Rosenheim „ein Vorbild“

von Redaktion

Zwei Minister loben die Stadtwerke – Wo sich Bayern beim Heizen was abschauen kann

Rosenheim – Die Menschen werden in Scharen nach Rosenheim pilgern. Davon ist Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber überzeugt. Das liegt aber nicht an schönen Kirchen oder anderen Denkmälern wie an so manchen Pilgerorten. Sondern an einem Gebäude an der Schönfeldstraße. „Die Stadtwerke hier sind für viele zur Pilgerstätte geworden, Rosenheim hat eine Vorreiterrolle“, sagt Glauber. Die Stadt sei so gewissermaßen „ein Vorbild“ für den restlichen Freistaat.

Er steht zusammen mit dem bayerischen Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger, Oberbürgermeister Andreas März und einigen Vertretern der Stadtwerke zwischen massiven, silbernen Blechrohren, Druckanzeigen und anderen komplex Gerätschaften. „Wenn man sich das anschaut, erkennt man, dass Rosenheim vor der Welle schwimmt“, sagt Aiwanger, während er mit genauem Blick den Maschinenraum der Rosenheimer Stadtwerke inspiziert. Denn dort, im Wärmepumpengebäude an der Schönfeldstraße, stehen seit einiger Zeit drei Großwärmepumpen.

Natürliche Wärme
des Mühlbachs

Diese drei Anlagen könnten mittlerweile 20.000 Megawattstunden Wärme erzeugen. Das entspreche rund 800 Haushalten in Rosenheim, die mit Wärme versorgt werden – mit grüner Wärme. „Wir können somit schon zehn Prozent unserer Wärme klimaneutral stellen“, erklärt Heizkraftwerks-Leiter Rolf Waller den beiden Ministern. Das Prinzip dahinter: Die Wärmepumpen des sogenannten iKWK-Systems – innovatives Kraft-Wärme-Kopplungssystem – nutzen die natürliche Wärme des Mühlbaches, der an der Stelle an den Stadtwerken vorbeifließt.

Ein Teil des Wassers des Baches wird dafür in die Pumpen geleitet und abgekühlt. Die dabei entstehende thermische Energie wird entnommen, auf eine höhere Temperatur gebracht und über das Fernwärmenetz in die einzelnen Haushalte geschickt. Wenn die Maschinen auf voller Stärke laufen, könnten so rund 280 Kubikmeter Wasser pro Anlage aus dem Mühlbach geholt werden. Anschließend werde das abgekühlte Wasser wieder in den Mühlbach geleitet.

Für die Umwelt hätte das „nahezu keinen“ negativen Effekt, sagt Rolf Waller. Im Gegenteil: „Sämtliche Messungen haben ergeben, dass wir damit der Flora und Fauna etwas Gutes tun“, betont der Kraftwerks-Leiter. Der Bach werde „im schlimmsten Fall insgesamt nur um 0,5 Grad“ abgekühlt, berichtet er. Das sei im Sommer unter Umständen sogar positiv, wenn die Wassertemperaturen weiter steigen und es eine Möglichkeit gibt, die Gewässer herabzukühlen.

Im Winter sieht es anders aus. „Wir können das Wasser bis zu einer Wassertemperatur von sieben Grad verwenden“, sagt Heiko Peckmann, Geschäftsführer der Stadtwerke. Wenn der Bach noch kälter wird, laufe man Gefahr, dass die Anlagen vereisen. „Das Wasser, das wir in den Bach zurückleiten, hat ungefähr drei Grad, das ist schon sehr nahe am Gefrierpunkt. Deshalb trauen wir uns nicht, noch tiefer zu gehen“, erklärt der Geschäftsführer.

Ein Punkt, der auch Hubert Aiwanger beschäftigt. Er will von Waller und Peckmann wissen, an wie vielen Tagen im Jahr in Rosenheim nur auf die Heizung durch den Mühlbach gesetzt werden kann. Aufgrund der saisonalen Abhängigkeit brauche man bei der sogenannten Gewässerthermie noch eine andere Heizquelle, sagt Rolf Waller. „Flusswärmepumpen alleine reichen nicht, da muss immer was dazu“, sagt der Kraftwerks-Leiter.

Für den bayerischen Energieminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten sei die Wärmegewinnung über den Rosenheimer Bach dennoch ein „Leuchtturm-Projekt“. „Mit Mut und Innovationsgeist wird hier gezeigt, wie man regionale Energiequellen effizient nutzt. Solche Projekte brauchen wir in ganz Bayern“, sagt Aiwanger. Aus diesem Grund zeichnet er die Stadtwerke Rosenheim an diesem Montagvormittag auch als „Gestalter im Team Energiewende Bayern“ aus.

Flussthermie solle jetzt in Bayern groß auf die Agenda geschrieben werden, betont Aiwanger. „Unsere Flüsse und Seen können einen wichtigen Beitrag zur regionalen Wärmeversorgung leisten“, sagt er. Für 667 der insgesamt 2.056 Gemeinden in Bayern sei entlang von 104 Flüssen ein mögliches Flussthermie-Potenzial zur Wärmebereitstellung ermittelt worden. Rund 220.000 bis 610.000 Wohngebäude könnten darüber mit Wärme versorgt werden.

Zusätzlich böten 31 Seen im Freistaat günstige Voraussetzungen für den Einsatz von Seethermie. „Rechnerisch könnten wir rund zehn bis 20 Prozent der bayerischen Haushalte mit Gewässerwärme beheizen“, hofft Aiwanger. Ohne ökologischen Nachteil.

In Rosenheim ist das Potenzial bei der Form der Gewässerthermie noch gar nicht ausgeschöpft. „Wir haben als Nächstes das Abwasser im Fokus, das wir anzapfen wollen“, sagt Kraftswerks-Leiter Rolf Waller. Das Wasser, das zum Beispiel nach dem Duschen oder anderweitig aus den Haushalten zurückkommt, habe meist eine höhere Temperatur als ein Bach. Das könne man sich zu Nutze machen.

Zwei weitere
Gewässer parat

Zumal mit der Mangfall und dem Inn noch zwei weitere Gewässer parat stehen. Vor allem der Inn sei aber über das ganze Jahr kälter. „Von daher hat er schon weniger thermisches Potenzial“, erklärt Waller. Ein anderes Problem sei, dass der Inn sehr sedimentreich ist. Um das kleine Gesteinsmaterial aus dem Wasser zu bekommen, brauche es erst spezielle Filteranlagen und Reinigungstechniken, bevor das Wasser in die Wärmepumpen könne. Fest stehe aber auch: „Vom reinen thermischen Potenzial ist in Rosenheim noch sehr, sehr viel machbar“, versichert Waller.

Für die Menschen in Rosenheim sei das ein großer Vorteil. „Wir wollen ihnen auf Dauer irgendwann zu 100 Prozent klimaneutrale Energie zur Verfügung stellen können“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Heiko Peckmann.

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