Frau veruntreut halbe Million Euro

von Redaktion

Eine Gemeinderätin wurde am Amtsgericht Traunstein wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, nachdem sie über 500.000 Euro vom Konto eines Seniors entnommen hatte. Ihre aufopfernde Pflege wertete das Gericht als strafmildernd. Das bewahrte sie vor dem Gefängnis.

Traunstein – Die Frau war schlank, und sie war zurückhaltend und geschmackvoll gekleidet. Sie sprach mit leiser Stimme, einmal weinte sie und tupfte sich die Augen mit einem Tempo trocken. Sie passte so gar nicht in das Bild von einem Menschen mit „krimineller Energie“ und vorsätzlicher Planung, obwohl eben diese Eigenschaft Staatsanwältin Marion Aicher für ihre Tat reklamierte: Die Frau, Gemeinderätin aus dem südlichen Landkreis Rosenheim, musste sich am gestrigen Montag vor dem Amtsgericht in Traunstein wegen Untreue in zunächst 15 Fällen verantworten.

Frau zweigte eine
halbe Million Euro ab

Sie hatte vom Konto eines eng befreundeten Mannes insgesamt über 570.000 Euro entnommen, nachdem der Senior ihr Generalvollmacht eingeräumt hatte. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass er der Frau das Geld ohnehin gönnte. Schließlich hatte er sie in einem handschriftlichen Testament als Alleinerbin eingesetzt. Doch schöpfte die Frau das Konto des über 80-Jährigen ab, während er noch lebte – und immer tiefer in Demenz versank.

So kompliziert die Beweisführung in einem Verfahren wegen Untreue auch sein kann, so schnell und reibungslos lief es in diesem Fall.

Nach einem Gespräch hinter verschlossenen Türen verkündete Richterin Barbara Dallmayer noch am Vormittag die Einigung, zu der man schon bei einem Erörterungstermin im Sommer den Weg geebnet hatte. Das Geständnis der Angeklagten belohnte das Gericht mit einer reduzierten Anklage. Nun musste sich die Frau nur noch für einen – wenn auch massiven Punkt – verantworten. Und bekam ein gnädiges Urteil: ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung.

Man könnte bei ihrem Untreue-Manöver fast von absichtlicher Fahrlässigkeit und von einer Mischung aus kühlem Gewinnstreben und echter Fürsorglichkeit sprechen. Sie habe eine soziale Einstellung, sagte die Frau: „Ich helfe halt gerne, wenn ich helfen kann.“ Im Falle von Günther W. stimmte das wohl auch. Sie war seit Jahren mit dem älteren Mann und seiner Frau befreundet gewesen, war auch mit den beiden in Italien im Urlaub gewesen.

Angeklagte wie
eine Tochter geschätzt

Sie fing Günther W. auf, als der unter dem Verlust seiner Frau litt. In den letzten Jahren seines Lebens baute er selber ab – und wieder war die Frau diejenige, die sich um ihn kümmerte, ihn im Pflegeheim besuchte, ihn zum Kaffee ausführte oder sein Zimmer dekorierte.

Auch der Sachbearbeiter der Polizei bekräftigte, dass sich die Frau fürsorglich verhalten habe und wohl von Günther W. geradezu wie eine Tochter geschätzt wurde. Ihre Zuwendung sei auch vom Pflegepersonal bestätigt worden, stellte später auch die Richterin fest. Ein Engagement, für das sich die Frau offenbar nicht mit Himmelslohn begnügen wollte: Sie zweigte also Geld vom Konto des dementen Mannes ab.

Mit Sümmchen für ihre Dienste und kleinen Ausgaben wie für Schuhe „Größe 39 für 64,95 Euro“ fing es an, mit 500.000 Euro unter anderem für eine Immobilie in Rosenheims Partnerstadt Lazise hörte es auf. Die letzte große Summe verteilte sie als „Schenkungen“ in Höhe von meist 20.000 Euro an Freunde und Verwandte, die dann ihrerseits ihre „Schenkung“ auf ein Konto in Italien überwiesen. Darin lässt sich ein Versuch sehen, eine „Schenkungssteuer“ zu umgehen. Die Staatsanwältin sprach denn auch von einem fragwürdigen „Steuersparmodell“.

Ein Schock
für die Angeklagte

Die Angeklagte scheint sich nur fahrlässig informiert zu haben, wollte es wohl auch gar nicht zu genau wissen. Bei dem Mitarbeiter eines Notars erkundigte sie sich nach der Rechtmäßigkeit ihrer Geldentnahme. Das sei es wohl, erfuhr sie dort. Und wollte sich nicht weiter damit belasten, dass die mündliche Antwort eines Mitarbeiters wohl kaum belastbar sein dürfte.

Die Staatsanwältin sprach angesichts der Stückelung der Beträge von einem planmäßigen Vorgehen im gewerbsmäßigen Umfang. Außerdem liege der Betrag von 500.000 Euro – „wahnsinnig viel Geld“ – massiv über der Summe von 50.000 Euro, bei der man noch Milde walten lassen dürfe.

Dennoch ging Anklägerin Marion Aicher nicht in die Vollen: Angesichts der Reue und des Geständnisses, aber auch der günstigen Sozialperspektive der Frau forderte sie zwei Jahre. Richterin Dallmayer blieb noch drunter. Der ernsthafte und liebevolle Einsatz für den Senior, die Rückgabe des Geldes, dazu eine Zahlung in den Nachlass – „das hat Sie gerettet“, sagte die Richterin.

Frau hat mit Folgen der
eigenen Tat zu kämpfen

Verteidiger Laurent Westermeyr, eigentlich Zivilrechtler und nur selten bei einem Strafprozess, wie er sagte, gab eine interessante Anregung von anderer Warte: So hilfreich auch Vollmachten seien, so mangele es doch generell an Belehrungen für pflegende Angehörige. Zum Beispiel darüber, was sie verlangen dürften, meinte er.

Die Angeklagte jedenfalls kam ihre Tat teuer zu stehen. Nicht nur wegen des Geldes, nicht wegen der Bewährungsstrafe, sondern wegen der psychischen Folgen. Die Ermittlungen kamen ins Rollen, nachdem die Bank der Frau Geldwäsche-Alarm gegeben hatte. Die Hausdurchsuchung sei ein Schock gewesen, sie sei nervlich angegriffen gewesen, habe nicht mehr arbeiten können und selber ärztliche Hilfe benötigt, sagte die Frau. Dennoch habe sie den betagten Freund bis zuletzt begleitet.

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