Am Rande notiert

„Coffee to stay“

von Redaktion

Was ist nur aus unserer Gesellschaft geworden? „Keine Zeit“ ist eine ständig geäußerte Entschuldigung. Tempo, Hetze und Hektik bestimmen den Alltag. Muss das sein? Sind wir die Sklaven des Sekundenzeigers?

Früher brauchte es Tage, bis eine Nachricht den Adressaten erreichte. Heute geht das nicht nur per E-Mail, sondern handywendend von jedem Standort aus. Die ständige Erreichbarkeit überall – das ist also der Fortschritt. Können Sie sich vorstellen, dass ich fünf Tage auswärts war, ohne das Handy mitzunehmen? Früher hat die Telefonschnur ja auch nicht bis Venedig gereicht – also: Was soll’s? Schön war’s, mal wieder aus der Zeit zu fallen – in die Frei-Zeit.

Apropos Zeit: Früher traf man sich auf einen Kaffee im Café. Heutzutage eilen Mitmenschen in dasselbe, um sich das Heißgetränk in einen Plastikbecher mit Deckel abfüllen zu lassen und mit diesem „Coffee to go“ getränkeschlürfend und eventuell zusätzlich semmelmümmelnd durch die Stadt zu marschieren. Geht’s noch?

„Abwarten und Tee trinken“, heißt ein Spruch, der ein anderes Genussmittel empfiehlt. Sind wir denn so arm an Zeit und Hirn, dass es nicht mehr dazu langt, sich für eine Tasse Kaffee in Ruhe hinzusetzen, sondern sich mit einem heißem Becher in den Fingern auf die Flucht – vor was eigentlich? – zu begeben? „In der Ruhe liegt die Kraft“, heißt es. Wenn wir uns unsere Zeit nicht selbst nehmen, wer soll sie uns dann geben? Genießen wir stattdessen einen „Coffee to stay“.

Artikel 1 von 11