„Urvertrauen des eigenen Kindes missbraucht“

von Redaktion

41-Jähriger vom Landgericht Traunstein zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt – Tochter bei Tatbeginn erst zehn Jahre alt

Traunstein/Wasserburg – Zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe wegen vielfachen sexuellen Missbrauchs seiner leiblichen Tochter, die anfangs erst zehn Jahre alt war, verurteilte die Zweite Traunsteiner Jugendkammer mit Vorsitzender Richterin Jacqueline Aßbichler einen 41 Jahre alten Mann aus Wasserburg.

Staatsanwältin Anne Klug hatte am Donnerstag – wie die Opferanwältin – in nichtöffentlicher Sitzung neun Jahre drei Monate Haft beantragt, die Verteidiger Harald Baumgärtl und Walter Holderle aus Rosenheim Freispruch. Die Anwälte kündigten sofort nach dem Urteil Revision zum Bundesgerichtshof an.

Mädchen bittet:
„Ich will wissen, warum“

Der 41-Jährige hatte seine Tochter während deren Umgangsbesuchen bei ihm in Wasserburg zunächst mehrfach im ersten Halbjahr 2022, dann erneut im Juli 2022 sexuell missbraucht (wir berichteten). Die Jugendschutzkammer sah darin mehrere Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Schutzbefohlenen bis hin zu einem sexuellen Übergriff mit Gewalt und Vergewaltigung.

Scheinbar reglos verfolgte der Angeklagte, der in der Verhandlung alles geleugnet hatte, die Urteilsbegründung. Aßbichler zitierte eingangs die heute 14 Jahre alte Geschädigte. Sie habe am Ende ihrer nichtöffentlichen Zeugenvernehmung zu ihrem Vater gesagt: „Ich hab dich immer noch lieb. Du warst der beste Vater. Du hast mir etwas angetan. Ich will wissen, warum.“ Der Fall sei eine typische Konstellation von „Aussage gegen Aussage“. Der Bundesgerichtshof fordere, das Gericht müsse von einer Aussage überzeugt sein. Die Kammer habe die Angaben des Mädchens überprüft. Es gebe weitere Beweismittel, die die Glaubhaftigkeit bestätigt hätten. Man habe ein aussagepsychologisches Gutachten veranlasst. Richterin Aßbichler konstatierte: „Die Aussage der Tochter war absolut glaubhaft, war ohne Belastungseifer und Übertreibung und in den Kernaussagen absolut konstant.“

Weiterhin habe die Geschädigte „ihre inneren Gefühle“ geschildert. Einträge in ihrem Tagebuch hätten gezeigt, was in ihr vorgegangen sei. Zusätzliche Indizien seien ihre Verhaltensänderungen. Die Verteidiger hätten argumentiert, Vorlage dafür sei eine Netflix-Serie gewesen. Dazu die Vorsitzende Richterin: „Das kann nicht sein.

Das veränderte Verhalten wurde von objektiven Zeugen bereits vor Ausstrahlung der Serie beobachtet.“ Solch objektive Zeugen hätten auch geschildert, später habe das Kind nicht mehr mit dem Vater allein sein wollen. Viele weitere Details seien dazugekommen. Das Fazit der Kammer sei: „Wir haben keinerlei Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Geschädigten.“

Der psychiatrische Sachverständige Dr. Michael Soyka hatte den Angeklagten nach Ausführungen von Jacqueline Aßbichler als „voll schuldfähig“ eingestuft, auch keine Hinweise auf Pädophilie erkannt. Zur Strafzumessung unterstrich die Vorsitzende Richterin: „Leider haben wir kein Geständnis des Angeklagten. Es hätte stark zu seinen Gunsten gesprochen. Für die Tochter wäre es wichtig gewesen, dass der Vater die Taten eingeräumt hätte.“ Der 41-Jährige sei nicht vorbestraft, sitze seit 16 Monaten in Untersuchungshaft – „was ihn sichtlich gezeichnet hat.“

Andererseits habe er „das Urvertrauen seines eigenen Kindes missbraucht“, es getäuscht, Drohungen ausgesprochen und es damit starkem psychischem Druck ausgesetzt. Negativ wirke das „schleichende Vorgehen mit Steigerung der Handlungen“. Darüber hinaus habe der 41-Jährige das Vertrauen der Kindsmutter missbraucht, die gedacht habe, er komme seinen väterlichen Pflichten nach.

Schmerzensgeld von
35.000 Euro und mehr

Strafschärfend zu werten seien zudem der lange Tatzeitraum und vor allem die Folgen für die Geschädigte – mit einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie Problemen in Schule und Alltag, schloss die Vorsitzende Richterin.

Die Kammer sprach der Tochter im Urteil ein Schmerzensgeld von 35.000 Euro nebst Zinsen zu. Der Angeklagte muss außerdem für alle weiteren materiellen wie immateriellen Schäden, auch für unvorhersehbare, aufkommen und alle Verfahrenskosten tragen.

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