Ein Blick hinter die Kulissen der Kaninchenzucht

Mit Schlappohren zum Erfolg

von Redaktion

Kaninchen B6303722 hat Potenzial: blau-weiße Fellfarbe, Schlappohren mit der perfekten Länge, gestutzte Nägel und gut frisiertes Fell. „Oh, wie süß!“, ruft der Besucher im Stall aus. Das freut Johann Schmid (58): Denn die Häsin ist das Ergebnis harter Arbeit des Kolbermoorer Rassekaninchenzüchters.

Rosenheim/Kolbermoor – Seine Karriere als Rassekaninchenzüchter startete Schmid im zarten Alter von zehn Jahren – mit einem Kleinchinchilla. „Den Rammler habe ich 1974 von einem Rosenheimer Züchter gekauft. Später kam dann eine Häsin hinzu“, erzählt der Tierliebhaber. Das war der Beginn einer Leidenschaft.

Aber was ist so faszinierend an den niedlichen Nagern? „Es ist einfach eine tolle Freizeitbeschäftigung“, erklärt der Züchter und fügt hinzu: „Ich finde es schön, in den Stall zu gehen, die Kaninchen zu füttern und herzurichten“. Trotzdem: Die Tiere nehmen viel Zeit in Anspruch: „Zweimal am Tag geht es zum Füttern, einmal in der Woche miste ich den Stall aus, das dauert ungefähr zwei Stunden“, erklärt der Züchter im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen. All dies kann Schmid nicht alleine stemmen: „Meine Frau Elfriede versorgt die Hasen, wenn ich unterwegs bin. Ohne sie geht es nicht“, erläutert er. Auch Sohn Alexander ist ein begeisterter Züchter.

Die Schmids und ihre Rassekaninchen wohnen in Kolbermoor. Der Stall liegt versteckt hinter dem Haus. Es riecht nach frischem Heu und Stroh. Der Sender BR Heimat läuft mit Volksmusik im Hintergrund. Musikvorlieben haben die kleinen Nager jedoch nicht: „Den Kaninchen mag die Musik egal sein, aber mir nicht“, lacht Schmid.

Momentan kümmert sich der Züchter „nur“ um drei Rassekaninchen: zwei Häsinnen und einen Rammler. „Eine ganz kleine Zucht“, wie er betont. „Ich fange mit der Rasse erst an. Ich mag es, alle paar Jahre etwas Neues auszuprobieren“, erklärt Schmid.

Fasst man also den Entschluss zum Züchten, ist das ein wenig so wie beim Klamottenshopping. In einem Katalog oder im Internet sind verschiedene Bilder von Rassekaninchen abgebildet. Gefällt dem angehenden Züchter das Bild, informiert er sich über die Bewertung der Rasse. Der Kolbermoorer bevorzugt beim Kauf den Weg zum Züchter: „Da sieht man den ganzen Stamm und wie die Tiere gehalten werden“. Derzeit fokussiert sich Schmid auf den sogenannten Widder-Typ. Typische Merkmale: blau-weiße Farbe und Hängeohren.

Nummer B6303722 schaut etwas verwirrt aus ihrem Stall. Durch das grüne Gras über die Wiese hoppeln, das kennt die Häsin nicht. „Die Gefahr ist einfach zu groß, dass das Fell schmutzig wird oder sie sich verletzt“, begründet Schmid. Trotzdem fehlt es den Nagern an nichts: „Ich füttere den Tieren viele Kräuter, Rosenblätter und Beifuß.“ Zudem gibt es für seine Tiere auch ab und zu die Zweige vom Obstbaum: „Den Kaninchen soll ja nicht langweilig werden.“

Am Ausstellungstag dreht sich alles um Kaninchen Nummer B6303722. B630 steht für den Landesverband und den Verein. 3722 für das Geburtsdatum und die Anzahl dieser Rasse im Verein. Eine Stunde dauert es, bis die blau-weiße Schönheit ausstellungsbereit ist. Krallen schneiden, das Fell durchbürsten und noch mal fix auf die Waage, bevor der große Moment gekommen ist. „Bei den Ausstellungen gibt es einen Standard, das sogenannte Gesetzbuch der Rassekaninchenzüchter“, erklärt Schmid. In dem Buch stehen sieben Punkte, die bei der Zucht wichtig sind: Größe, Gewicht, Farbe, Fell, Ohrenlänge, Gesundheit und Pflege.

Bei den Ausstellungen, so erklärt der Züchter, werden immer Zuchtgruppen ausgestellt, beispielsweise vier Tiere von einem Wurf oder eine Familie. „Die Tiere werden dann bewertet und die Punkte zusammengezählt. 100 ist das beste Ergebnis“, so Schmid. Er hat unter anderem schon bei der Landesschau in Straubing ein Siegertier gestellt und wurde Landesklubmeister in Dettelbach. „Die Erfolge sind natürlich ein Ansporn für mich“, erklärt der Züchter. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Wenn die Züchter in der Ausstellung hohe Bewertungen erhalten, haben sie gute Chancen, die Tiere zu verkaufen.

Zu seinen Kaninchen hat Schmid eine enge Bindung aufgebaut. Auch Nummer B6303722 ist dem Züchter ans Herz gewachsen. Ob sich Schmid mit ihr auch unterhält? „Natürlich. Ich will, dass es den Tieren gut geht. Bestimmte Themen spreche ich aber nicht an“, erklärt er schmunzelnd. Schmid vertritt die Philosophie, dass nur derjenige, der seine Tiere gut behandelt, den Titel Ausstellungszüchter verdient.

Seine Leidenschaft teilt er mit 18 weiteren Rosenheimer Rassekaninchenzüchtern. Seit 1974 ist er ein aktives Mitglied im Verein und dort auch als Schriftführer tätig. „Wir haben alle zwei Monate eine Versammlung. Einer der Mitglieder bringt ein Tier mit, das dann vom Zuchtwart besprochen wird. Zudem tauschen wir Erfahrungen aus“, berichtet Schmid.

Er bezeichnet den Verein als einen Stammtisch mit Hintergrund. „Es ist wirklich toll und ich gehe gern hin, weil man immer wieder etwas Neues erfährt“, fährt er fort.

Ein Leben für die Hasenzucht

Dass die Kaninchenzucht kein angesagtes Hobby mehr ist, darüber ist sich Schmid im Klaren: „Das Freizeitdenken hat sich geändert. Die Kaninchenzucht geht zurück.“ Die Rosenheimer stehen im Vergleich zu anderen Vereinen, mit 18 Züchtern allerdings noch gut da. „Bei der letztjährigen Bundesschau in Leipzig waren wir sogar mit 40 Tieren vertreten“, bekräftigt Schmid die Aussage stolz.

Liebevoll streicht er Kaninchen Nummer B6303722 über das Fell. „So lange es geht und so lange, wie ich kann, möchte ich meine Hasen halten. Sie begleiten mich jetzt schon fast mein ganzes Leben.“

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