Rosenheim – Von Dezember 2016 bis Februar 2017 kam es plötzlich zu massiven Veränderungen im Mauerwerk, berichtete der Leiter des im Mittertor ansässigen Städtischen Museums, Walter Leicht, beim Besichtigungstermin. Bei einem Rundgang durch die Ausstellungsräume zeigten sich fast überall Risse: in der Aschl-Küche ebenso wie im Salinenraum, im Erdgeschoss ebenso wie im Stockwerk darüber, an Wänden ebenso wie an Decken. Auch außen an der Fassade sind Schadstellen zu sehen.
Auf der Suche
nach der Ursache
Was ist geschehen? Beim Ortstermin mit Christoph Scholter vom Landesamt für Denkmalpflege und Vertretern des Bauordnungsamtes als Unterer Denkmalschutzbehörde war allgemeine Ratlosigkeit zu verspüren. Der vergangene Winter war zwar ein richtiger, Rekord-Minustemperaturen über einen längeren Zeitraum rund um den Jahreswechsel gab es jedoch nicht. Auch Erschütterungen durch Verkehrsbelastungen sind auszuschließen, hieß es beim Amtstag Denkmalpflege, der monatlich in Rosenheim stattfindet. Das Mittertor liegt am Rande der Fußgängerzone, seit dem Bau des Kreisels am Ludwigsplatz hat auch hier die Verkehrsbelastung nachgelassen. Schwere Laster erschüttern das Gebäude nicht mehr. Grundwasserveränderungen soll es ebenfalls in den zurückliegenden 25 Jahren nicht gegeben haben.
Was ist der Grund für die Setzungen? Das soll jetzt ein Gutachten klären, das das renommierte Büro Bergmann erstellen wird. Es kennt sich mit dem Mittertor aus. In den 90er-Jahren gab es schon einmal ein statisches Problem: Der Turm musste unterfangen werden, weil er drohte, das benachbarte Fastlingerhaus zu erdrücken. Bogen zwischen den beiden Denkmälern, die den Turm des Mittertors auf Distanz halten und der Abstützung dienen sollten, zeigten keine Wirkung und wurde damals entfernt. Seit der Sanierung steht der Turm nicht kerzengerade, aber „einigermaßen stabil“, hieß es gestern. Trotzdem gibt es seit einigen Monaten besorgniserregende Entwicklungen: Neben den Rissen, die zum Teil Fingerbreite haben, scheinen sich auch die Böden mehr zu neigen als früher. Ob es einen Zusammenhang mit der Tatsache gibt, dass das Mittertor auf einer künstlich aufgeschütteten Insel zwischen zwei ehemaligen Gräben stehen soll, muss ebenfalls das Gutachten klären. Dafür sind auch Bodenuntersuchungen notwendig, hieß es gestern bei der Begehung. Dazu müssten zuerst Probegrabungen rund um das Denkmal stattfinden. Daneben beginnt an der Längsseite jedoch Ende November der Aufbau des Christkindlmarktes.
„Wir gehen davon aus, dass wir ein Gutachten bekommen, auf das wir uns fachlich stützen können“, betonte der Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege nach der Besichtigung. Auf der Basis der Untersuchung des Büros Bergmann soll dann ein Sanierungskonzept entwickelt werden. Es wird auch Aufschluss darüber geben, ob die Ausstellungen im Städtischen Museum, die 2000 Jahre Stadtgeschichte „zwischen Römergrab und Nierentisch“ darstellen, vorübergehend ausziehen müssen. Zu befürchten ist auch, dass Gründungsmaßnahmen und Sanierung teuer werden. Schlechte Nachrichten für die hoch verschuldete Stadt Rosenheim. Doch für Maßnahmen dieser Art gibt es eventuell Fördergelder aus Töpfen des Denkmalschutzes.
Bedeutendes Denkmal und letztes Stadttor
Das Mittertor ist eines der bedeutendsten Denkmäler der Stadt – Verbindung zwischen innerem und äußerem Markt, zwischen Max-Josefs- und Ludwigsplatz. Der erste Bau stammt nach Informationen des Stadtarchivs aus dem 14. Jahrhundert. Nach dem Brand 1641 wurden die oberen Stockwerke und der Turm in der jetzt noch erhaltenen Form errichtet.
Bis ins 19. Jahrhundert war im Mittertor die Brotbank der Bäcker untergebracht. Außerdem beherbergte es von 1444 bis 1759 die Pflasterzoll-Einnahmestelle, bis 1878 die Magistratskanzlei und das Stadtschreiberzimmer. Ende des 19. Jahrhunderts bezog die Polizeiwache im Mittertor ihr Quartier – bis zum Jahr 1944. Seit 1895 ist das Städtische Museum in dem Gebäude, das letzte der ehemals fünf Stadttore, untergebracht. Der Sammlungsbestand umfasst 20000 Exponate.