Schuss, Molotowcocktails, SEK

von Redaktion

Feuerte Rosenheimer auf Bauarbeiter? – Was dem 68-Jährigen jetzt droht

Rosenheim – An diesen Tag in der Kastenau werden sich die Anwohner wohl noch lange erinnern. Am späten Nachmittag des 17. April eilten Dutzende Einsatzkräfte mit Blaulicht und Sirene in den Rosenheimer Stadtteil – darunter auch Spezialkräfte des Sondereinsatzkommandos (SEK). Innerhalb kürzester Zeit wurden sämtliche Straßen gesperrt, die Gegend abgeriegelt. Kurz zuvor war im Birkenweg ein Schuss gefallen.

Streit in Rosenheim
eskaliert

Vorausgegangen war ein Streit zwischen zwei Männern. Der eine von beiden – ein selbstständiger Straßenbauer – arbeitete an diesem Tag auf einer Baustelle im Außenbereich eines Anwesens. Der Lärm verärgerte einen Nachbarn, einen zum Tatzeitpunkt 68-jährigen Rosenheimer, wohl so sehr, dass er gegen 15.40 Uhr das Gespräch mit dem Bauarbeiter suchte – allerdings nicht auf die freundliche Art und Weise.

Wie das Polizeipräsidium Oberbayern Süd damals mitteilte, wählte der Arbeiter nur wenige Minuten nach dem Streit den Notruf. Dort gab er an, dass ihn der Rosenheimer beleidigt und anschließend mit dem Tod bedroht habe. Auf diese Weise wollte der Mann den Bauarbeiter so einschüchtern, damit er mit der störenden Arbeit aufhört. Der Rosenheimer Zweigstelle der Traunsteiner Staatsanwaltschaft zufolge soll der 68-Jährige dabei gedroht haben, dem Straßenbauer in den Kopf zu schießen.

Während sich nach dem Anruf die ersten Polizisten auf den Weg in die Kastenau machten, kehrte der Mann auf die Baustelle zurück und arbeitete weiter. Wohl ganz zum Ärger des 68-Jährigen. Der sei nach dem Wortgefecht zunächst in sein Haus zurückgekehrt. Dort blieb er nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft am Fenster im Erdgeschoss stehen, beobachtete den Bauarbeiter und zeigte ihm immer wieder den Mittelfinger.

Kurze Zeit später soll der Mann hinter der Glasscheibe auch mit einer Waffe herumgefuchtelt haben. Obwohl zwei Polizisten zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Weg zur Tür des 68-Jährigen waren, muss der Senior vermutlich das Fenster geöffnet und mit der Waffe auf den Bauarbeiter gezielt haben. Nur Sekunden danach waren „schussähnliche Geräusche“ zu hören. Die Anwohner beschreiben es später als einen „lauten Knall“, der durch die Kastenau hallte. Wie die Ermittlungen der Polizei später ergaben, muss der 68-Jährige tatsächlich auf den Bauarbeiter geschossen haben – mit einer Pistole. Dabei könnte er den Moment genutzt haben, als der Bauarbeiter mit einem kleinen Radlader auf das Fenster des Rosenheimers zufuhr. Der Straßenbauer hatte allerdings großes Glück: Die Kugel verfehlte ihn und schlug rund einen halben Meter unterhalb des Sitzes in die Tür des Radladers ein. Um sich aus dem Schussfeld und vor weiteren Kugeln zu retten, sprang der Bauarbeiter vom Bagger – und verletzte sich am Oberkörper.

Da die Polizei nicht ausschließen konnte, dass von dem Rosenheimer eine weitere Gefahr – vor allem für die Einsatzkräfte – ausgeht, rückte das SEK an. Die Beamten umstellten das Wohnhaus des 68-Jährigen, das Sondereinsatzkommando bereitete einen möglichen Zugriff vor. Notwendig wurde der aber nicht, da der Senior aufgab und ohne Widerstand festgenommen werden konnte.

Seitdem sitzt der 68-Jährige in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: versuchter Mord. Nach Ansicht des Staatsanwalts hat der Rosenheimer versucht, den Bauarbeiter aus niedrigen Beweggründen heimtückisch zu töten. Und davon scheint die Staatsanwaltschaft nach wie vor überzeugt zu sein. Das bestätigt jetzt die Anklageschrift. Hinzu kommt eine lange Liste an weiteren Straftaten – unter anderem Nötigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung – wegen der Beleidigungen und Bedrohungen, der Verletzung des Arbeiters und des Schadens am Baufahrzeug. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gehen aber noch weiter. Denn die Polizisten wurden bei einer anschließenden Wohnungsdurchsuchung im Haus des Rosenheimers fündig: Neben der abgefeuerten Pistole fanden die Beamten noch eine zweite Schusswaffe, jede Menge Munition sowie mehrere Molotowcocktails. Daher muss sich der 68-Jährige zusätzlich wegen des unerlaubten Besitzes von Waffen und Brandsätzen verantworten.

Prozess-Start
am 7. November

Besonders schwer wiegen dürfte allerdings die Anklage wegen versuchten Mordes. Wenn das Gericht zur selben Überzeugung wie die Staatsanwaltschaft kommt, ist auch eine lebenslange Freiheitsstrafe möglich. Dessen Strafverteidiger Axel Reiter ist davon nicht überzeugt. Ganz so klar, wie es die Staatsanwaltschaft sieht, ist es für ihn nicht. „Das mit dem versuchten Mord sehe ich etwas differenzierter“, sagt er auf OVB-Anfrage. Es gehe darum, wie das Gericht den ganzen Vorgang bewertet und welche Absichten es bei seinem Mandanten erkennt. Zumal man von einem Versuch auch immer zurücktreten könne.

Ob das Landgericht Traunstein das ähnlich sieht oder eher der Staatsanwaltschaft folgt, wird sich ab Freitag, 7. November, zeigen. Dann beginnt der Prozess gegen den 68-jährigen Rosenheimer. Um genau herauszufinden, was am 17. April in der Kastenau passiert ist, sind drei Verhandlungstage angesetzt.

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