Streit um Kampenwand-Seilbahn vor Gericht

von Redaktion

Kommt sie oder kommt sie nicht? Der Streit um die neue Kampenwand-Seilbahn bewegt die Gemüter in Aschau. Nun hat am Verwaltungsgerichtshof in München die finale Auseinandersetzung eine überraschende Wendung genommen. Und das ohne ein Urteil –noch zumindest.

München/Aschau – Man durfte sich mitten in München, nur durch einige Wände von der stark befahrenen Ludwigstraße getrennt, gleichwohl im Wald wähnen. In einem Dschungel der Paragrafen. Es war nicht gerade einfach, der Verhandlung über die Zukunft der Kampenwand-Seilbahn zu folgen. Vor lauter Bescheiden, Einzelbaum-Entnahmen, Vorhabens-Identitäten, Streitfälligkeiten und Nichtigkeiten war mitunter nur noch Seil-Bahnhof zu verstehen.

Der lange Marsch durchs Gestrüpp fand am späten Dienstagnachmittag ein überraschendes, vorläufiges Ende. Mit einem Ausblick auf einen Streif am Horizont: Die Parteien könnten sich im langen Seilbahnstreit einigen. Bereits in nächster Zeit sollen Gespräche stattfinden.

Kompromiss denkbar?

Am Anfang des Konflikts stand die Planung von Betreiber Eric Zbil: Bei der Sanierung der Anlage sollen die Kapazitäten erhöht werden, indem die bisherigen Vierer-Gondeln durch Achter-Gondeln ersetzt werden. Nicht mehr nur 450 Gäste, sondern 1500 Gäste pro Stunde könnten dann an den Fuß der Kampenwand gebracht werden, schätzt der Bund Naturschutz. Auch die Tal- und Bergstationen sollen laut Planung erneuert werden. Das Landratsamt Rosenheim hatte in einem Genehmigungsbescheid von 2017 überdies Sonderfahrten in der Nacht erlaubt. Man habe dabei auf „Birkhuhn-sensible Zeiten“ geachtet und die Anzahl der Fahrten beschränkt, sagte jetzt eine Mitarbeiterin bei der Verhandlung.

„Remmidemmi“ befürchtet

Remmidemmi an der Kampenwand? Baumfällungen trotz geschützten Bestands? Bedrohung für das Birkhuhn? Der Bund Naturschutz klagte. Und bekam in der ersten Instanz recht: Das Verwaltungsgericht München legte im November 2023 die Planungen auf Eis. Der erste Bescheid von 2017 sei zu „unbestimmt und daher rechtswidrig“. Aus dem Genehmigungsbescheid und den Unterlagen ließe sich nicht eindeutig entnehmen, welche Bäume des 2020 unter Schutz gestellten Naturwaldes für die Ausweitung der Trasse gefällt werden dürfen. Gegen das Urteil des VG München legte Betreiber Eric Zbil Berufung ein. Mit Erfolg. Nunmehr ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) am Zuge. Und der äußerte schon unmittelbar nach der Berufungsentscheidung „ernsthafte Zweifel“ am VG-Urteil. Die nun amtierende Vorsitzende Richterin Gerda Zimmerer machte gleich deutlich, dass sie für das Modernisierungsprojekt eher eine vergleichsweise unkompliziert zu erteilende Änderungsgenehmigung angebracht sieht und keine Baugenehmigung – welche strengere Auflagen nach sich ziehen würde.

Wo wächst der Naturwald?

Erneut ein Thema: die genauen Grenzen der Naturwaldzone. Hat das Ministerium für Landwirtschaft zweimal die Zonengrenzen verschoben, den Wald also nach dem Geschmack des Seilbahnbetreibers verändert? Das vermutet Rainer Auer, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz. Zuerst habe das Ministerium die Grenzen verschoben, um sie – nachvollziehbar – der bereits bestehenden Trasse anzupassen. Dann habe es nochmals eingegriffen, um die Zone zugunsten der erweiterten Trasse anzupassen. „Ein bemerkenswerter Vorgang seitens des Ministeriums“, sagte Auer in München.

Es habe sich um Korrekturen gehandelt, sagte dagegen Marius Benner vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Rosenheim. Die neue Begrenzung der Naturwaldflächen sei darauf zurückzuführen, dass aufgrund des Maßstabs der zunächst zugrundegelegten Karten eine eindeutige Grenzziehung nicht möglich gewesen sei. 

Ist das Birkhuhn bedroht?

Bleibt die Sorge ums Birkhuhn und andere Tierarten. Bedrohen die nächtlichen Sonderfahrten die Population massiv, wie Naturschutz-Anwältin Lisa Eberlein fürchtet? Sie stellte einen Beweisantrag, der aber abgewiesen wurde.

Auch der Feuersalamander genießt zwar offenbar Respekt, aber keinen grundsätzlichen Schutz vor Seilbahn-Projekten. Derlei gehöre zum „allgemeinen Lebensrisiko“ des Salamanders, sagte Richterin Zimmerer, die sich gegen Ende Mühe gab, das Verfahren zu beschleunigen.

Hausaufgaben für alle

Die Richterin drängte auf eine Einigung. „Wenn es die Bereitschaft gibt vonseiten der Kläger, würden wir die Hand reichen“, sagte Carolin Zbil, Tochter von Eric Zbil und Vertreterin der nächsten Generation im Familienunternehmen. Auch Annemarie Räder vom Bund Naturschutz äußerte klare Gesprächsbereitschaft. Rainer Auer gab zu bedenken, dass man bereits in der Vergangenheit Kompromissbereitschaft gezeigt habe – aus Sicht des Bunds ohne Erfolg. Dennoch: Die Richterin stellte eine grundsätzliche Bereitschaft zur Einigung fest. Und so geht es weiter: Die Parteien setzen sich am 24. November zu einer Beratung zusammen und versuchen, zu einer Einigung zu kommen. Dann informieren sie das Gericht bis spätestens 20. Januar 2026, ob der Rechtsstreit einvernehmlich beendet werden kann.

„Stehe hinter dem Projekt“

Die Seilbahnbefürworter dürfen also vorsichtig hoffen. Nach München war auch Aschaus Bürgermeister Simon Frank gekommen. Die Gemeinde hatte sich klar positioniert, von 18 Gemeinderäten unterschrieben 15 eine Erklärung pro Kampenwandbahn-Erneuerung. „Ich stehe hinter dem Projekt“, sagte Simon Frank dem OVB, „auch wenn‘s mir um die nostalgischen Gondeln leidtut.“ Die Erneuerung mache die Bahn jedoch fit für die Zukunft und sei im Sinne der Gemeinde: „Die Kampenwandbahn ist so wichtig für Aschau.“

Artikel 6 von 11