorsitzende Richter berichtete nach langen Beratungen, ohne Geständnis sehe die Staatsanwaltschaft eine zweistellige Strafe als angemessen an, mit Geständnis eine Strafe zwischen achteinhalb und neun Jahren. Viele weitere Fälle seien im Vorfeld eingestellt worden. Der Verteidiger regte an, die „Bilderfälle“, also die vom Angeklagten angeforderten Bilder der Geschädigten sowie die pornografischen Dateien, auszuscheiden. Die Vergewaltigungen bestreite der Angeklagte vehement: „Er sagt, er habe keine Gewalt angewendet.“ Eine Strafe sollte im Bereich von viereinhalb bis sechs Jahren liegen. Damit zeigte sich die Staatsanwältin nicht einverstanden. Sieben bis acht Jahre müssten es ob des Gesamtunrechts der Taten mindestens sein. Dem könne die Verteidigung beitreten, betonte Konrad Frank. Nach nochmaliger Beratung stimmten die Kammer und der Angeklagte dem zu. Einige Vorwürfe wurden verabredungsgemäß eingestellt.

Per Verteidigererklärung ließ der 37-Jährige den verbleibenden Großteil der Anklage einräumen. Insbesondere gab er zu, das Alter der Mädchen jeweils gewusst zu haben. Auf Frage Bartschmids nach dem „Warum“, erwiderte der Mann: „Diese Frage stelle ich mir seit zwei Jahren. Ich kann es mir nicht erklären. Es war moralisch-ethisch unter aller Sau.“ Der Angeklagte fuhr fort, er sei froh, dass den Zeuginnen eine Aussage erspart bleibe. Zum „Wie“ beteuerte der Handwerker: „Es hat sich durch Zufall in einem Netzwerk ergeben. Es gab verschiedene Foren. Es war sehr einfach, immer derselbe Ablauf. Und es hat leider, leider sehr gut funktioniert. Vier, fünf Klicks und ich war auf solchen Seiten.“ An Einzelheiten konnte er sich wegen der vielen Kontakte angeblich nicht erinnern. Staatsanwältin Sabine Krotky hakte nach: „Warum haben Sie sich so junge Mädchen über das Internet gesucht? Für das Geld hätten Sie zu normalen Prostituierten gehen können?“ Das habe er nicht gewollt, sei das doch „ekelig“, lautete die Antwort. Und weiter: „Es war der Reiz, etwas zu machen, was nicht üblich ist.“

Hauptverhandlung
geht heute weiter

Die Hauptverhandlung geht am heutigen Donnerstag, 6. November, um 9 Uhr mit Polizeibeamten weiter. Der psychiatrische Sachverständige Dr. Johannes Wittmann aus Aichach erstattet sein Gutachten zur Schuldfähigkeit des 37-Jährigen am Montag, 10. November, mit Prozessbeginn um 9 Uhr. Die Plädoyers, auch von Nebenklagevertreterin Isabel Kratzer-Ceylan aus Augsburg, und das Urteil sollen am gleichen Tag folgen.

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