Rosenheim – Im vergangenen November eskalierte in der JVA Niederschönfeld – in der Nähe von Neuburg an der Donau – ein zunächst banaler Streit zwischen zwei Häftlingen. Glücklicherweise kam es zu keinen schwerwiegenderen Verletzungen. Nun musste sich einer der Beteiligten – ein 20-Jähriger – wegen Körperverletzung in mehreren Fällen allerdings vor dem Jugendschöffengericht Rosenheim verantworten – auch wegen eines besonders gefährlichen Angriffs mit einer Flex.
Vom Armdrücken zum
Angriff mit Werkzeugen
Laut Anklage war der Angeklagte, der derzeit eine Jugendstrafe in der JVA Bernau verbüßt, zum Tatzeitpunkt Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt Niederschönfeld. In der dortigen Werkstatt soll es im November zu einer heftigen Auseinandersetzung mit einem Mithäftling gekommen sein. Vorangegangen war ein Wortgeplänkel und der Versuch des Angeklagten, dem 24-jährigen eine Stahlkette um den Hals zu legen. Dieser hatte sich, nach eigener Aussage, jedoch dagegen gewehrt.
Nach einem kurzen Wortgefecht sollte der Streit dann beim Armdrücken geklärt werden, berichtete der 24-Jährige im Zeugenstand. Nachdem er den Angeklagten besiegt habe, sei die Situation in der Werkzeugkammer aber völlig eskaliert. Laut Anklage soll der 20-jährige Mann aus Afghanistan den 24-Jährigen massiv angegriffen und wiederholt auf ihn eingeschlagen haben. Auch als dieser schon am Boden lag. Kräftemäßig sei er seinem Angreifer überlegen gewesen, deshalb habe er sich befreien und den Angreifer in den Schwitzkasten nehmen können, sagte der 24-Jährige. Damit habe er die Situation unter Kontrolle gehabt, so seine Einschätzung.
Als der Angeklagte durch Klopfen signalisiert habe, dass er aufgebe, habe er von ihm abgelassen. Doch der 20-Jährige habe keine Ruhe gegeben und im nächsten Moment zum erneuten Angriff angesetzt. Er habe wiederholt Stahlrohre und Besenstiele nach ihm geworfen und ihn dabei auch einige Male getroffen. Schließlich habe ihm der Angeklagte eine Flex gegen den Kopf geschlagen. „Ich habe ihn dann mit dem Hammer weggestoßen“, sagte der Geschädigte. Doch das habe dem Angeklagten immer noch nicht gereicht. Sogar beim Einrücken in die Zellen habe dieser auf ihn gewartet und erneut eine Eisenstange nach ihm geworfen. Bei den Attacken hatte sich der Geschädigte eine Schädelprellung, eine Platzwunde an der Schläfe und mehrere Hämatome zugezogen. Der Angeklagte räumte die Taten vor Gericht umfassend ein.
Er machte darüber hinaus keine weiteren Angaben zu den Tatvorwürfen und seiner Motivation, zeigte sich jedoch reumütig und entschuldigte sich mit den Worten: „Es tut mir leid, dass ich mich dazu hinreißen ließ.“ Laut sozialpädagogischer Einschätzung der Jugendgerichtshilfe war das bisherige Leben des Angeklagten von zahlreichen Brüchen und psychischen Auffälligkeiten geprägt. Dennoch blicke der Heranwachsende hoffnungsvoll in die Zukunft und zeige einen großen Wunsch nach Bildung. Es wurde eine Ahndung nach Jugendstrafrecht angeregt.
Staatsanwältin Kathrin Kreidl folgte dieser Anregung. Sie sah den Tatnachweis weitgehend erbracht. Die Schilderung des Geschädigten sei glaubhaft und ohne großen Belastungseifer gewesen. Er habe offen eingeräumt, ebenfalls zugeschlagen zu haben. Das späte Geständnis des Angeklagten sei zu dessen Gunsten zu berücksichtigen, dennoch handele es sich um massive, aus einem nichtigen Anlass entstandene Gewalttaten innerhalb einer Justizvollzugsanstalt. Aus ihrer Sicht war eine Einheitsjugendstrafe von insgesamt sechs Jahren und vier Monaten angemessen.
Der Verteidiger Dr. Florian Engert betonte, dass sein Mandant bei der Auseinandersetzung auch verletzt worden sei und plädierte für eine Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Zwischen Spiel und Streit habe sich die Situation hochgeschaukelt. Sein Mandant habe die Kontrolle verloren, aber es sei keine klassische Gewalttat.
Das Jugendschöffengericht wählte in seiner Urteilsfindung einen Mittelweg. Es verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit versuchter sowie gefährlicher Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Darin berücksichtigt: Eine Jugendstrafe von drei Jahren und zwei Monaten, die der 20-Jährige schon im Gepäck hatte.
Gefährliche
Tatausführung
Da im Jugendstrafrecht bei neuen Taten häufig erneut eine Einheitsjugendstrafe gebildet wird, erhöhte das Gericht die bestehende Strafe entsprechend. Als besonders gravierend habe das Schöffengericht den Angriff des Angeklagten mit einer Flex gewertet und die Tatausführung als besonders gefährlich eingestuft, so Richter Marco Bühl in seiner Urteilsbegründung.