Talentförderung in RosenheiM wird weiter ausgebaut

„Jedes Kind ist begabt“

von Redaktion

„Begabungsgerechtigkeit“ will das Talentförderprogramm „Fit in die Zukunft“ (FitZ) an Rosenheimer Kitas und Schulen erreichen. Denn: „Jedes Kind hat eine Begabung, man muss sie nur ausgraben“,weiß Wolfgang Zeller, Vorsitzender des „FitZ“-Fördervereins. 2600 Mädchen und Buben werden heuer ihre Stärken entdecken.

Rosenheim – Deutschlandweit sorgt das Rosenheimer Modell der Talentförderung für Aufmerksamkeit: Sogar die Hirnforschung beschäftigt sich mit der begabtenorientierten Förderung für alle, die unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer steht.

Beim Start vor zehn Jahren standen jedoch zuerst die Hochbegabten im Fokus, berichtet die Geschäftsführerin des Fördervereins „FitZ“, Ulrike Saalfrank. Doch bei ersten Besprechungen mit dem Amt für Kinder, Jugendliche und Familien der Stadt, mit Grundschul- und Kindergartenvertretern stellte sich heraus: „Eine Stadt darf kein Talent verlieren, jedes Kind sollte seine individuelle Begabung entdecken und entwickeln können“, berichtet Saalfrank.

Dieser Ansatz überzeugte auch die Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling. „Es gibt ein arbeitsmarktpolitisches Problem. Aber wenn wir junge Menschen zwei, drei Jahre begleiten, dann sind die Weichen gestellt für den Rest ihres Lebens“, findet Vorstandsvorsitzender Alfons Maierthaler. Von Anfang an hat die Sparkassenstiftung Zukunft das Projekt deshalb unterstützt.

Mittlerweile hat auch die Wirtschaft den Wert der Talentförderung erkannt. Denn die vom Fachkräftemangel gebeutelten Unternehmen benötigen in seiner Persönlichkeit gefestigten Nachwuchs.

Ziel: Starke, stabile junge Leute

Starke, stabile junge Leute: Das ist das Ziel von „FitZ“. Das Projekt konzentriert sich nicht einseitig auf eine Begabungsform, sondern gleichberechtigt auf alle fünf Arten von Talenten: intellektuelle, musische, künstlerisch-darstellende, sportliche und sozial-emotionale Begabungen. Kursangebote zu diesen fünf inhaltlichen Säulen werden nach Angaben von Saalfrank und Zeller in allen Stadtteilen angeboten – immer nach den gleichen Prinzipien. Das verbindet – Schulen, Kindergärten, Kitas.

Wichtigstes Prinzip: Für die Eltern entstehen keine Kosten. Und Kinder entscheiden selbst, ob sie lieber Gitarre spielen oder Mitglied in der Wald-AG werden, ob sie sich einem Theaterprojekt anschließen oder tanzen lernen, ob sie Bilder für eine Ausstellung malen oder die Töpferwerkstatt besuchen. „Kinder wissen intuitiv selbst am besten, was sie interessiert“, betont Saalfrank.

So manches Talent ist auf diese Weise bereits entdeckt worden, freuen sich die Mitarbeiterin des Amts für Kinder, Jugendliche und Familien und der Vereinsvorsitzende. Ein Bub im Kindergarten Schatztruhe fiel beispielsweise dadurch auf, das er sich wenig zutraute. Bei einem intensiv „FitZ“-Malkurs kam er plötzlich aus sich heraus. „Lange hatte er bei keiner Aufgabe durchgehalten, plötzlich blieb er ausdauernd dabei“, freut sich Leiterin Sigrid Leonbacher.

„FitZ ist ein Seelenproviant.“

Christiane Freese, Leiterin der Kindertagesstätte Löwenzahn

Ein Kind in einer anderen Kita stotterte stark und meldete sich trotzdem im Chor an. Die Mutter und auch die Erzieherinnen sahen diese Wahl äußerst kritisch. Doch das Kind sang frisch von der Leber mit, die Sprachstörung entwickelte sich deutlich zurück – ein kleines Wunder. „FitZ ist ein Seelenproviant, ein Rucksack voller Stärken, der die Kinder stark macht für das ganze Leben“, ist Christiane Freese, Leiterin der Kindertagesstätte Löwenzahn, überzeugt.

Kinder, die ihr Talent entdeckt haben, können auch besser damit umgehen, wenn sie mal etwas nicht so gut können, berichtet Zeller. Widerstandsfähigkeit heißt dies in der Sprache der Pädagogik. Sie ist ebenso wichtig für eine stabile Persönlichkeit wie das Selbstbewusstsein, weiß der Fördervereinsvorsitzende.

Inge Thaler, Rektorin der Astrid-Lindgren-Schule, erläutert einen weiteren positiven Aspekt: „Die Kinder lernen das Durchhalten.“ Die Teilnahme am Akrobatikkurs oder an der Englischstunde ist freiwillig und kostenlos. Doch wer zwischendurch aussteigen will, muss den Ausfall an der Astrid-Lindgren-Schule aus der Familienkasse bezahlen. Alle Kurse an der Schule sind stets voll, freut sich Thaler. „Die Angebote sind eine riesige Bereicherung.“ An der Astrid-Lindgren-Schule ist ebenso wie an weiteren Bildungseinrichtungen auch so manch großes Talent entdeckt worden. Benötigt es eine spezielle Extra-Förderung, unterstützt unter anderem die Dr.- Michael-Stöcker-Stiftung.

Stolze Kinder sind starke Kinder, das haben auch viele Eltern erkannt. Die jährliche Befragung der städtischen Kitas ergab nach Informationen von Saalfrank: „98 Prozent aller Eltern finden die FitZ-Angebote für ihre Kinder ganz besonders wichtig.“

Damit sie auch weiterhin vorgehalten werden können, haben Stadt und Sparkassenstiftung Zukunft weitere Kooperationspartner mit ins Boot geholt – unter anderem das Staatliche Schulamt und weitere Stiftungen aus dem Rosenheimer Stiftungsnetz. Jedes Jahr kommen neue Kitas und Grundschulen hinzu. Mittlerweile sind es 13 Kindertagesstätten, fünf Grundschulen und das sonderpädagogische Förderzentrum. Die Lehrer und Erzieher erhalten im Rahmen des „FitZ“-Projektes außerdem Schulungen und tauschen ihre Erfahrungen regelmäßig aus.

„Bis 2021 wollen wir möglichst flächendeckend aufgestellt sein“, so Saalfrank. Alle Rosenheimer Kitas und Schulen und damit 4500 Kinder sollen davon profitieren. Dann läuft jedoch auch die Förderung durch die Sparkassenstiftung und das Stiftungsnetzwerk ab. Neue Finanzquellen müssen gefunden werden, um die über 200 Angebote aufrechterhalten zu können. Es lohnt sich, findet die Wissenschaft: „Selten wurde eine begabungsorientierte Arbeitsweise so konsequent weitergedacht“, sagt der renommierte Hirnforscher Professor Dr. Dieter Rüttimann aus der Schweiz.

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