Für lebendige „Sorgegemeinschaften“

von Redaktion

Was in Aschau im Chiemgau als regionale Pflegerevolution begann, findet nun Gehör in Berlin: Das Priental-Modell gilt als Vorbild für eine zukunftsfähige Pflegeversorgung und wird zur Blaupause für den bundesweiten „Zukunftspakt Pflege“.

Aschau – Vor einem Jahr wurde im Priental eine Pflegerevolution entfacht. Nun sind die Botschaften für einen menschenbezogenen Systemwechsel für besonders hilfs- und pflegebedürftige Menschen auch in Berlin angekommen. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ hat das Priental-Modell als künftiges Leitmodell der pflegerischen Versorgung anerkannt. Und so wird das System aus Care- und Case-Management, Beratung und fachpflegerischer Begleitung aus Aschau im Chiemgau nun zur Blaupause für ganz Deutschland.

Koordinierungsbüro
Gesundheit

Mit dem „Koordinierungsbüro Gesundheit“ und dem „Gesundheits- und Pflegenetzwerk Priental“ wurde ein Modell entwickelt, das Bürgernähe, Prävention und sektorenübergreifende Versorgung konsequent verbindet. Erstmals werden Pflege- und Gesundheitsstrukturen vernetzt. Gemeindeschwestern und Patientenlotsen widmen sich gemeinsam hilfs- und pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen, analysieren den konkreten Hilfebedarf in der Region, um professionelle und ehrenamtliche Unterstützungsangebote aufzubauen. Das Konzept stammt von Elmar Stegmeier aus Aschau im Chiemgau. Im Ehrenamt ist er Vorsitzender des Ökumenischen Sozialdienstes Priental sowie Kreisvorsitzender des Gesundheits- und Pflegepolitischen Arbeitskreises. In seiner Profession als Versorgungswissenschaftler und Chef des Instituts für Soziale Wirkungsanalysen im Gesundheitswesen sowie Leiter der Fachgruppe Patientenlotsen der Deutschen Gesellschaft für Care- und Case-Management entwickelt er moderne Versorgungsstrukturen.

Sein Modell sieht eine zentrale Care-Management-Organisation auf Ebene von Landkreisen und kreisfreien Städten vor. Diese analysiert systematisch regionale Versorgungsbedarfe, vernetzt Akteure aus Gesundheits- und Sozialwesen und sorgt für qualitätsgesicherte Kooperationen. Als „Ankerpunkte“ im Netzwerk fungieren Ärztinnen, Therapeuten, Pflegeanbieter, Kliniken, Sanitätshäuser oder kommunale Stellen – all jene Akteure also, die Menschen mit Unterstützungsbedarf täglich begegnen. „Die Wirksamkeit vorhandener Leistungen wird verbessert, indem diese sinnvoll gesteuert, vernetzt und bürgernah zugänglich gemacht werden“, erläutert Elmar Stegmeier. Die konkrete Unterstützung für diese Menschen erfolgt dort, wo sie leben. Dafür stehen Gemeindeschwestern bereit, die die individuellen Bedürfnisse der Pflegebedürftigen und ihrer Familien in persönlichen Gesprächen erkennen, sie in ihrem Zuhause beraten und unterstützen. Das kann im präventiven oder pflegenden Kontext erfolgen. „Gerät ein Mensch in komplexe Versorgungssituationen, übernimmt eine Patientenlotsin mit einem strukturierten Case-Management den Fall“, erklärt Stegmeier. „Sie koordiniert alle erforderlichen Schritte, damit schwierige Situationen aufgelöst und der Mensch wieder weitgehend selbstständig an der Versorgung teilnehmen kann.“ Durch diese frühen Interventionen könnten häusliche Pflegesituationen stabilisiert und Krisen vermieden werden – ein zentrales Ziel der Pflege-Reform.

Dieser Ansatz findet in Bayern schon seit Langem Unterstützung. Unter anderem im Gesundheits- und Pflegepolitischen Arbeitskreis der CSU (GPA). „Wir müssen Pflege neu, anders und groß denken, um die vielen Baustellen anzugehen: Pflege darf kein Armutsrisiko mehr sein“, betont GPA-Landesvorsitzender und CSU-Landtagsabgeordneter Bernhard Seidenath. Pflege brauche nicht nur eine auskömmliche Finanzierung. Pflegende Angehörige müssten auch wirksamer entlastet und stärker unterstützt werden als bisher. „Ein erster Schritt ist, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe das Case- und Care-Management nach dem Prientaler Modell ausweitet“, erklärt Seidenath. Damit erlangt der Prientaler Ansatz nun bundespolitische Relevanz. „In ihrem aktuellen Sachstandsbericht betonen Bund und Länder, dass regionales Care-Management, fachpflegerische Begleitung und individuelle Fallsteuerung künftig gebündelt bereitgestellt und ortsnah organisiert werden sollen“, ist Elmar Stegmeier zufrieden, mit seiner Prientaler Pflegerevolution nun auch in Berlin ein Feuer entfacht zu haben.

Modell Priental
bundesweit im Fokus

„Das Modell aus dem Priental bereitet Reformen nicht nur vor, es lebt diese und dient bundesweit als Blaupause für ein modernes, bürgernahes Versorgungssystem“, betont Bernhard Seidenath. Und Versorgungsforscher Stegmeier hofft, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe für den „Zukunftspakt Pflege“ nicht nur pflegespezifisch denkt, sondern alle gesundheits-, pflege- und sozialbezogenen Bedürfnisse mit einbezieht. „Vor Ort sollen lebendige Sorgegemeinschaften entstehen.“

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