Rosenheim – Wenn es um Polizeieinsätze in Asylunterkünften geht, bleibt Volker Klarner ziemlich entspannt. Die Sorgen und Ängste mancher Bürger um ihre eigene Sicherheit, die von diesen Herbergen ausgehen sollen, kann er nicht nachvollziehen. Denn als Leiter der Inspektion Rosenheim kennt er die Kriminalstatistik gut. „Ich kann nur für unseren Einsatzbereich sprechen, aber die Zahl der Delikte geht gegen Null.“
Bürger äußern Ängste
gegenüber dem Landrat
Zum Hintergrund: Egal, ob Rott, Stephanskirchen oder Vogtareuth – in zahlreichen Landkreis-Gemeinden entstehen derzeit neue Flüchtlingsunterkünfte. Denn, wie Landrat Otto Lederer bei den Infoveranstaltungen rund um dieses Thema berichtet: Der Landkreis Rosenheim ist nach dem Königsteiner Schlüssel, der die Verteilung von Geflüchteten auf die Bundesländer regelt, „Untererfüller“. Deswegen werden vermehrt Flüchtlinge und Asylbewerber dem Landkreis zugeteilt, der den hilfesuchenden Menschen eine Lebensgrundlage bieten muss. Dazu gehört in erster Linie ein Dach über dem Kopf.
Da der Wohnungsmarkt in der Region aber auch unabhängig von der Asylthematik angespannt ist, setzt das Landratsamt inzwischen auf größere Sammelunterkünfte. Oft sind das Gewerbeobjekte oder Grundstücke für die Errichtung von Container-Anlagen. Bei vielen Einheimischen, oft aus der direkten Nachbarschaft, entstanden dadurch Ängste und Sorgen, die Landrat, Bürgermeister und auch die Polizei bei den Infoabenden zu nehmen versuchten.
Antwort auf Anfrage
wirft neue Fragen auf
In Vogtareuth war im Juli die Sicherheit ein vorherrschendes Thema, Mitte Oktober berichteten Bürger in Großkarolinenfeld von Polizeiautos vor Asylunterkünften. Vertreter der Bürgerinitiative (BI) „Stephanskirchen rot(t)iert“ konfrontierten Klarner Ende September bei der Infoveranstaltung zur Asylunterkunft in der Hofmühlstraße mit vermeintlich steigenden Zahlen der Polizeieinsätze im Landkreis Rosenheim. Dabei stützte sich die BI auf eine Pressemitteilung, die auf eine schriftliche Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Andreas Winhart an die Bayerische Staatsregierung zurückgeht. Abgefragt hatte der AfD-Abgeordnete im Zusammenhang mit Asylunterkünften neben den Einsatzzahlen der Polizei auch die Einsätze der Feuerwehr und Notärzte sowie Kosten für Wäsche, Reinigungs- und Sicherheitsdienst sowie Catering im Landkreis Rosenheim. Betrachtet man die Zahlen, sind diese eher dynamisch: Während die Staatsregierung für den Zeitraum vom 1. Januar bis 29. April 2025 in einigen Landkreis-Gemeinden einen Anstieg der Polizeieinsätze zeigt, etwa in einigen westlichen Gemeinden wie Bruckmühl oder Raubling, ist sie anderenorts gesunken, etwa in Stephanskirchen oder Wasserburg.
Für Winhart und Skeptiker in der Bevölkerung ein klares Argument gegen große Sammelunterkünfte wie die Turnhallen in Bruckmühl oder Raubling. Als Vergleichswerte zieht er die Entwicklungen von 2023 auf 2024 heran: Sowohl in Raubling und Bruckmühl, wo Hunderte Flüchtlinge in den dortigen Turnhallen untergekommen sind, sind die Einsatzzahlen in diesem Zeitraum gesunken. Von 36 (2023) auf 23 (2024) Einsätze in Raubling und 18 (2023) auf 11 (2024) in Bruckmühl. Für den genannten Zeitraum 2025 zeigt sich wiederum ein Anstieg auf 14 Einsätze in Bruckmühl und 16 in Raubling. Allerdings können die Einsätze nicht nach ihren Ursachen differenziert werden. Eine detaillierte Auswertung einzelner Straftaten sei nach Angaben der Staatsregierung nicht möglich, da dies der parlamentarische Informationsanspruch, also das Kontrollrecht der Abgeordneten, nicht erlaube.
„Nicht jeder Einsatz
ist auch eine Straftat“
Die Gemeinden Vogtareuth und Riedering, die über eine große Sammelunterkunft verfügen oder bald darüber verfügen werden, tauchen in der Auflistung nicht auf. Ebenso wie Prutting. „Auch aus polizeilicher Sicht sind die Zahlen nicht so klar“, sagt Polizeidirektor Volker Klarner. Wie das Polizeipräsidium Oberbayern Süd, das der Staatsregierung die Zahlen liefert, diesbezüglich auf Nachfrage des OVB mitteilt, seien alle polizeilichen Einsätze an Asylunterkünften angefragt worden. „Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass bei der Erfassung dieser Einsätze nicht berücksichtigt wurde, ob ein direkter Bezug zur Asylthematik bestand.“ Die Einsätze stünden also nicht zwangsläufig mit der Asylunterkunft in Verbindung, sondern hätten auch andere Gründe.
„Nicht jeder Einsatz erfolgt aufgrund einer Straftat“, sagt Klarner. Von Einsätzen spreche man bereits, wenn die kleinste Notwendigkeit bestehe, ein Ereignis zu dokumentieren oder gegebenenfalls polizeilich tätig zu werden. Oft kontrollierten die Beamten nur Papiere oder der Rauchmelder habe mal wieder fälschlicherweise ausgelöst.
Die Abfrage von Andreas Winhart gibt Auskunft über die reinen Einsatzzahlen. Informationen über Delikte und damit die Kriminalität erhält man in der Kriminalstatistik. Allerdings gebe es bei der Betrachtung der Ausländerkriminalität einen Aspekt, der die Zahlen laut Klarner verfälscht: die ausländerrechtlichen Verstöße. Im Landkreis wurden laut Sicherheitsbericht 2024 insgesamt circa 11.000 Straftaten erfasst, darunter 3.000 ausländerrechtliche Verstöße. In der Stadt Rosenheim sind es knapp 4.900 Delikte, davon etwa 200 ausländerrechtliche Verstöße. Gemeint sind damit explizit Verstöße gegen das Ausländerrecht. Denn theoretisch, so Klarner, mache sich jeder Asylsuchende in Deutschland strafbar, sei es bei der illegalen Einreise nach Deutschland über die grüne Grenze oder mittels Schleusern. „Das ist ein klassisches Ausländerdelikt, das nur von diesem begangen werden kann. Strafrechtlich verfolgt werden diese Fälle jedoch grundsätzlich nicht, da die Menschen ihr Recht auf Asyl wahrnehmen.“ Deswegen werden diese Delikte herausgerechnet. Im Landkreis Rosenheim sei die Zahl der ausländerrechtlichen Straftaten höher als in der Stadt Rosenheim, aufgrund des Grenzübergangs zu Österreich.
„Die meisten
Vergewaltigungen
passieren in der Ehe“
Betrachtet man die tatsächlichen Einsatzzahlen für seinen Dienstbereich, der die Stadt Rosenheim mit knapp 64.000 Einwohnern und die sechs Gemeinden Prutting, Riedering, Schechen, Söchtenau, Stephanskirchen und Vogtareuth mit circa 30.000 Einwohnern umfasst, zeigt sich ein anderes Bild: Zehn „echte“ Einsätze in Asylunterkünften verzeichnet die PI Rosenheim bislang für das Jahr 2025 (Stand: 30. September). Davon waren zwei Feueralarme, jeweils einer wegen Beleidigung, Diebstahls, häuslicher Gewalt, Körperverletzung und zwei Einsätze wegen Streits sowie ein Sexualdelikt. „Diese Straftaten passieren fast ausschließlich innerhalb des gleichen Personenkreises“, sagt Klarner. Bei den Infoveranstaltungen äußerten vor allem Frauen Angst vor sexuellen Übergriffen. Durchaus legitim, findet Klarner. Der Polizeidirektor hat einige Jahre beim Kommissariat für Sexualverbrechen und sexuellen Missbrauch von Kindern bei der Kriminalpolizei München gearbeitet und spricht aus Erfahrung: „Das Szenario einer Frau, die beim Joggen von einem Täter, vielleicht sogar ausländischem Täter, überfallen und vergewaltigt wird, ist exorbitant selten. Die meisten Vergewaltigungen passieren in der Ehe.“ Aber auch Chatbekanntschaften enden oft mit einer Anzeige. Dennoch gebe es Einzelfälle, bei denen ausländische Täter Frauen vergewaltigen, die dann in Erinnerung bleiben. Nationalität spiele dabei aber eine weniger große Rolle als das Geschlecht. Grundsätzlich würden Männer statistisch gesehen öfter straffällig als Frauen. Menschen mit Migrationshintergrund seien stärker von Risikofaktoren betroffen, die die Begehung bestimmter Straftaten „herkunftsabhängig wahrscheinlicher machen“: Zusammenleben auf engerem Raum, schlechtere ökonomische Umstände, psychische Belastung und Gewalterfahrungen, beispielsweise in der Kindheit, spielten dabei eine Rolle.
Kriminelle Geflüchtete
sind meist Einzelfälle
Klarner erklärt auch: Der Ausländeranteil der Bevölkerung in Rosenheim liegt bei 25 Prozent. Bei den Straftaten – abzüglich der ausländerrechtlichen Verstöße – liegt die Ausländerbeteiligung bei 50 Prozent. „Das heißt, die 25 Prozent begehen 50 Prozent der Straftaten. Das sind aber nicht die Asylbewerber“, so der Polizeidirektor. Dabei handele es sich allerdings weitgehend um Ausländer zweiter oder dritter Generation. „Migrationshintergrund ist aufgrund des Sozialgefüges ein Risikofaktor für Straffälligkeit.“ Auch Touristen oder reisende Täter würden einberechnet.
Klarner stellt klar, dass er nichts beschönigen will. Denn unter den Geflüchteten seien auch Straftäter. Einzeltäter, die auffallen, die in den Unterkünften permanent für Ärger sorgen. „Die kennen wir auch und beobachten sie.“ Für Klarner hätten diese „Kriminellen“ eigentlich kein Bleiberecht. Doch je nach Herkunftsland sei eine Abschiebung nicht so einfach. „Aber diese Straftäter gibt es auch unter Deutschen. Nationalität spielt dabei keine Rolle. Das gibt es einfach.“