Aus dem Gerichtssaal

Vater verlor die Beherrschung

von Redaktion

War es gerechter Zorn oder eine unangemessene Reaktion? Gegen eine Bußgeldzahlung stellte der Richter das Verfahren gegen einen Vater ein, der einen angeblichen Grabscher verletzt hatte. Dieser sollte die Tochter belästigt haben.

Rosenheim/Brannenburg – Im Rausch soll ein junger Mann auf dem Herbstfest eine junge Frau obszön betatscht haben – am Abend des 27. August 2017.

Die Familie aus Brannenburg hatte sich gerade im „Tatzelwurm“ niedergelassen, als die Tochter des Angeklagten mit der Verlobten des erwachsenen Sohnes eine Runde über den Festplatz drehte. Sie kamen ganz aufgelöst zurück, weil ein betrunkener Wiesn-Besucher der 27-Jährigen zwischen die Beine gefasst habe. Das wollte der Verlobte nicht auf sich beruhen lassen und zusammen mit dem Vater machte er sich auf die Suche nach dem vermeintlichen Übeltäter, der in einer dreiköpfigen Clique am Autoscooter gesichtet wurde. Die Tochter erkannte den Mann als Übeltäter wieder.

Schilderungen wichen stark voneinander ab

Dann gingen die Berichte auseinander. Der angeklagte Stiefvater in spe, ein 59-jähriger Brannenburger, schilderte, dass sie gemeinsam die drei Kerle zur Rede gestellt hätten. Diese hätten die Vorwürfe bestritten und flüchten wollen. Daran habe man sie gehindert. Dass der Übeltäter dabei stürzte, sei auf dessen Trunkenheit und einen vergeblichen Fluchtversuch zurückzuführen. Geschlagen habe er niemanden aus der Gruppe.

Der Sohn, ein 31-jähriger Rosenheimer, bestätigte die Aussagen. Man habe umgehend die Polizei gerufen, um die angeblichen Grabscher einer gerechten Strafe zuzuführen. Alle Verletzungen, die bei dieser Aktion entstanden seien, hätte sich das angebliche Tatopfer selber zuzuschreiben.

Die Schilderungen aller Beteiligten wichen jedoch deutlich voneinander ab. Klar wurde lediglich, dass der 31-Jährige sich keinesfalls an Raufereien beteiligt hatte. Das war beim Vater nicht ohne Weiteres zu belegen. Dazu kam, dass er bei einer anderen Gelegenheit einem jungen Mann eine Watschn verpasst hatte, als der – nach seiner Meinung – nicht angemessen mit seiner damals 13-jährigen Tochter umgegangen war. Der hatte sich wohl vor dem Mädchen aufgespielt und ihr in der Dunkelheit mit einem Feuerzeug vor dem Gesicht herum gefuchtelt.

Das Mädchen bekam es mit der Angst zu tun und rief mit dem Handy nach dem Vater. Als der den Provozierer zur Rede stellte und der ihm dann auch noch patzig kam, setzte es eine.

In einem Rechtsgespräch kamen Richter Dirk Dombrowski, Staatsanwältin Dr. Spiess und der Verteidiger, Rechtsanwalt Nikolaus Lucke überein, dass der Vater wohl jeweils überreagiert habe, dazu aber über Gebühr provoziert worden sei. So beschloss man, das Verfahren gegen ihn einzustellen, ihm aber eine Buße von 1000 Euro aufzuerlegen. Dem Sohn war ein Fehlverhalten nicht nachzuweisen, sodass er freigesprochen wurde.

Wer nun der Grabscher auf der Rosenheimer Wiesn tatsächlich war, ließ sich zweifelsfrei auch nicht mehr feststellen.

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