Noch lange kein Ende in Sicht

von Redaktion

Fall Hanna Verteidigung fordert Aufarbeitung und Entschädigung für Sebastian T. – Anwalt der Gegenseite äußert sich

Aschau/Laufen – Gut 47 Prozess-Tage lang hatte man Sebastian T. mit der gleichen ausdrucklosen Miene auf der Anklagebank gesehen. Am 48. Tag (Dienstag, 25. November 2025) lächelte er und wirkte dennoch verwundert. Zwei Jahre und 53 Wochen zuvor hatte ihn die Polizei als dringend Tatverdächtigen im Fall Hanna festgenommen. Und nun sollte er bald als freier Mann den Saal 26 des Amtsgerichts Laufen verlassen. Um 11.47 Uhr verkündete Richterin Heike Will denn auch den Freispruch für den nunmehr 23-jährigen Aschauer, der sich anschließend im Kreise der Familie aus dem Amtsgericht begab, inmitten von Lachen und Weinen, auf Fragen, wie es ihm gehe, kurz und bündig antwortend: „Passt scho!“

Richterin Heike Will
„angemessen emotional“

Zuvor hatte sich Heike Will noch bei ihm entschuldigt, für das Unrecht, das ihm seitens des Rechtssystems widerfahren war. Der Vorsitzenden Richterin brach dabei fast die Stimme. „Die Worte waren angemessen emotional angesichts dieses Dramas“, fand hinterher Verteidigerin Regina Rick. Mitverteidiger Dr. Yves Georg strahlte. „Die Vorsitzende hat ganz deutlich gesagt, die Kammer habe festgestellt, dass den Angeklagten keine Schuld, keine Verantwortung treffe. Das ist nichts anderes als erwiesene Unschuld.“

Freispruch in der zweiten Auflage des Hanna-Prozesses: Für Nebenklage-Anwalt Walter Holderle und seine Mandanten, die Familie der toten Hanna Wörndl, war das nach dem langen Hin und her im Jahre 2025 keine Überraschung. „Das Ergebnis hatte sich die ganze Zeit über angedeutet.“ Auch das Rechtsgespräch, die drei gestrichenen Verhandlungstage und ein Programm ohne Zeugen und Sachverständige hatten auf ein Ende des Prozesses weit früher als ursprünglich erwartet hingedeutet.

Damit die Familie Wörndl den Ausgang der Verhandlung nicht aus den Medien erfahre, hatte die Staatsanwaltschaft zuvor mitgeteilt, wie sie plädieren werde. Weil der Tatvorwurf nicht zu beweisen sei, hatten die Staatsanwälte Christian Merkel und Pia Dirnberger auf Freispruch plädiert. Rechtsanwalt Holderle zeigte sich gegenüber dem OVB über eines verwundert und übte leise Kritik an Richterin Will. Dass sich manche Indizien als nicht mehr belastbar herausgestellt hätten, sei nachvollziehbar. „Was mich überrascht hat, war, wie sich die Richterin in den Ausführungen zum Urteil verhalten hat.“ Die Familie hatte sich nach vier Verhandlungstagen von der Nebenklage zurückgezogen.

Ist der Fall damit zu Ende? Der Prozess hat mit dem Urteil seinen Abschluss gefunden, die Staatsanwaltschaft wird keine Rechtsmittel einlegen. Es wird wohl dennoch nicht vorbei sein. Nicht, wenn es nach der Verteidigung geht. „Ich möchte klarstellen, dass es nicht im Sinne der Verteidigung war, dass das Verfahren so schnell geendet hat“, sagte Verteidigerin Regina Rick dem OVB. „Wir hatten noch neue Erkenntnisse, die jetzt alle nicht mehr eingeführt werden.“ Sie beabsichtige, die neuen Gutachten „nach Rücksprache mit den Gutachtern“ zu veröffentlichen. Auch über den Stand der Anträge der Eltern auf Entschädigung werde man sich auf dem Laufenden halten. Auch gelte es nachzuarbeiten. Man wolle Amtshaftungsansprüche geltend machen. Es sei „unglaublich“, wie das Polizeipräsidium „entlastende Beweismittel regelrecht unterschlagen“ habe. Auch sei nicht vorstellbar, dass eine Vorsitzende wie die aus dem Verfahren zuvor nicht mit disziplinarischen Konsequenzen zu rechnen habe. Yves Georg fügte hinzu: „Wer solche Urteile im Namen des Volkes trifft, der muss auch vom Volk und damit mittelbar vom Recht zur Verantwortung gezogen werden können.“ Die Polizei äußerte sich auf die Vorwürfe. „Wir kommentieren Urteile nicht, wir respektieren sie“, sagte Sprecher Stefan Sonntag. Pauschale Angriffe seien nicht fair. Man werde abwarten, welche Vorwürfe konkret geäußert werden, sich die Punkte anschauen und sie „selbstkritisch prüfen“, betonte Sonntag. Auch die Staatsanwaltschaft wartet ab, Sprecher Dr. Rainer Vietze äußerte sich zurückhaltend. „Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, wird die Staatsanwaltschaft diese sorgfältig prüfen und gegebenenfalls die Ermittlungsarbeit entsprechend nachbereiten.“

Richterin Jacqueline Aßbichler hatte als Vorsitzende der Zweiten Jugendkammer Sebastian T. am 19. März 2024 wegen gefährlicher Körperverletzung und Mordes an Hanna Wörndl zu neun Jahren Haft verurteilt, vor allem aufgrund der Aussage eines Zeugen aus der JVA Traunstein, dessen Geschichte im zweiten Prozess von Gutachtern förmlich zerlegt wurde. Dieser neue Prozess war nötig geworden, nachdem der Bundesgerichtshof in Karlsruhe der Revision stattgegeben und das Urteil wegen Verfahrensfehlern im April 2025 aufgehoben hatte. Die neue Auflage des Prozesses fand aus Platzgründen im Amtsgericht Laufen statt.

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