37-Jähriger vom Landgericht Traunstein verurteilt – „Kindesmissbrauch perfide geplant“

von Redaktion

Im Internet als „Sexvermittlerin“ Mädchen geködert und als zahlender Kunde sexuell missbraucht – Sieben Jahre und drei Monate Gefängnis

Traunstein – Unter Frauennamen wie „Jessica“ und „Lisa“ köderte ein 37-jähriger Mann aus dem Landkreis Mühldorf im Internet Mädchen um die 14 Jahre mit der Aussicht auf Sex mit Männern gegen Bezahlung. Dafür sollten sie der „Chefin“ entsprechende Fotos schicken. Die „Vermittlerin“ war auch der spätere „Kunde“, der die neun jungen Opfer missbrauchte. Die Erste Hilfsjugendkammer mit dem Vorsitzenden Richter Andreas Bartschmid verhängte gegen den geständigen Angeklagten gestern eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten. Das Urteil umfasste Delikte wie Zwangsprostitution, sexueller Missbrauch von Kindern beziehungsweise Jugendlichen, Vergewaltigung sowie Sich-Verschaffen und Besitz von kinder- und jugendpornografischen Dateien. In der Begründung betonte der Vorsitzende Richter, der Angeklagte habe etwa 2016 einen Fake-Account auf den Namen „Jessica“ eingerichtet.

„Jessica“, „Lisa“ und
„Leonie“ als Lockvögel

In einer Art Legende habe er den Eindruck erweckt, „Jessica“ verdiene mit Prostitution viel Geld. Über Instagram und Whatsapp hätten sich bei „Jessica“ Mädchen gemeldet und sich von sich aus bereit erklärt, auf diese Weise Geld zu verdienen. Später habe der 37-Jährige weitere Accounts – „Lisa“ und „Leonie“ – eingerichtet. Der Angeklagte habe den Mädchen in „Dirty Talks“ erklärt, wie Prostitution ablaufe, wie sie sich anziehen müssten. Außerdem habe er Fotos für die „Kundenkartei“ angefordert. Zu Treffen holte der verheiratete Mann nach Worten Bartschmids die Geschädigten mit dem Auto ab. In Hotelzimmern und abgelegenen Waldstücken missbrauchte er die Opfer, deren Alter er auch kannte. Eine Geschädigte war zur Tatzeit erst 13, mehrere 14 Jahre alt. Das glaubhafte Geständnis des Angeklagten werde gestützt durch die Erkenntnisse der Ermittlungsführerin und die Angaben der Geschädigten bei der Polizei, so der Vorsitzende Richter.

Zum Motiv führte Andreas Bartschmid aus, die Gründe seien dem 37-Jährigen wohl selbst nicht klar. Der tiefere Grund werde vielleicht erst bei der angestrebten Therapie während der Haft ersichtlich. Dem Gericht biete sich das Bild eines Mannes, der sich zu sehr jungen Frauen hingezogen fühle und eine relativ raffinierte Legende aufgebaut habe. Dabei habe er „ein Machtgefühl entwickelt“, das vielleicht aus der Gewalterfahrung in der Kindheit durch den gewalttätigen Vater komme. Bei den Treffen mit den Mädchen habe sich der 37-Jährige „toll gefühlt“. „Man mag sich gar nicht vorstellen, was den jungen Geschädigten an den abgelegenen Orten alles hätte passieren können“, merkte der Vorsitzende Richter an.

Der Tatbestand der Zwangsprostitution sei erfüllt, wenn auch in minderschwerem Fall. Der Angeklagte habe die Mädchen nicht der Prostitution zuführen wollen, sondern habe damit eine Masche gefunden, zu Geschlechtsverkehr mit ihnen zu gelangen.

Bei den Vorwürfen des schweren Missbrauchs und der Vergewaltigung seien minderschwere Fälle nicht gegeben, hob Bartschmid hervor. Strafmindernd wirke das Geständnis, das den Geschädigten eine nochmalige Vernehmung erspart habe. Der 37-Jährige habe seine Reue geäußert und sich entschuldigt.

Über dauerhafte psychische Folgen für die Opfer wisse die Kammer nichts, kein einziges habe Strafanzeige gestellt. Dem stehe die Vielzahl der Fälle und Delikte, der jahrelange Tatzeitraum, die erheblichen sexuellen Handlungen, die vier Vorstrafen und die Riesenmenge an kinder- und jugendpornografischen Dateien entgegen, unterstrich Andreas Bartschmid.

Urteil nahe an der
Forderung der Anklage

Staatsanwältin Sabine Krotky erinnerte im Schlussantrag an die Aussage der Sachbearbeiterin der Kripo Mühldorf. Die Polizei habe rund 30 Zeuginnen namentlich ermittelt. Der Aufwand sei enorm gewesen. Von den Geschädigten habe man keinen Eindruck gewinnen können. Doch sei davon auszugehen: „Sie waren schockiert, dass ‚Jessica‘ ein Mann war. Sie haben große Scham empfunden.“ Der 37-Jährige habe die Rolle als „Chefin“ immer wieder hemmungslos und manipulativ gespielt. „Alles war perfide geplant.“ Und weiter: „Ja, die Geschädigten erhielten Geld. Ja, sie waren bereit, auf ein unmoralisches Angebot einzugehen. Ja, sie waren auf das Geld aus. Jedoch darf ihnen keine Mitschuld zugesprochen werden“, so die Staatsanwältin. Acht Jahre Haft würden „dem Gesamtunrecht der Taten gerecht“.

Verteidiger Konrad Frank stufte einige Dinge anders ein, als die Anklage. Sein Mandant sei ein atypischer Täter. Der voll schuldfähige Mann weise „keine Kernpädophilie“ auf, keine Suchtprobleme und keine Persönlichkeitsstörungen. kd

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