Rosenheim – Romed-Klinkum, 14.30 Uhr. Es richt nach Desinfektionsmitteln und Kaffee. Im ersten Stock liegt die Mensa. Patienten, Besucher und das Krankenhauspersonal nutzen hier das Mittagsangebot. Unter ihnen Claus-Peter Damitz (58) und Yueh Weber-Lu (55). Beide fallen nicht auf. Weber-Lu rührt in ihrem Kaffee. Damitz isst ein Stück Käsekuchen. Sie hat graue, kinnlange Haare, Sommersprossen, trägt eine weite Hose und ein eng anliegendes Oberteil. Er hat eine Brille. Unter dem rot-weiß karierten Hemd trägt er ein schwarzes T-Shirt. Dazu Jeans. Sie wirken vertraut.
„Wir improvisieren viel und haben eine spontane Rollenverteilung“
Claus-Peter Damitz
Die beiden sind keine Patienten und besuchen keine Angehörigen. Sie sind aus einem anderen Grund hier: Damitz und Weber-Lu sind von Beruf Clown. Klinikclown, um genauer zu sein.
Weber-Lu war für viele Jahre mit dem Theater unterwegs und im Kinderzirkus tätig. Eine Kollegin erzählte ihr über die Arbeit der Klinikclowns. Sie bewarb sich und bekam den Job. Das war vor 18 Jahren. „Es ist ein Beruf und eine Berufung“, sagt sie.
Damitz ist erst seit dreieinhalb Jahren dabei. Er ist gelernter Schauspieler und Synchronsprecher. „Meine Kollegen haben mir gesagt, dass ich gut in den Clownshaufen reinpasse“, erinnert er sich. Anfangs war er skeptisch, schließlich gab er sich einen Ruck und bewarb sich bei den Klinikclowns. Mittlerweile blickt er auf 300 Einsätze zurück.
Alle zwei Wochen sind Damitz und Weber-Lu in der Rosenheimer Romed-Klinikum. Am Vormittag in der Palliativversorgung für Erwachsene, am Nachmittag auf der Kinderstation. „Die Pause dazwischen ist ganz wichtig“, sagt der 58-Jährige und fügt hinzu: „Auf der Palliativstation trifft man nicht nur alte Menschen, sondern auch Jüngere. Das ist eine Riesenherausforderung.“
Die Klinikclowns sind immer zu zweit und in der gleichen Paarung unterwegs. „Das macht vieles einfacher“, erklärt Weber-Lu. Ein festes Programm, haben die beiden nämlich nicht. „Wir improvisieren viel und haben eine spontane Rollenverteilung“, so Damitz.
Mittlerweile ist der Kaffee kalt und der Käsekuchen aufgegessen. Der zweite Teil des Arbeitstages beginnt. Mit dem Fahrstuhl geht es in die Kinderstation. Im Spielzimmer sitzt ein Mädchen im Rollstuhl. In der Ferne hört man leise Gespräche. Damitz und Weber-Lu verschwinden in einem der vielen Räume: „Wir ziehen uns schnell um“.
20 Minuten später öffnet sich die Tür und Professor Bommel und Lulu stehen im Gang. Von Claus-Peter Damitz und Yueh Weber-Lu keine Spur mehr.
Lulu trägt eine rot-weiße Brille. Ihre Haare hat sie in zwei Zöpfe gebunden. Kariertes Kleid, weiße Weste, weiße Bluse, rote Lippen und eine Clownsnase. Professor Doktor Baldu Bommel trägt ein grünes Hemd, eine gelbe Fliege, rote Hosenträger, einen Strohhut, rote Stiefel und eine karierte Hose. Auch er hat eine rote Anstecknase. Ein Namensschild ist an seinen weißen Ärztekittel gestickt: „Facharzt für Durcheinander“. In seiner linken Hand hat Professor Bommel eine Liste mit Namen von Kindern, die besucht werden.
Bevor es auf „Visite“ geht, machen sich die beiden auf den Weg ins Spielzimmer. Das Mädchen im Rollstuhl ist immer noch da. „Hallo Marianna“, begrüßt Lulu sie. Marianna ist sechs und seit ihrer Geburt ständig im Krankenhaus. Die Clowns kennt sie schon lange. „Wir sind Stammkunden“, sagt ihre Mutter und fügt hinzu: „Es ist meiner Tochter wichtig, dass es immer dieselben Clowns sind.“
Professor Bommel hat eine Mundharmonika aus seiner Tasche geholt, Lulu zaubert einen Seifenblasenspender in Teddybär-Optik aus ihrem Kleid. Marianna strahlt, klatscht begeistert in die Hände und probiert die Seifenblasen zu berühren. Ihre Mutter lacht. Die Sorgen des Alltags sind für einen Moment vergessen.
„Wir probieren den Aufenthalt im Klinikum bunter zu machen“
Claus-Peter Damitz
Nachdem sich die beiden Clowns verabschiedet haben, geht es in das erste Krankenzimmer. Professor Bommel klopft und streckt seinen Kopf durch die Tür. Die beiden warten, bis sie hereingebeten werden. Filip sitzt auf seinem Bett und beobachtet die Clowns interessiert. Der Neunjährige ist ebenfalls mit seiner Mutter hier. Eine Matratze ist neben seinem Bett aufgebaut. Filip (8) trägt ein Fußballshirt, wenn er lacht, sieht man seine drei Zahnlücken.
Mit Zauberei und Versteckspielen verbreiten die Clowns auch in Filips Zimmer gute Laune und Zuversicht. Strahlend beobachtet Filips Mutter ihren Sohn: „Die beiden sind eine gute Ablenkung für ihn.“
Das Besondere: Professor Bommel und Lulu sind nicht aufdringlich, sie gehen auf jedes Kind individuell ein und nehmen sich viel Zeit: „Die einen wollen es leise, die anderen mögen viel Krach“, erklärt Damitz und fügt hinzu: „Man merkt, wie sich die Spannung bei den Kindern löst, wir probieren einfach, den Aufenthalt im Krankenhaus etwas bunter zu machen.“
Nach 30 Minuten verabschieden sie sich von Filip. Der Neunjährige bringt die beiden zur Tür und winkt. Er sieht glücklich aus. „Wir geben viel Energie und Freude weiter, aber wir bekommen auch viel Zuneigung, Es ist ein Geben und Nehmen“, so Yueh Weber-Lu. Damitz nickt und fügt hinzu: „Ich bin dankbar, dass ich diesen Beruf machen darf.“