Rosenheim – Professor Feindor beteuerte, er sei „kein Forscher, nur ein Plauderer“, alles habe er aus den publizierten Forschungen von Karl Mair, Stefan Freundl und Manfred Treml.
Zuerst gab Feindor mittels zahlreicher anschaulicher Folien einen kurzen Überblick über die Rasanz der Industriellen Revolution in Rosenheim: Pferde, Wagen und Schiffe wurden durch die Eisenbahn und später das Auto ersetzt, auch die von Ritter von Maffei gegründete Inndampfschifffahrtsgesellschaft hielt sich nicht lange. Holz und Torf wurden durch Gas und Kohle, Muskelkraft und Wasser durch Elektrizität ersetzt: Das E-Werk in Oberwöhr wurde schon 1896 erbaut und funktioniert noch immer. Statt Briefen und Signalen gab’s Telegraf und Telefon. Das alles geschah innerhalb von circa fünfzig Jahren: Rosenheims Markt- und schließlich Stadtväter waren sehr fortschrittlich und aufgeschlossen für die industriellen Entwicklungen.
Aus Bahnlinien wurden Straßen
So rasant war diese Entwicklung, dass der 1858 gebaute erste Rosenheimer Bahnhof, das heutige Rathaus, schon achtzehn Jahre später durch einen neuen Bahnhof an der heutigen Stelle ersetzt wurde. Deswegen mussten alte Bahnlinien, die mitten durch die Stadt geführt hatten, aufgegeben werden. Sie dienten dann als Straßen und Wege.
Im Jahre 1857 wurde die Bahnlinie München-Rosenheim über Holzkirchen und Bad Aibling eröffnet, ein Jahr darauf die von Rosenheim nach Kufstein und später nach Innsbruck – alles noch ohne Bahnhof! Man stieg einfach an der Straße aus. 1860 wurde feierlich die Bahnstrecke Rosenheim – Salzburg eröffnet, die „Kaiserin-Elisabeth-Bahn“. Mit ihr fuhr die österreichische Kaiserin „Sissi“ in einem Extra-Zug von Wien über Rosenheim nach München, wo sie in die Bahn nach Starnberg umstieg.
Die 1865 gegründete Salinen-Torf-Bahn, die vom alten Bahnhof zur „Moorkultur“ führte, bestand immerhin bis 1910, die 1871 begründete alte Bahnstrecke München-Grafing nur fünf Jahre lang. Mittels alter Karten, die man sich per „Bayernviewer“ (den der Rosenheimer Professor Dr. Josef Frankenberger begründet hat) selber aus dem Internet laden kann, zeigte Feindor, wo diese aufgegebenen Bahnlinien verliefen.
Dass die heutige Prinzregentenstraße einst eine Bahnlinie war, nämlich die alte Bahnlinie nach Grafing, die dann zur baumbestandenen „Promenadenstraße“ mit stattlichen Villen wurde, wissen die meisten alten Rosenheimer. Noch heute kann man an der Verlängerung der Prinzregentenstraße am Fasanenweg den alten Bahndamm finden.
Aber nur wenige wissen, dass vom alten Bahnhof eine Bahn nördlich abzweigte, an der Stelle des heutigen Sebastian-Finsterwalder-Gymnasiums über den Hermann-Gröber-Weg bis hin zur Innlände, wo sich die Anlegestelle der Inndampfschifffahrt befand. Zur Saline, an deren Stelle jetzt das Kuko steht, führte ein Abzweig vom alten Bahnhof über die heutige Brixstraße.
Salinen-Torf-Bahn führte durch die Stadt
Vor allem die Salinen-Torf-Bahn führte quer durch das heutige Rosenheim: Von der Bahnhofstraße am Forstamt vorbei über die Kellerstraße und den Professor-Muesmann-Weg, der auch heute noch deutlich als Bahndamm erkennbar ist, weiter über die Kirchbachstraße und die tief eingeschnittene Brunnholzstraße, wo die Bahnlinie eine Steigung bewältigen musste, bis zur noch heute so benannten „Moorkultur“. Auf alten Fotos ist diese Bahnlinie, die sich um die Christkönigkirche bog, deutlich erkennbar.
Die vielen Zuhörer zeigten sich selber sehr bewandert in der Rosenheimer Bahngeschichte und hatten noch viele Fragen und Zusatzbemerkungen.