Und am Schluss wartet die kleine Bergkirche in Wall

von Redaktion

Nach 20 Jahren gibt es ein letztes Mal das Rosenheimer Adventssingen mit Hans Berger – Ein Besuch in den Bergen

Rosenheim – Das Rosenheimer Adventssingen ist eine Institution, fast eine Art Weihnachtsoratorium aus den Bergen. Seit 20 Jahren erfindet es Hans Berger, Musiker aus Oberaudorf, neu. Und immer gibt es ein zentrales Thema, um das herum er Lieder, Musikstücke und Texte zusammenstellt. Dieses Jahr lautet dieses Thema: Sehet den Stern. Ja, den könnte man fast übersehen, bei dem ganzen Trubel rund um Weihnachten, den Märkten, die mittlerweile zu Festivals mutiert sind, den Feiern und Festen. Aber der Berger Hans deutet hin in seinem letzten großen Adventssingen in diesem Jahr.

Eintauchen in die
Welt in Seebach

Wenn man eintaucht in seine Welt in Seebach, oberhalb von Oberaudorf, eintritt in den Bauernhof, der von seinem Bruder bewirtschaftet wird, und ihm eine Weile zuhört, versteht man, was ihn antreibt. Nein, eine Mission habe er nicht, er mache ein Angebot, wie ein gutes Essen, die Zuhörer müssten selbst entscheiden, ob sie es mögen, ob etwas ankomme bei ihnen.

Es dauert nicht lange, da liegt die Zither auf dem großen Holztisch, der eine Geschichte hat, wie die meisten Möbel in seinem Archiv, besser gesagt Lager. Auf der einen Seite ein Bücherregal mit unterschiedlichen Titeln: Von Wolf Biermann bis zum Papst Benedikt ist alles dabei.

Auf der anderen Seite ein großes Stahlregal mit Alu-Koffern. „Das ist mein Vermächtnis, mein Testament.“ Jeder Koffer beinhaltet ein komplettes Konzert, 60 sind es insgesamt. Alle sind sie feinsäuberlich beschriftet, Almsommer, Adventssingen, Pater Rupert Mayer, mit Jahreszahl. „Ohne die Zither gäbe es das alles nicht“, sagt er und schlägt ein paar Töne an, auf seiner ersten Zither, die er als Hansi bekommen hat. Sie ist eine von 25, und wie die Möbel in seinem Haus, hat auch jede Zither eine Geschichte. Darunter ist auch eine von fünf Zithern des Anton Karas, der 1949 das berühmte Thema zu dem Film „Der dritte Mann“ komponiert und darauf gespielt hat. Und eine vom berühmten Rudi Knabl ist natürlich auch dabei. Da wird sogar der Berger Hans ein wenig ehrfürchtig, wenn er darauf spielt.

Ein Nachbar habe Zither gespielt, das habe ihn als kleiner Junge fasziniert. Eine Unterrichtsstunde kostete damals, etwa 1950, als der Hansi zusammen mit seiner älteren Schwester dorthin zum Lernen ging, ein Pfund Butter. Weil Butter, so der Hans, habe der Nachbar nicht gehabt, sie aber jede Menge! Blöd war nur, dass seine Finger zu klein waren zum Zitherspielen, und der Unterricht deshalb auf später verschoben werden musste.

Doch der Hansi blieb hartnäckig. Er erkannte schon früh das Potenzial dieses Instruments, auf dem er heute ganze Orchesterstücke spielt. Denn sie habe alles, eine Zither: die Geige, die Bratsche, das Cello, den Bass. Noten habe er erst einmal nicht gekannt, die habe er erst später gelernt. Schließlich musste er ja noch die Landwirtschaftsschule absolvieren, denn er, das achte von neun Kindern, sollte schließlich Bauer werden. Aber es sei gut, dass sein Bruder die Landwirtschaft in Seebach betreibe, er würde wahrscheinlich den Mist immer noch mit der Schubkarre herausfahren. Doch immer mit Musik im Kopf. Zum Zitherspielen kamen das Orgelspiel, Auftritte in der ganzen Welt, beim Papst oder in den Achtzigerjahren vor der schwedischen Königin Silvia auf einer Almhütte über Salzburg. Und auch, wenn er Werke der großen Komponisten spielt, wie demnächst beim Neujahrskonzert im Festspielhaus Erl, am liebsten spielt er seine eigene Musik.

Vor vielen Jahrzehnten wurde er im Rahmen eines OVB-Buches nach seinem Lieblingsgericht gefragt. Er beantwortete die Frage mit einem Gedicht: Das liebste sei ihm das, was er gerade esse, wie in der Musik das Stück, das er gerade spiele. Und so sei das Rosenheimer Adventssingen zu dem geworden, was es heute ist, weil es jedes Jahr wieder neu entstanden ist.

Begonnen hat seine Adventskarriere in der kleinen Bergkirche von Wall, gleich neben dem Schulhaus, wo er zur Schule gegangen ist. Ob er da schon eine Vorstellung von dem Ausmaß hatte, das es einmal haben würde, kann er nicht sagen. Denn mittlerweile tourt er damit quer durch Bayern, bis es dann am vierten Adventssonntag in Rosenheim ankommt.

Da kommen dann auch die Riederinger Hirtenkinder dazu, mittlerweile ein fester Bestandteil seines Programms. Doch es ist mehr als ein Programm, es ist eine musikalische Reise durch die Adventszeit, die ganz stad anfängt, Anna und Joachim als Eltern von Maria vorstellt, die Verkündigung, die Reise nach Bethlehem, die Geburt. Hans Berger erzählt im Rosenheimer Adventssingen die Weihnachtsgeschichte von Anfang an. So wie er überhaupt ein großartiger Geschichtenerzähler ist. Da liegt die Leinen-Tischdecke auf dem Tisch in seiner Stube. „Wenn die daliegt, ist Weihnachten.“ Seine Mutter hat sie gemacht, und zwar von Anfang an, den Flachs gesponnen, den Stoff gewebt und mit einem Ring aus Tannenzweigen bestickt. „Das Garn zum Sticken hat sie als Zwölfjährige für einen Gang ins Dorf bekommen, um die Hebamme zu holen.“ Vielleicht macht diese kleine Episode ein wenig verständlicher, was im musikalischen Gehirn von Hans Berger so vor sich geht, wenn er ein „Konzept“ für ein Konzert entwirft. Da gibt es immer einen Anfang und ein Ende und einen Bogen dazwischen, der Anfang und Ende verbindet.

In seinem Leben als „Adventssingen-Macher“ ist der Anfang die Bergkirche in Wall, wo er als junger Zitherspieler ohne Noten ein Weihnachtslied gespielt hat. Das Ende ist die musikalische Weihnachtsgeschichte, die er daraus gemacht hat und die die Menschen jedes Jahr begeistert. „Sehet den Stern, leuchtend von fern, über dem Stall von Bethlehem…“.

Besondere
Weihnachtswünsche

Das wird mit seinem Montini-Chor und dem Hans-Berger-Ensemble ein ganz großer Moment werden. Als Bauer, der er nebenbei immer geblieben ist, schreibt sich Hans Berger seine Tierliebe auf die Fahnen und erzählt, dass er Mitglied in einer „Gewerkschaft für Tiere“ sei. Da würde er immer zu Weihnachten Post bekommen.

Dieses Mal stand ein Spruch auf der Karte: „Das Beste ist noch nicht vorbei, es fängt gerade erst an.“ Mit dem Ende des Rosenheimer Adventssingens setzt er sich also nicht zur Ruhe, was mit 80 Jahren verständlich wäre. Er erfindet das Adventssingen einfach wieder neu, mit neuen Texten, mit neuer Musik, ein bisserl kleiner vielleicht.

Das Rosenheimer Adventssingen übergibt er an Georg Staber und seine Riederinger Hirtenkinder. Und ganz zum Schluss, wann immer das ist, will er wieder ein Adventssingen in seiner Bergkirche in Wall machen.

Zusätzlicher Aufführungstermin

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