Todesschuss: Vater setzt hohe Belohnung aus

von Redaktion

Schock vor einem Jahr: In Grassau kam ein mit einem Messer bewaffneter Mann (35) durch eine Polizeikugel ums Leben. Jetzt setzt der Vater eine hohe Belohnung für sachdienliche Hinweise zu den Vorfällen aus. Das steckt dahinter und so steht es um die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Grassau – Immer wieder kreisen seine Gedanken um die Frage, ob sein Sohn noch am Leben sein könnte, wenn der Polizeieinsatz anders abgelaufen wäre. „Man hätte ihm doch auch ins Bein schießen können. Es war nicht erforderlich, meinem Sohn ins Herz zu schießen“, ist der Vater immer noch überzeugt. Obwohl sein Sohn in einer psychischen Ausnahmesituation erst seine Mutter als Geisel genommen und dann einen Notruf an die Polizei abgesetzt hatte.

Mit dem Messer
in der Hand

Als die Beamten vor der Tür standen, stürmte der 35-Jährige mit einem Messer in der Hand heraus. Zumindest auf einen der dort postierten Beamten zu, der ihn erschoss. Experten haben bestätigt, dass in solch einer Ausnahmesituation mit einer in Sekundenbruchteilen nötigen Entscheidung ein gezielter Schuss kaum möglich sei. Immer wieder wurden in den letzten Monaten zudem Vermutungen laut, dass es sich bei dem Vorfall um einen sogenannten „SBC – suicide by cop“ handeln könnte. Aus dem Englischen übersetzt ist das ein bewusst herbeigeführter Suizid durch einen Polizisten.

Der Vater und sein Rechtsanwalt Michael Vogel aus Traunstein haben inzwischen auch eine neue Abschrift des Notrufs an jenem Abend bei der Polizei erhalten: „Als unser Sohn behauptet hat, er hätte seine Mutter als Geisel genommen, hört man im Hintergrund die Mutter wiederholt sagen: ,Nein, es ist nicht wahr, es ist nicht wahr‘. Weiterhin sagt sie im Hintergrund: ,Mein Sohn ist krank.‘ Trotzdem hat die Polizei dem psychisch kranken Sohn geglaubt und nicht der gesunden Mutter.“ Die Polizei sei nach seiner Meinung mit maximaler Gewalt wie gegen einen Schwerverbrecher vorgegangen: „Dieser Einsatz hätte in dieser Form nie stattfinden dürfen.“

Genau mit der Klärung dieser Frage beschäftigen sich seit einem Jahr die Ermittlungen des Bayerischen Landeskriminalamts und der Staatsanwaltschaft Traunstein. Es wird dabei geprüft, ob ein „Anfangsverdacht auf eine verfolgbare Straftat“ vorliegt. Also ob dem Polizisten, der den Schuss abgab, ein Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Der Vater des Toten und sein Anwalt konnten zwischenzeitlich auch die Bodycam-Aufnahmen der Polizei von jenem Abend einsehen, trotzdem bleiben bei ihnen weiterhin Zweifel am Einsatz. „Die vorhandene Bodycam-Aufnahme wurde nicht verändert“, stellt Rainer Vietze von der Staatsanwaltschaft Traunstein auf Anfrage des OVB klar.

Offenbar spricht aus Sicht der Ermittler nichts für eine Straftat des Polizisten, der den Schuss abgab. „Das Verfahren ist nur deshalb noch nicht abgeschlossen, weil es im Zusammenhang mit der Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Eltern zu Verzögerungen gekommen ist. Es wurde dem Rechtsanwalt der Eltern bereits im Oktober 2025 abschließende Akteneinsicht gewährt mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, den Notruf anzuhören. Dabei wurde eine abschließende Frist zur Stellungnahme bis 14. November 2025 gesetzt. Weil in der Kanzlei des Rechtsanwalts offenbar vergessen wurde, die ganze Akte herunterzuladen, erfolgte etwa eine Woche nach Fristablauf nochmals die Gewährung von Akteneinsicht“, schreibt Vietze.

Das Verfahren stehe kurz vor dem Abschluss: „Der zuständige Staatsanwalt hat letzte Woche eine abschließende Frist zur Stellungnahme gesetzt bis 12. Dezember 2025. Sollte innerhalb dieser Frist keine Stellungnahme erfolgen, die neue Überprüfungen erfordert, ist zeitnah mit einer Abschlussverfügung zu rechnen.“ Der Vater des getöteten Mannes und offenbar auch die Mutter, die sich nach dem Tod ihres Sohnes komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, wollen sich damit jedoch nicht abfinden. Zum Jahrestag des Todesschusses wird eine „Belohnung von 50.000 Euro für sachdienliche Hinweise“ ausgesetzt, die vertraulich bei ihrem Rechtsanwalt Michael Vogel gemacht werden könnten. Unterzeichnet ist die Ankündigung mit „Die Eltern“. Infrage kämen dafür wohl nur Polizisten, die beim Einsatz dabei waren oder zufällige Beobachter aus der Nachbarschaft.

Keine Stellungnahme
der Staatsanwaltschaft

Die Verzweiflung ist offenbar groß bei den beiden Personen, die vor einem Jahr ihr einziges gemeinsames Kind verloren haben. Aber gibt es außer ihrem Sohn, der die verhängnisvolle Kette der Ereignisse am 9. Dezember 2024 in Gang setzte, wirklich noch einen anderen Schuldigen? Und könnten sie mit dieser Aussetzung einer Belohnung sogar selbst rechtliche Probleme bekommen? Zur zweiten Frage lautet die Antwort der Staatsanwaltschaft ans OVB: „Dazu erfolgt jedenfalls vor Abschluss der Prüfung der Staatsanwaltschaft keine Stellungnahme.“

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