Als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Rosenheim haben Sie das Thema schon vor Monaten aufgegriffen – und die Mitarbeiter in drei Veranstaltungen umfassend informiert. Was war der Grund für Ihre Offensive?
Ein Vergleich zwischen der Situation bei der Stadt Rosenheim und dem Fall Weinstein verbietet sich natürlich. Bei der Stadt Rosenheim wird nach Eignung, Befähigung und Leistung eingestellt.
Mit unseren Informationsveranstaltungen ist die Stadt zunächst ihrer Verantwortung als Arbeitgeber und ihrer Verpflichtung zur Aufklärung nachgekommen. Mir als städtische Gleichstellungsbeauftragte ist es vor allem wichtig, alle Kolleginnen und Kollegen für dieses Thema zu sensibilisieren.
Sexuelle Belästigung kann überall und in allen Hierarchieebenen vorkommen. Abhängigkeit, Scham und Angst fördern die sexuelle Belästigung. Durch Duldung und Schweigen wird der Missbrauch verlängert. Darum ist es wichtig, dass das Thema „Sexuelle Belästigung“ öffentlich diskutiert wird.
Wie haben die Verwaltungsmitarbeiter – weiblich und männlich – auf Ihre Informationskampagne reagiert?
Ich habe gemerkt, dass das Thema erst einmal sacken muss. Im Nachhinein habe ich viele positive Rückmeldungen erhalten. Die Kolleginnen und Kollegen haben die Thematik in ihre jeweiligen Ämter getragen und ich würde mir wünschen, dass sich daraus verlässliche Regelungen zu Kommunikation und Verhalten auf Ämterebene entwickeln.
Warum ist es nach wie vor notwendig, über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz aufzuklären? Ist die Tatsache, dass der Arbeitgeber zu aktiven Schutzmaßnahmen verpflichtet ist, noch nicht ausreichend bekannt?
Eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2015 ergab, dass 50 Prozent der befragten Beschäftigten schon einmal am Arbeitsplatz sexuell belästigt wurden. Überwiegend sind Frauen von sexueller Belästigung betroffen. Besonders gefährdet sind junge Frauen (Azubis), Frauen in ungesicherter Arbeitssituation (befristet, Leiharbeit), Frauen mit Behinderung oder Migrationshintergrund, Frauen in männlich dominierten Arbeitsbereichen sowie homo- und bisexuelle Menschen.
Mehr als 80 Prozent der Befragten wussten nicht, dass sie ein Beschwerderecht haben und der Arbeitgeber zu aktiven Schutzmaßnahmen verpflichtet ist. Dass zu ändern, sehe ich unter anderem als meinen Auftrag als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Rosenheim.
Anzügliche Bemerkungen gehören zum Büroalltag oft dazu. Nicht jeder stört sich daran. Wann beginnt die sexuelle Belästigung? Nach welchen Kriterien wird sie definiert?
Als sexuelle Belästigung zählt jede Annäherung, die von einer Seite unerwünscht ist. Was für manche als Spaß gilt, ist für Andere bereits beschämend oder beleidigend. Gewöhnlich hat jeder Mensch ein gutes Gefühl dafür, wann die Grenzen überschritten sind. Dieses Gefühl ist ernst zu nehmen. Es geht darum, eigene Grenzen offen zu äußern und Akzeptanz einzufordern.
Wie können sich Frauen, aber auch Männer vor Übergriffen schützen und sich wehren? Wo finden sie Hilfe?
Das wirksamste Mittel ist, die Belästigung öffentlich zu machen, das heißt laut und deutlich das unerwünschte Verhalten benennen und untersagen. „Nein heißt nein!“.
Zusätzlich sollten sich Betroffene an ihre Vorgesetzten, den Personalrat oder an die Gleichstellungsbeauftragte wenden. Zur Beratung stehen der Frauen- und Mädchennotruf (Telefon 08031/ 268888), die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Telefon 030/185551865 oder www.antidiskriminierungsstelle.de) und das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (0800/0116016) zur Verfügung.
Interview: Heike Duczek