Rosenheim – Erich Schartel arbeitete vor 50 Jahren in der Revisionsabteilung der Rosenheimer Stadtwerke. Am Morgen des 15. Novembers ging ein Anruf der Anwaltskanzlei Adam ein, weil dort ständig die Sicherungen herausflogen. Ein Fehler im Versorgungsnetz der Stadtwerke lag nahe. Erich Schartel wurde zusammen mit einigen Kollegen mit der technischen Untersuchung beauftragt. Was dann folgte, füllte abschließend einen 25 Seiten starken Revisionsbericht und beschäftigte schließlich sogar Kriminalpolizei, Physiker und Parapsychologen.
„Was damals passiert ist, vergisst man nicht“, sagt Erich Schartel. Jetzt, 50 Jahre später, erscheint es ihm wieder einmal an der Zeit, über das zu sprechen, was er damals erlebt hat. Als langjähriges Mitglied des Trachtenvereins GTEV I Stamm wählte er für seinen Vortrag das Vereinslokal Freie Turnerschaft.
Mitgebracht hatte der heute 75-Jährige den original Revisionsbericht und eines der Strom- und Spannungsmessgeräte, mit denen er damals versuchte, den unerklärlichen Stromschwankungen in der Anwaltskanzlei auf die Spur zu kommen. „Was da für Kräfte am Werke waren, ist für mich auch heute noch unglaublich“, erzählt Schartel.
Bis heute gilt der Spuk in der Anwaltskanzlei Adam weltweit als einer der am besten dokumentierten parapsychologischen Fälle der Geschichte. Es gibt Dutzende von Augenzeugenberichten, darunter Techniker, Physiker, Kripobeamte und Klienten der Kanzlei.
Die unheimlichen Vorfälle zogen sich über Wochen hinweg und steigerten ihre Intensität sogar im Laufe der Zeit: Leuchtstoffröhren drehten sich an der zweieinhalb Meter hohen Decke in ihren Halterungen, schmiedeeiserne Lampen schaukelten so wild, dass der Putz zu bröckeln begann, ein zentnerschwerer Aktenschrank rutschte rund 30 Zentimeter von der Wand, Bilder drehten sich um die eigene Achse und innerhalb nur eines Monats gingen 1000 Anrufe bei der Zeitansage ein. Die Post tauschte daraufhin alle Apparate in der Kanzlei aus. Umsonst: Innerhalb einer Viertelstunde werden die nächsten 42 Anrufe an die Zeitansage registriert, obwohl zu dieser Zeit nachweislich niemand im Büro telefoniert.
Schartel kann sich an weitere unerklärliche Phänomene erinnern, die er selbst gesehen hat. „Die Tinten-Nadeln in den Strom- und Spannungsmessgeräten, waren so hauchdünn, dass sie eigentlich keinerlei Druck auf das Papier ausüben konnten. Doch bei den Aufzeichnungen in der Kanzlei zerrissen sie das Papier mühelos“, wundert er sich noch heute.
Junge Frau geriet unter Verdacht
Nachdem technische Anomalien endgültig ausgeschlossen werden konnten, geriet eine damals 19-jährige Anwaltsgehilfin in den Fokus der Ermittlung. Hans Bender, Leiter des umstrittenen Freiburger Instituts für Grenzgebiete der Psychologie undPsychohygiene sprach schließlich von „spontaner Psychokinese“, ausgelöst durch persönliche Krisen, psychische Labilität und geringer Frustrationstoleranz. Für Schartel durchaus nachvollziehbar. „Uns ist diese junge Frau auch aufgefallen. Sie weinte oft. Zu Erscheinungen kam es nur, wenn sie zugegen war, dann wirkte sie starr vor Angst“, erinnert er sich. Dass sie sich nur einen Scherz erlaubt haben könnte, schließt der Techniker vehement aus: „In vielen Fällen war sie nicht einmal in dem selben Raum, in dem etwas passierte.“ Für absurd hält er auch das Buch „Falsche Geister – echte Schwindler“, erschienen 1969. Dessen Fazit: Die Öffentlichkeit sei durch Tricks, beispielsweise Nylonfäden, getäuscht worden. Das Werk beschäftigte sogar das Traunsteiner Gericht, nachdem Rechtsanwalt Adam eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung anstrebte. Er scheiterte. Bis heute für Schartel nicht nachvollziehbar: „Die Autoren waren nie vor Ort, dafür jede Menge Fachleute, die nach einer rationalen Erklärung gesucht haben. Derartige Tricks wären auf jeden Fall aufgedeckt worden.“
Die Phänomene in der Rechtsanwaltskanzlei endeten im Januar 1968, nachdem die Mitarbeiterin die Kanzlei verlassen hatte. Heute wohnt sie nicht mehr in Rosenheim. Vor einigen Jahren beteuerte sie in einem Fernseh-Interview, dass sie sich die Ereignisse in der Kanzlei nicht erklären könne: „Ich bin ein ganz normaler Mensch. Ich habe keine Kräfte. Es muss irgendwas anderes gewesen sein.“ Erich Schartel lässt dieser „Fall“ bis heute nicht los.