Mitten auf der Strecke kommt der Zug plötzlich zum Stehen. Die Durchsage meldet nach einiger Zeit einen Stellwerksausfall. Der Aufenthalt wird wohl dauern. Im Abteil seufzen die Menschen, manche fangen an zu schimpfen. Die Frau neben mir wird auf einmal nervös und schaut mich fragend an. Schließlich holt sie ihr Handy heraus und öffnet eine Übersetzungs-App. Nach einigem Hin und Her kann ich ihr den Grund der Verzögerung vermitteln.
Ihre Landessprache klingt fremd. Russisch und Ukrainisch ist es nicht, aber für mein Gehör vielleicht doch ein verwandter osteuropäischer Klang. Der Dialog ist ziemlich mühsam. Erst als ich ihr dazu ein Lächeln schenke, beginnt sich die Anspannung bei der Frau zu lösen. Nach etwa zwanzig Minuten Geduld ruckelt der Zug und fährt wieder los. Die Frau nickt mir dankend zu, fast, als hätte ich den Zug wieder in Bewegung versetzt. Später wird mir bewusst: Die Übersetzung mit der Handy-App war zwar hilfreich, aber nicht das Wesentliche. Entscheidend war der Moment der menschlichen Zuwendung. Ein Lächeln als kürzester Weg, der Brücken baut, wo Sprache nicht reicht. Gerade im Advent denke ich oft daran. An all die ungeplanten Begegnungen, die uns mitten im Alltag überraschen. Gott kommt leise. Unerwartet. Nicht laut, sondern in den feinen Gesten, die ein Herz öffnen. Auch und gerade da, wo wir scheinbar die gleiche Sprache sprechen. Wenn mir ein fremder Mensch plötzlich ein Lächeln schenkt, spüre ich manchmal: Jetzt berührt mich etwas Größeres. Vielleicht ist Advent genau das: wach werden für die zarten Zeichen, in denen Gott uns im Vorübergehen begegnen will. Er kommt anders, als wir meinen.