Fliegen künftig Drohnen ins Unwetter?

von Redaktion

Die Rosenheimer Hagelflieger bekommen Zuwachs: Für die Einsätze unter den Gewitterwolken wird ein altes Flugzeug gegen ein neues ausgetauscht. Damit geht für die Piloten ein Traum in Erfüllung. Wie die Menschen in der Region davon profitieren – und warum bislang noch keine Drohnen eingesetzt werden.

Rosenheim – Die Arbeit von Andrea Lindner soll sicherer werden. Denn dort, wo die Frau aus Vogtareuth an manchen Tagen arbeitet, peitschen heftige Winde, zucken Blitze und fallen Hagelkörner herab. Lindner ist die Chefin der Rosenheimer Hagelabwehr. Sie und ihre Kollegen heben mit kleinen Flugzeugen ab, wenn über der Region Unwetter toben. In der Luft versuchen die Piloten, so nah wie möglich unter die Gewitterwolken zu fliegen – um Mensch und Natur am nördlichen Alpenrand vor verheerenden Hagelschäden zu schützen.

Alte Maschinen
in die Jahre gekommen

Doch die Hagelflieger stehen vor einem Problem. Die beiden Flugzeuge der Hagelabwehr, die beim Landkreis Rosenheim angesiedelt ist, sind in die Jahre gekommen. „Die stammen aus den 80er-Jahren und wurden damals schon gebraucht gekauft“, sagte Landrat Otto Lederer während der jüngsten Sitzung des Kreisausschusses. So seien die Hagelflieger des Modells „Partenavia P68C TC“ seit rund 40 Jahren im Einsatz. Entsprechend sei der Stand der Technik in den zweimotorigen Maschinen. Daher mussten die Mitglieder des Ausschusses darüber entscheiden, ob ein neues Flugzeug angeschafft wird – für rund 1,7 Millionen Euro.

Mit dem einstimmigen „Ja“ zur neuen Maschine ist bei den Hagelfliegern ein Traum in Erfüllung gegangen. „Bei uns gab es seit zehn Jahren die Hoffnung, dass das irgendwann klappt“, sagt Andrea Lindner nach der Entscheidung. Möglich wurde der Kauf, da es eine Förderung vom Freistaat Bayern in Höhe von 680.000 Euro gibt. Der Hagelforschungsverein hat sich in den vergangenen Jahren auch ein wenig Geld zurücklegen können. Zudem wird das alte Flugzeug verkauft und der Landkreis besitzt noch zwei unverbaute Motoren, die im neuen Flieger verwendet werden können. So müsse das Landratsamt kein Geld mehr drauflegen.

Für die Piloten ändert das neue Flugzeug einiges. „In erster Linie ist es ein Sicherheitsfaktor“, sagt Lindner. Sie betont aber auch, dass das Fliegen mit der alten Maschine auf keinen Fall gefährlich gewesen sei. „Sonst hätten wir nicht einsteigen dürfen.“ Man hätte unbedenklich damit „noch ein paar Jahre weiterfliegen können“. Die neue Technik sei dennoch „eine Erleichterung“ beim Fliegen.

Zum Beispiel sei der Autopilot inzwischen deutlich weiterentwickelt worden, sagt die Chefin der Hagelflieger. Genauso seien die Anzeigen im Cockpit der neuen Maschine moderner. Bislang waren die vielen Zeigerinstrumente, wie zum Beispiel für die Flughöhe, einzeln verbaut. „Das kann man sich wie einen Uhrenladen vorstellen“, sagt Lindner. In Zukunft können die Piloten im sogenannten „Glascockpit“ auf Multifunktions-Displays zurückgreifen. Das könne Vorteile beim Instrumentenflug bringen, wenn sich der Pilot zum Beispiel wegen schlechter Sicht – unter anderem in Gewitterwolken – nur auf seine Anzeigen verlassen muss.

Ob die neue Technik auch Einfluss auf die Hagelabwehr an sich hat, muss sich erst zeigen. Andrea Lindner könne jetzt noch nicht beantworten, ob zum Beispiel die Stellen in den Gewitterwolken genauer angeflogen werden können, an denen der Hagel bekämpft werden muss. „Da müssen wir einfach ausprobieren, was da alles möglich ist.“

Fest steht, dass auch das neue Flugzeug für den Einsatz in den Unwettern extra gebaut werden muss. Dafür gebe es auch nur einen Hersteller nahe Neapel in Italien „Es ist gar nicht so einfach, eine Maschine für die Hagelabwehr zu bekommen. Wir fliegen ja kein normales Flugzeug“, sagt Lindner. Der Flieger müsse für die Einsätze strukturell verstärkt werden – zum Beispiel an den Tragflächen. Zudem gebe es vom Luftfahrtbundesamt besondere Auflagen: „Wir dürfen nicht schneller als 150 Knoten (277,8 km/h) fliegen und nicht mehr als 60 Prozent der möglichen Tankfüllung dabeihaben“, erklärt sie.

Ungeheure Kräfte
in Gewitterzellen

Aufgrund dieses hohen Aufwandes stellte sich das ein oder andere Mitglied des Kreisausschusses die Frage, ob es nicht schlauer ist, auf Drohnen statt auf Flugzeuge zu setzen. Die könnten vom Boden aus gesteuert werden, kein Pilot müsse sich in Gefahr bringen. Das sei momentan noch nicht möglich, erklärte Josef Huber, Vorsitzender des Rosenheimer Hagelforschungsvereins, während der Sitzung. „Das kommt noch ein paar Jahre zu früh“, sagte er.

Der Verein stehe aber mit der Fachhochschule Kufstein in Austausch. Dort gibt es einen speziellen Studiengang für Drohnen. „Man versucht, das schon seit einiger Zeit umzusetzen“, sagte Huber. Technisch sei es allerdings nicht so einfach, mit den unbemannten Flugobjekten in bestimmte Höhen zu fliegen, in denen die Hagelabwehr stattfinden muss. Zudem gebe es vorher auch noch ein paar „flugrechtliche Dinge“ zu klären.

Ganz zu schweigen von der Robustheit der Drohnen. „Die Kräfte in den Gewitterzellen würden die meisten Drohnen zerlegen“, ergänzte Andrea Lindner während der Sitzung. Wenn, müsste man auf militärische Drohnen zurückgreifen, was finanziell kaum umsetzbar sei. Zumal auf den Menschen bei der Hagelabwehr nicht verzichtet werden könne, sagte auch Otto Lederer. „Es hat sich gezeigt, dass die Erfahrung der Piloten darüber, wo die Bekämpfung zu erfolgen hat, zentral für den Erfolg der Hagelabwehr ist“, machte der Landrat klar.

In etwa zehn Monaten soll es das neue Flugzeug geben. Spätestens zur übernächsten Saison könnte dann auch Andrea Lindner in die neue Maschine steigen. „Dass das jetzt so schnell klappt, ist gigantisch.“

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