Ernesto: Jeder Schritt ein kleiner Sieg

von Redaktion

HeimatLichter Wie das Hilfswerk Aschau einem tapferen Buben ein neues Leben schenkte

Rosenheim/Aschau – Alle Menschen und alle Kinder sind gleich? Nicht in Angola. Ernesto (12) kommt von dort und war schwerstbehindert. In seinem Land hatte er keine Chance auf eine medizinische Behandlung. Jetzt hat ihm das Hilfswerk Aschau zu einem neuen Leben verholfen. Auch wenn Ernesto einen hohen Preis dafür zahlen musste.

Die Weihnachtsspendenaktion der OVB-Heimatzeitungen unterstützt 2025 unter dem neuen Dach der HeimatLichter auch das Hilfswerk Aschau. Das Hilfswerk ist die Stiftung für ein weltweit hochgeschätztes Behandlungszentrum: die Orthopädische Kinderklinik Aschau. Sogar noch bekannter ist ihr Gründer: der weltberühmte Kinderbuchautor und Geschichtenerzähler Otfried Preußler.

Die Spezialisten der Fachklinik operieren jedes Jahr rund 1.600 Buben und Mädchen. Die meisten kleinen Patienten kommen aus Bayern oder ganz Deutschland. Nicht immer zahlen Krankenkassen und Kostenträger dabei das „volle Programm“. Deshalb setzt das Hilfswerk alle Hebel in Bewegung, um den Klinikalltag so kinderfreundlich und entwicklungsfördernd wie möglich zu gestalten – nicht nur mit Kinderbüchern und Spielsachen. So hat die Stiftung acht Hochgeschwindigkeitskameras für das Ganglabor gekauft, die eine präzisere Analyse ermöglichen.

Hilfe für Familien mit
kleinem Geldbeutel

Ebenso greift die Stiftung Hilfswerk Aschau Familien mit kleinem Geldbeutel unter die Arme – damit auch Kinder aus sozial schwächeren Verhältnissen begleitende und weiterführende Therapien erhalten. In manchen Fällen – so wie bei Ernesto – übernimmt die Stiftung sogar die kompletten OP- und Behandlungskosten, wenn Kinder aus Krisen- und Kriegsgebieten nach Aschau kommen.

Angola ist ein solcher Dauerkrisenherd – seit 500 Jahren im Klammergriff von Portugiesen, Sklavenhändlern, Diktatoren, Warlords, Terror-Milizen, Grubenkonzernen und Bürgerkriegen im Namen von importierten Ideologien; ein blutiger Schacher um Elfenbein, Erdöl, Diamanten, Uran und strategische Erze, der wenige reich und viele arm gemacht hat. Heute gilt Angola als eines der meistverminten Länder der Welt.

Ernesto ist nicht auf eine der Minen getreten, die über das Land, das dreimal so groß ist wie Deutschland, verstreut sind. Die Verstümmelungen hat er von Geburt an. 2013 kommt er mit schweren Fehlbildungen am rechten Bein zur Welt: der Oberschenkel zwölf Zentimeter zu kurz, der Fuß stark deformiert. Auf zwei Füßen stehen? Gehen? Laufen? Für Ernesto ein unerfüllbarer Traum. Fortbewegen kann er sich nur mühsam – kriechend oder auf notdürftig selbst zusammengebastelten Krücken. Fachgerechte Behandlungen gibt es in Angola nur für die steinreiche kleine Elite der Herrschenden – nicht für die Millionen Beherrschten.

Ernesto muss eine harte Entscheidung treffen

Eine Ungerechtigkeit, gegen die das „Friedensdorf International“ ankämpft. Die 1967 in Oberhausen gegründete Hilfsorganisation bringt Ernesto Mitte 2025 nach Deutschland, um ihn endlich medizinisch behandeln zu lassen. Mehrere Kliniken winken ab. Dann die erlösende Nachricht aus dem Chiemgau: Das Hilfswerk Aschau ist bereit, die Behandlungskosten für Ernesto zu übernehmen – ein bescheidener, höflicher, dankbarer und intelligenter Bub, wie sich rasch herausstellt.

In Aschau schließen ihn Ärzte, Therapeuten und Pflegekräfte rasch ins Herz. Ernesto spricht Portugiesisch, ein Vermächtnis der Kolonialmacht, kann aber das Nötigste per Zeichensprache mitteilen. Deren „Basics“ hat er im „Friedensdorf“ erlernt, aber im Schatten der Kampenwand wird sie bald überflüssig – weil Ernesto mit jedem Tag besser Deutsch spricht.

Das ist gut so, denn Ernesto muss zusammen mit den Ärzten eine harte Entscheidung treffen: Mehrere orthopädische Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass ein fester Beinstumpf zur Aufnahme einer Gehprothese die einzige Möglichkeit ist, für Ernesto das Gehen erlernbar zu machen. Der rechte Fuß ist daher nicht zu retten. Er muss amputiert werden.

Ein Eingriff, den Ernesto mit bewundernswerter Kraft wegsteckt. Dann wird extra für ihn eine spezielle Gehprothese angefertigt. Schnell findet er sich mit seinem neuen Metallbein zurecht und trainiert eisern – täglich, monatelang. Er will ja endlich das Laufen lernen. Bald gelingen die ersten zaghaften Schritte mit der Prothese.

Drei Klinikaufenthalte sind erforderlich: Voruntersuchung, OP und Nachoperation mit Metallentfernung. Die Behandlungskosten von 20000 Euro übernimmt das Hilfswerk. „Es ist bewegend, wenn man sieht, welche Energie und welcher Lebenswille in diesem Buben steckt, und welche Hindernisse durch Hoffnung und die Leistung der Orthopädischen Kinderklinik überwunden werden können“, sagt Stiftungsvorstand Dr. Ulrich Feldmann.

Die Trennung von Heimat und Familie meistert Ernesto mit großer Entschlossenheit. Denn er spürt: Die OP in Deutschland ist seine erste und letzte Chance. Der Dankbarkeit dafür verleiht er ständig Ausdruck – auch in seiner Heimatsprache: „Obrigado“, das portugiesische Wort dafür, kennen bald alle, die mit ihm etwas zu tun haben. Dabei schaut der hilfsbereite Bub nicht nur auf sich selbst. Er freundet sich mit anderen Kindern an, ist für sie da.

Vor Kurzem ging es wieder heim nach Westafrika. In Aschau sind alle felsenfest überzeugt: Ernesto wird dort seinen Weg machen. Nein, viel besser, er wird seinen Weg gehen. Im doppelten Wortsinn.

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