Über 1.000 Euro für nicht lieferbaren Strom?

von Redaktion

Die unglaubliche Geschichte eines Kirchdorfer Flutopfers

Raubling – Es ist das zweite Weihnachtsfest, das Rosina und Konstantin Fourkiotis in einer Ferienwohnung verbringen. Ihr Haus am Enzianweg in Kirchdorf wurde am 3. Juni 2024 mit voller Wucht vom Hochwasser getroffen. Sie hatten Glück im Unglück, waren gut versichert. Seit 18 Monaten reguliert ihre Versicherung den Schaden, der weitaus größer ist als angenommen.

Haus ist auch nach 18
Monaten noch ein Rohbau

Die Heizöltanks waren von der Kraft der Flut zerstört worden. Das Öl kontaminierte das Mauerwerk. „Inzwischen wurden die Grundmauern vom Keller bis auf etwa einen Meter im Erdgeschoss sowie der komplette Kamin erneuert“, beschreibt Konstantin Fourkiotis den Baufortschritt. Im Frühjahr soll die Familie voraussichtlich wieder am Enzianweg einziehen können. Zur Sorge um ihr Haus und dem anstrengenden Leben zwischen Ferienwohnungen und Baustelle kam bald ein neues Problem hinzu: Rechnungen für Strom, der nie geliefert worden war. „Unser alter Stromzähler wurde noch im Juni 2024 vom Netzbetreiber abgebaut“, berichtet Fourkiotis. Die Bayernwerk Netz GmbH bestätigt das auf OVB-Anfrage. „Unmittelbar nach dem Hochwasser im Juni 2024 haben unsere Kollegen schnell und unbürokratisch gehandelt und vor Ort den Zähler ausgebaut“, so ein Sprecher der Bayernwerke. Das sei im IT-System so verbucht worden und auch der Stromlieferant erhalte in solchen Fällen eine Mitteilung, wann welcher Zähler aktiv war. Am 16. September 2024 wurde das Grundstück am Enzianweg 34 von den Bayernwerken mit einem Baustromverteiler versorgt. Jeder Stromzähler hat eine eigene Identifikationsnummer (ID), sodass es für Kunden, Netzbetreiber und Stromlieferanten keinerlei Verwechslungen geben kann. „Den Vertrag für die Baustromlieferung hat die Elektrofirma mit Eon abgeschlossen. Wir zahlen den monatlichen Abschlag. Da gibt es auch keinerlei Probleme“, berichtet Konstantin Fourkiotis.

Doch im Oktober 2024 erhält er einen weiteren Stromvertrag von Eon – diesmal für seinen Privatstrom. „Wir hatten vorher nie Strom von der Eon bezogen“, berichtet er. Doch das größte Rätsel: Der Vertrag bezog sich auf den Stromzähler, der im Juni 2024 ausgebaut worden war. Fourkiotis rief sofort beim Kundenservice der Eon an, um den Irrtum aufzuklären. „Damals dachte ich, dass sich die Sache erledigt hätte, denn ein Energieversorger kann ja über die ID genau nachvollziehen, welcher Zähler zu welchem Haushalt gehört.“ Doch Konstantin Fourkiotis sollte sich täuschen.

Auch ein Jahr, unzählige Anrufe, E-Mails und schlaflose Nächte später, war das Problem nicht aus der Welt. Der Aktenordner, in dem Fourkiotis alle Unterlagen sammelt, ist inzwischen zehn Zentimeter dick. Darin ist auch ein Auszug aus dem System der Bayernwerke, der eindeutig beweist, dass die private Stromversorgung am Enzianweg 34 am 3. Juni 2024 endete. Doch auch dieses Dokument reichte als Beweis nicht aus. Die Odyssee ging weiter.

„Ich habe das Gefühl, als sei ich in undurchschaubaren Strukturen gefangen“, beschreibt Fourkiotis seine Lage. Denn obwohl er der Eon die Situation nun schon zigfach erklärt hat, bekommt er weiterhin Rechnungen und Mahnungen. Inzwischen fordert Eon von der Familie 1.126 Euro für Strom, der nicht geliefert wurde und auch gar nicht geliefert werden kann, weil es am Enzianweg 34 auch im Dezember 2025 noch keinen normalen Stromanschluss gibt. Das OVB hat bei Eon angefragt: „Die Zuständigkeiten für Energievertrieb und Netzbetrieb in Deutschland sind per Gesetz voneinander getrennt“, erklärt ein Sprecher. „Zählerangelegenheiten fallen in den Zuständigkeitsbereich des jeweils örtlich zuständigen Netzbetreibers, der auch Eigentümer von Stromzählern ist.“ Soweit, so gut. Die Bayernwerk Netz GmbH hatte den Zähler ja schon im Juni 2024 als abgebaut in ihrem System vermerkt. Eon war aber trotzdem der Meinung, dass ab Oktober 2024 Strom an den Enzianweg geliefert wurde: „Aufgrund einer entsprechenden Meldung des Netzbetreibers gingen wir davon aus, dass am Zähler von Herrn Fourkiotis Strom genutzt wird, und nahmen ihn in die Grundversorgung auf“, erklärt ein Eon-Sprecher.

Doch wie funktioniert eine Grundversorgung, wenn kein Strom geliefert wird? Zum Verständnis erklärt die Eon: „Bei der Grundversorgung handelt es sich nicht um einen Tarif, den man aktiv abschließt, sondern der Grundversorger wird vom Netzbetreiber beauftragt, die Belieferung sicherzustellen.“ Diese Anmeldungen dürfe ein Grundversorger nicht ablehnen. Wenn durch den Netzbetreiber also gemeldet werde, dass für einen Zähler die Grundversorgung zu übernehmen sei, gehe Eon grundsätzlich davon aus, dass diese Angaben korrekt sind.

Missverständnis
in der Kommunikation

„Im konkreten Fall von Familie Fourkiotis gab es leider in der Kommunikation des Netzbetreibers und uns Missverständnisse“, gibt Eon zu. Und auch die Bayernwerke sprechen von Fehlern: „Offenbar kam es in der Folge zu IT-Kommunikationsproblemen zwischen uns als Messstellenbetreiber und dem Stromlieferanten“, räumt der Sprecher der Bayernwerke ein. Beide Seiten betonen, dass diese Fehler inzwischen behoben seien.

Nach über einem Jahr ist das Problem nun also endlich gelöst. „Wir bedauern sehr, dass wir auf die entsprechenden Hinweise von Herrn Fourkiotis nicht angemessen reagiert haben“, entschuldigt sich die Eon. „Das entspricht nicht unserem Anspruch an guten Service. Wir entschuldigen uns ausdrücklich.“ Und auch die Bayernwerke bedauern, dass Familie Fourkiotis solche Unannehmlichkeiten hatte.

Das Wichtigste aber: „Den Fall von Herrn Fourkiotis haben wir geprüft, sämtliche Forderungen storniert und werden ihm eine kleine Wiedergutmachung zukommen lassen“, bringt ein Eon-Sprecher den Fall zum Abschluss.

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