Aus dem Gerichtssaal

Verwirrspiel um pakistanisches Eherecht

von Redaktion

Scheinehe, Bigamie, Erschleichung eines Aufenthalts-Titels oder Visums: Eine schwierige Rechtsfindung erlebte Richter Felix Ziemer vor dem Amtsgericht Rosenheim.

Rosenheim – Ein 41-jähriger Pakistani kam 2007 nach Europa. Im Mai 2008 heiratete er in Kopenhagen eine Ecuadorianerin und siedelte mit dieser nach München um. Inzwischen lebt er in Rosenheim. Seine Frau verfügte bereits über eine Niederlassungserlaubnis und damit bekam auch er vom Münchener Ausländeramt als Ehemann eine solche für Deutschland.

Bereits 2002 hatte der Angeklagte jedoch in Pakistan geheiratet. Mit dieser Ehefrau hat er zwei Kinder. Das wäre nicht weiter aufgefallen, wenn nicht diese erste Ehefrau auch gerne samt Kindern im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen wäre.

Ehefrau eins und zwei

Also beantragte sie ein Visum bei der deutschen Botschaft in Islamabad. Nun geriet der Angeklagte in die Bredouille. Auch die neue Ehefrau war alarmiert – zumal die erste Ehefrau im Jahre 2015 ein weiteres Kind von ihrem Ehemann bekommen hatte.

Nun behauptete der Angeklagte vor dem Ausländeramt, er sei bereits seit vielen Jahren von der ersten Ehefrau geschieden. Als Beweis legte er eine notarielle Scheidungsurkunde vor. Diese schien kein Falsifikat zu sein. Aber weil die deutschen Behörden weder im pakistanischen noch im muslimischen Ehe- und Scheidungsrecht präzise Bescheid wissen können, beauftragte das Ausländeramt in Rosenheim die deutsche Botschaft in Pakistan, genaue Erkundigungen einzuholen.

Die Botschaft in Islamabad hat – wie alle Auslandsvertretungen – einen sogenannten Vertrauensanwalt, der die juristische Situation vor Ort kennt und richtig beurteilen kann. Nach dessen Beurteilung hatte eine sogenannte muslimische „Verstoßung“ der Ehefrau notariell beglaubigt zwar stattgefunden, aber damit sei es heutzutage auch in Pakistan nicht mehr getan. Es hätte weiterer juristischer Schritte bedurft, um eine solche Scheidung auch wirksam werden zu lassen, so der Vertrauensanwalt. Nach Auskunft dieses Ermittlers hat der Angeklagte in der Vergangenheit nicht nur seine (noch immer) Familie regelmäßig besucht. Darüber hinaus würde seine angeblich geschiedene Ehefrau nach wie vor bei ihren Schwiegereltern wohnen – was in Pakistan absolut unüblich sei. Die Tatsache, dass die Frau im Jahr 2015 ein weiteres Kind von dem Angeklagten bekommen hatte, spreche weiter gegen eine wirkliche Scheidung.

Um das Verwirrspiel komplett zu machen, legte die Ehefrau in Pakistan nun ein neuerliches Eheschließung-Dokument aus dem Jahre 2016 vor, nachdem sie nach der Scheidung wieder verheiratet worden wären. Allerdings widersprach die pakistanische Behörde einer solchen Eheschließung, weil die Scheidung nach dem dort geltenden Recht gar nicht vollzogen worden wäre, hieß es.

Es stellten sich nun die Fragen: Hatte der Angeklagte eine Scheinehe geschlossen, um über die „zweite Ehefrau“ leichter an einen Aufenthaltstitel zu kommen? Hatte er sich damit auch einer Aufenthalts-Erschleichung schuldig gemacht?

Gordischer Knoten

Fest stand für die Staatsanwaltschaft, dass er sich einer Doppelehe schuldig gemacht hatte. Deshalb erging ein Strafbefehl über 60 Tagessätze. Dagegen verwahrte sich der Pakistani und legte Widerspruch ein. Richter Felix Riemer hatte nun die schwierige Aufgabe, diesen gordischen Knoten zu entflechten.

Der Verteidiger, Rechtsanwalt Roland Kuhnigk stellte die Auskunft durch den „Vertrauensanwalt“ in Pakistan generell in Frage. Die Information, sein Mandant habe seine Familie in Pakistan regelmäßig besucht, wollte er durch den Reisepass des Angeklagten, in welchem nur wenige Einreisestempel sichtbar waren, widerlegt wissen. Wobei offen blieb, ob in Pakistan jede Einreise eines Staatsbürgers per Einreisestempel belegt wird. Unklar blieb, ob und wann die zweite Ehe aufgelöst, geschieden oder für ungültig erklärt worden war. Dass die zweite Ehefrau zu einer Zeugenaussage in Rosenheim nicht erschienen war, warf ebenfalls ein zweifelhaftes Licht auf diese Verbindung. Kritisch betrachtet wurde auch ein einstiger Antrag des Angeklagten auf Niederlassungserlaubnis, in welchem er etliche Angaben wie beispielsweise zu seinem familiären Status offengelassen hatte.

Richter Ziemer erklärte sich ohne die fehlenden Zeugen und ohne stichhaltige Gutachten außerstande, ein korrektes Urteil zu sprechen. Erst nach Vorlage entsprechender Unterlagen und – falls nötig – der Vorführung von Zeugen könne das Verfahren fortgesetzt werden, betonte er.

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